Eberhardinenfest in Pretzsch Eberhardinenfest in Pretzsch: Eine Stadt auf der Bühne

Pretzsch - „Das wird mir wohl ewig anhängen“, sagt ein lachender Wolfram Flämig. Dieses Jahr stehe er jedenfalls nicht wieder als Geist von Eckhard Affeldt auf der Bühne, verneint der Vorsitzende des Kultur- und Heimatvereins in Pretzsch. In der Stadtkirche geht es zwar im „Stein der Weisen“ erneut um viele Episoden aus der Stadtgeschichte, aber die liegen alle weiter zurück.
Rappelvoll ist das Gotteshaus am Samstagnachmittag, selbst auf den Emporen drängen sich die Besucher. Für die über 50 Mitwirkenden wird es ernst. Seit Dezember haben sie geprobt, so mancher wie Kerstin und Günter Findeisen oder auch Monalisa Dubrau hatten jede Menge Text lernen müssen. „Jetzt kann man sich endlich wieder anderen Dingen widmen“, meint Günter Findeisen, der Johann Friedrich Böttger mimt, den berühmten Erfinder des Porzellans.
Fast zwei Stunden führt das Theaterstück aus der Feder von Sybille Zugowski durch die Pretzscher und auch durch die sächsische Geschichte. Von der Darbietung der Laienschauspieler und dem im vierten Jahr schon sehr professionellen Zusammenspiel mit Licht und Ton lassen sich Hans Bandow und Ehefrau Uta begeistern.
Bandow war 18 Jahre lang Pfarrer in Pretzsch. „Bis 1994, Pretzsch hat mir sehr gefallen“, erzählt der nun 86-Jährige, der inzwischen in Torgau wohnt. Theater in der Kirche, das habe es damals nicht gegeben, „höchstens ein Krippenspiel“.
Gespannt lauschen beide den Erzählungen der Pretzscher Krähen im Park, den Sticheleien zwischen Kurfürst August dem Starken (Andriko Weinhold) und seiner Ehefrau Christiane Eberhardine (Marlies Schmidt), der Klage der Köchin über die kranken Kinder und der Findigkeit des Hofnarren Jürge Heraldt, der den Pretzschern manches Mahl bescherte, weil er mit Fahnen die Elbeschiffer anhielt und Lebensmittel ausladen ließ (was dem Versorgungsmeister des Schlosses vorbehalten war).
Es gibt den Freispruch zum Bäckergesellen zu erleben, Kohlen fischende Bauern und auch einen Böttcher, der durch seinen Leichtsinn die halbe Stadt in Brand steckt.
„Viele kennen die Fakten aus der Pretzscher Geschichte nicht mehr“, weiß Wolfgang Winkler, der dem Kultur- und Heimatverein angehört und selbst ein Stück Geschichte entdeckt hat. Auf einem Grundstück der Familie sei er beim Graben auf die alte Röhrwasserleitung gestoßen. „Die Leitung funktioniert nicht mehr“, weiß er. „Aber die Quellfassung ist noch vorhanden.“
Das Wetter ist perfekt, um im Anschluss auf dem Schlosshof Kuchen oder Kesselgulasch zu genießen, den „Abba Girls“ zu lauschen. „Toll, was die Pretzscher so zustande kriegen“, lobt Christian Gramzow das Fest. Und auch wenn Wolfram Flämig nicht Affeldts Geist mimt, er lässt es sich nicht nehmen, Sybille Zugowski für ihr Engagement einmal „kräftig zu drücken und in den Arm zu nehmen“. (mz)