Eberhardinenfest in Pretzsch Eberhardinenfest in Pretzsch: Märchenhaft schön

Pretzsch - „Einlass ab 13 Uhr“ steht an der Kirche St. Nikolaus in Pretzsch. Doch schon lange vor dieser Zeit hat sich am Sonnabend ein ansehnliches Grüppchen versammelt, um die besten Plätze zu ergattern. Nicht etwa wegen des Gottesdienstes, der begann schon 10 Uhr und war ebenfalls gut besucht. Nein, für das Theaterstück zum Eberhardinenfest braucht es eine gute Sicht auf die Bühne im Altarraum.
Rund 60 Laiendarsteller
Die rund 60 Darsteller, darunter einige der Funken des Pretzscher Karnevalsvereins, sind guten Mutes. Manch einer trinkt ein Schlückchen Wein, andere rollen ihre Spickzettel neu. „Wer einmal dabei ist, ist für das nächste Jahr wieder gebucht“, weiß Günter Findeisen. Renate Schmidt zupft ihr Gewand eines Ausrufers zurecht. „Wir sind auch alles Hochzeitsgäste“, verrät sie.
Denn in einer zweiten Rolle steht sie mit anderen Frauen von Grün-Weiß Pretzsch als Tanzgruppe auf der Bühne. „Die Generalprobe ist gut gelaufen“, bestätigen Ilona Schönfelder und Rita Schulze.
Bei einem Rundgang durch die aktuelle Ausstellung „Plastik - 12 Poster“ von Tanja Schüz im Schloss Pretzsch werden am Freitag dieser Woche, 8. Juni ab 14 Uhr die neuen technischen Ausdrucksmöglichkeiten in der Kunst näher betrachtet. Die computerbasierten Bilder der Hamburger Kommunikationsdesignerin Tanja Schüz geben den Anstoß zu einem Dialog über die Fortführung künstlerischer Techniken und traditioneller Bildmotive. Im Gespräch wird dazu eingeladen, einen Bezug zur eigenen Lebenswelt herzustellen.
››Die Führung dauert rund eine Stunde. Anmeldung ist nicht notwendig. Die Kosten betragen für Erwachsene zwei Euro, Kinder bis 18 Jahre zahlen nichts.
Die Kirche ist nicht ganz so voll wie in den Jahren zuvor, aber immer noch gut besucht. „So wird Pretzsch wieder belebt“, freut sich Heidrun Heede auf die Aufführung. Enkel Rupert ist am Vormittag den Heimatfestlauf mitgerannt, drei Kilometer. Auch er wartet gespannt auf das Stück, das märchenhafte Elemente mit Pretzscher Geschichte vereint. „Es war einmal oder Als die Mondtochter in Pretzsch lebte“ heißt es diesmal, Autorin Sybille Zugowski spielt selbst mit.
Zur Titelmelodie von „Willi Schwabes Rumpelkammer“ (aus dem Ballett „Der Nussknacker“) erscheint Clemens Zugowski als Opa Willi - welch ein Zufall. Er erzählt zwei Kindern eine wundersame Geschichte, die sich 1711 zugetragen haben soll. Wie es die Schöpferin will: Die Personen werden lebendig. August der Starke und Ehefrau Christiane Eberhardine, Hofdamen, Bauern und Handwerker aus Pretzsch sowie die der Mond und seine beiden Töchter kommen herbei und lassen das Publikum in die Geschichte eintauchen.
Es geht um die Hochzeit von Eberhardines Ziehtochter Charlotte mit dem Zarensohn Alexej, um die Neubeschaffung verbrannter Kleidung und anderer Ausstattung. Die Mondtochter hilft und wird doch von den Menschen nicht geachtet. Josephine Voß, als eines der Kinder bei dem Erzähler, und Monalisa Dubrau als Verena haben mit die meisten Texte zu lernen gehabt.
Für die 14-jährige Monalisa ist es schon die dritte Hauptrolle. „Es hat Spaß gemacht“, sagt sie. Nur eine Stolperstelle, als sie den Bauern die erneute Flachsaussaat nahebringt, habe sie gehabt. Johanna Tauchnitz, die zweite Mondtochter, scherzt: „Nach drei Mal durchlesen konnte ich die ersten drei Sätze.“ Für Josephine war es im vierten Jahr die erste große Rolle. „Man wird dafür erwählt“, erklärte sie, wie sie zu ihrer Aufgabe kam.
Dass der Kirchenchor Bad Schmiedeberg-Pretzsch das Lied „Guter Mond, du gehst so stille“ in der Aufführung singt, ist eine Premiere. Eine, die der frühere Pfarrer Christoph Krause mit Staunen erlebt. „Das ist wirklich schön“, ist er nach dem Stück begeistert vom Einfallsreichtum, der die Elbestadt neu belebt. „Ich bewundere die Pretzscher. Und ich finde es gut, dass die Kirche ein Ort der Kultur ist.“
Schlosshof lockt
Vor und nach dem Theaterstück ist der Schlosshof Anziehungspunkt für die Besucher. Es gibt Blasmusik und Unterhaltungsprogramm, Speckkuchen der Bäckerei Schütze und kräftige Gulaschsuppe, Süßes und Zuckerwatte aus Torgau. Und Roland Scheer, der aus Schieferplatten kleine Kunstwerke macht.
„Normalerweise gehört Schiefer ja aufs Dach“, sagt der Kleinwittenberger, der als Dachdecker arbeitet. „Hierzulande wird er als Schornsteinverkleidung genutzt. Bei mir ist er ein Kunstgegenstand.“ In seiner Freizeit steht Scheer auf Festen wie in Pretzsch und zeigt, was man aus dem Naturmaterial gestalten kann: Zahlen, Figuren und andere Dekoration. „Der Umgang mit Menschen macht mir Spaß“, erzählt Scheer. „Die Leute sind auch interessiert, wenn man über Abbau und Bearbeitung von Schiefer erzählt.“
Solange die Mitwirkenden und Organisatoren Spaß daran haben, wird es auch im kommenden Jahr ein Eberhardinenfest geben. Wolfram Flämig bittet dafür um Spenden. „Auf der Sparkasse gibt’s sowieso keine Zinsen“, sagt er. „Bei uns sehen Sie, wo Ihr Geld geblieben ist.“ (mz)


