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Fuß in Baustelle gebrochen Fuß in Baustelle gebrochen: Gericht spricht Verwaltungsmitarbeiterin frei

Von Andreas Behling 09.06.2019, 05:36

Zahna-Elster/Dessau - „Die Verletzung ist bedauerlich und - das betonen wir als Kammer ausdrücklich - ursächliche Folge einer nachlässigen Sicherung der auf dem Gehweg abgestellten Baumaterialien. Aber eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten für die Verletzung sehen wir nicht“, hielt Frank Straube, Vorsitzender Richter der 7. Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau, zur Begründung der Entscheidung fest.

Und die lautete nach fast viereinhalbstündiger Verhandlung: Freispruch einer Mitarbeiterin des Ordnungsamts der Stadt Zahna-Elster vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung.

Höhere Strafe angestrebt

Die 57-jährige Frau, neben ihrem Verteidiger Dirk Riedeberger angespannt wirkend und eher still auftretend, schien von dem für sie günstigen Ausgang des Berufungsprozesses selbst ein wenig überrascht. Immerhin hatte ihr das Amtsgericht Wittenberg am 5. Februar eine Geldstrafe von 1200 Euro auferlegt.

Eine Summe, die Staatsanwältin Sabine Monnet anstrebte, zu verdoppeln. Doch ihren Antrag verwarf das Gericht. In Richtung der Geschädigten, einer 75 Jahre alten Frau aus Elster, meinte Richter Straube: Für die komplizierte Fraktur des linken Mittelfußes müsste aus zivilrechtlicher Warte die Kommune haften. „Denn die kam ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nach.“

Die Seniorin war am 28. November 2017 auf dem Weg zu einem Postkasten - kurz bevor sie zur abendlichen Chorprobe im „Haus der Vereine“ in Elster wollte - über einen massiven Fuß von Bauzäunen gestolpert. Ihren Angaben zufolge kann sie heute noch nicht sicher stehen und vor allem keine längeren Strecken laufen.

Sie meinte, dass die Unglücksstelle völlig unzureichend beleuchtet war: „Dunkler geht es nicht.“ Von der Blessur sei sie mehr als vier Monate außer Gefecht gesetzt worden. Sie habe einen Spezialschuh tragen müssen, weil in ihrem Alter keine Operation mehr in Frage kam.

Während die Kammer („Der Bürgersteig war komplett blockiert. Das war allemal eine Stolperquelle. Auf den nach dem Unfall gemachten Fotos sieht es aus wie abgekippt und im Galopp verloren.“) also durchaus eine Haftung der Kommune sah, verneinte sie nach ausführlicher Beratung eine strafrechtlich relevante Verantwortung der Angeklagten.

„Das wäre nur der Fall gewesen, wenn sie den Zustand gekannt hätte. Aber darauf gibt es keine Hinweise. Weder teilte ihr jemand aus dem Kollegenkreis etwas mit noch gab es Anzeigen von Bürgern. Auch von Dienstaufsichtsbeschwerden haben wir nichts erfahren.“

Kontrolle erfolgt

Zur Begründung des Freispruchs - „Hier sitzt die Falsche“, war Riedeberger bereits zum Auftakt überzeugt - hieß es außerdem, dass die Ordnungsamtsmitarbeiterin die Baustelle ein einziges Mal wahrnahm.

Und zwar schon im Juli 2017. Zu der Zeit sei dort alles in Ordnung gewesen. Ein Dixi-Klo und Säcke mit Kalk standen direkt an der Hauswand. Fußgänger mussten keine Beeinträchtigungen - oder gar Gefahren - in Kauf nehmen.

„Deshalb halten wir es für deutlich zu weit gehend“, erklärte Straube, „der Frau vorzuwerfen, dass sie es unterließ, ab dann die Situation am Gebäude unter Dauerbeobachtung zu nehmen. Der Zustand dort lief nicht der Straßenverkehrsordnung zuwider.“

Der Vorsitzende räumte ein, dass auch die damalige „besondere dienstrechtliche Situation berücksichtigt“ wurde. Die Angeklagte - gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt - musste zusätzlich die Aufgaben einer erkrankten Kollegen erfüllen. „Und nicht zuletzt blieb völlig offen, wann die Bauzaunfüße an die Stelle gelangten, an der sie Passanten im Weg lagen.“

Die Berufungskammer sah in dem Punkt keinen Grund, an den Aussagen von zwei Mitarbeitern der Baufirma zu zweifeln. Das Duo hatte beteuert, dass es die Bauzaunfelder am 5. Oktober abbaute und mit den knapp zehn Kilogramm wiegenden Klötzern beschwerte. Grund war der angekündigte erste schwere Herbststurm des Jahres.

Tatsächlich drohte der Zaun auf parkende Autos zu kippen. Der Chef der beiden Männer hatte übrigens später einen Strafbefehl akzeptiert, weil er vergaß, sich um eine verkehrsrechtliche Anordnung zu kümmern.

Letztlich bekundete er jedoch ebenfalls, dass alle Bauzaunfüße weg waren. Er habe veranlasst, die Baustelle komplett zu beräumen, weil man auf ein anderes Gewerk warten musste und eine ständige Kontrolle mit zu großem Aufwand verbunden gewesen wäre.

Die Baustelle - ein Projekt der Hochwasserschadensbeseitigung - ist noch heute Baustelle. Ursprünglich sollte das Vorhaben schon in der ersten Jahreshälfte 2018 abgeschlossen sein. Jetzt rechnet die Verwaltung mit Anfang 2020. (mz)