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Die Partei  Die Partei : Neue politische Kraft in Coswig

Von Ilka Hillger 31.08.2019, 16:28
In Gründungslaune: Dietrich Eichmann (M.), Fabian Mellin und Jonas Sterzik sind Vorstand des Coswiger „Die Partei“-Ortsverbandes. Mit dabei: Landeschef Martin Bochmann (li.) und Elisabeth Habel.
In Gründungslaune: Dietrich Eichmann (M.), Fabian Mellin und Jonas Sterzik sind Vorstand des Coswiger „Die Partei“-Ortsverbandes. Mit dabei: Landeschef Martin Bochmann (li.) und Elisabeth Habel. Hillger

Coswig - Mit der Partei kommt der langersehnte Regen. Effektvoll begleitet am Mittwochnachmittag ein Sommergewitter die Gründung einer neuen politischen Kraft in Coswig. Unterm tropfenden Dach der Marina-Gastronomie trifft sich eine sechsköpfige, eingeschworene Gruppe. Die Männer in grauem Tuch, blauem Hemd und mit roter Krawatte, die einzige Frau am Tisch im passenden Kleid mit rotem Accessoire.

Das fällt auf zwischen den Campern im Freizeitlook. Hier sitzt also „Die Partei“ oder vielmehr mit der Hälfte der Anwesenden die Coswiger Mitglieder der Satirepartei. Fabian Mellin, Jonas Sterzik und Dietrich Eichmann schicken sich an diesem Nachmittag an, den Coswiger Ortsverband zu gründen.

Das ist ein insgesamt kurzer Prozess, den der Landesvorsitzende Martin Bochmann streng begleitet. Denn auch wenn Spaß und Satire einen großen Teil der Partei-Parteiarbeit ausmachen, so muss auch sie sich doch an das Parteiengesetz und dessen Regularien halten.

Also wird erst einmal flott gegründet, mit drei anwesenden Mitgliedern ist die Mindestzahl für den jüngsten Ortsverband Sachsen-Anhalts erreicht. In Blockwahl werden die Posten vergeben. Fabian Mellin wird Vorsitzender, Jonas Sterzik sein Stellvertreter und Dietrich Eichmann Schatzmeister.

Der Jüngste

Mellin, 16 Jahre alt und Schüler in Coswig, ist damit auch gleich der jüngste Ortsvorsitzende im Land, bestätigt der Landeschef Bochmann.

Bislang gab es den in Weißenfels, wo der dortige Vorsitzende sein Ziel, in den Stadtrat einzuziehen, auch erreicht hat. Nun übernimmt also Mellin in Coswig, wenngleich der Stadtrat in Coswig auf den jungen Mann noch einige Jahre warten muss. Schließlich wurde gerade erst gewählt und hier braucht man das Mindestalter von 21 Jahren.

Da könnte sich dann der 19-jährige Jonas Sterzik warmlaufen oder gleich Dietrich Eichmann, der in Sachen Kandidatur Erfahrung hat. Der 53-Jährige, der in Jeber-Bergfrieden wohnt, stand im Mai bei der Europawahl auf Listenplatz 8 seiner Partei. Die prominente Stelle hatte der Musiker und Komponist, der im Dorf eine Konzertreihe für Neue Musik ins Leben gerufen hat, vor allem seinem Namen zu verdanken.

Bormann, Göbbels und Speer waren neben den Spitzenkandidaten Martin Sonneborn und Nico Semsrott weitere Namen auf der Liste. Um der AfD Wähler abzujagen, hatte „Die Partei“ ihre Kandidaten so ausgewählt, dass Nachnamen bekannter Nazis auf den Wahlzetteln auftauchten.

Für Eichmann reichte es am Ende nicht für Brüssel, „aber das Primärziel wurde doch erreicht“, meint der 53-Jährige am Mittwoch in Coswig. Mit Nico Semsrott habe es ein zweiter Mann aus den Reihen der Partei in das Europarlament geschafft. „Wir sind die Narren, die zeigen, dass der Kaiser keine Kleider trägt – jetzt auch in Coswig“, spricht Eichmann gleich nach der Wahl in die Runde und damit ist in satirisch zugespitzter Form auch gleich das erste Statement aus dem Coswiger Ortsverband zu hören.

Die Nummer 2017

Dass der sich überhaupt gegründet hat, ist auch ein wenig der Europawahl-Spitzenkandidatur von Eichmann geschuldet. Denn erst als er auf dem Wahlzettel auftauchte, wurde der Landesverband darauf aufmerksam, dass es offensichtlich auch im Coswiger Raum Mitglieder gibt. Dabei ist der Komponist nun wahrlich kein Neuling in den Partei-Reihen. „Ich bin Gründungsmitglied“, sagt er stolz. Sein Mitgliedsausweis trägt die Nummer 2027.

Inzwischen ist „Die Partei“ längst bei über 40 000 angekommen. Sachsen-Anhalts Landesvorsitzender Martin Bochmann berichtet in Coswig, dass sich die Zahl der Mitglieder seit der Wahl sprunghaft erhöht und man bundesweit sogar die AfD an Mitgliedern überholt habe.

Der Rekord an neuen Anträgen habe in der Berliner Bundesgeschäftsstelle an einem Tag bei 800 Aufnahmeersuchen gelegen. Auch in Sachsen-Anhalt wächst seitdem die Zahl der Ortsverbände. Gerade wurde einer in Zeitz gegründet, der Burgenlandkreis folgt demnächst, auch in Dessau formieren sich die Partei-Mitglieder neu.

Die Einzige

Sehr aktiv seien neben den größeren Verbänden in Halle und Magdeburg auch die Wittenberger Genossen, die mit Benjamin Bang nun auch einen Vertreter im Stadtrat sitzen haben. Bei der Kommunalwahl hatte er aus dem Stand 712 Stimmen bekommen.

In Coswig ist er am Mittwoch nicht dabei, dafür aber Elisabeth Habel, bis vor kurzem sachsen-anhaltische Generalsekretärin und aus der Lutherstadt kommend. Als einzige Frau in der Runde, ist dieser Fakt dem Landesvorsitzenden Bochmann gleich eine Mahnung wert. „Eure Frauenquote ist beschämend, das war selbst in Zeitz besser“, sagt er den Coswiger Genossen.

Das neue Trio in Coswig hat also noch einiges zu tun. Vorerst werden die Zuständigkeiten für die sozialen Medien vergeben. Wie die Parteiarbeit in Coswig konkret aussehen soll, soll dann bei einem nächsten Stammtisch des Coswiger Ortsverbandes diskutiert werden. Dann vielleicht an einem anderen Ort, wo der Regen nicht in die Biergläser tropft.

Die Aufsteiger

Sieger unter den Kleinparteien bei der Europawahl in diesem Jahr war „Die Partei“ mit ihrem Spitzenkandidaten Martin Sonneborn. Insgesamt kam „Die Partei“ auf 2,4 Prozent der Stimmen – ein Zugewinn um 1,8 Prozent gegenüber 2014 und damit eine Vervierfachung der Stimmen. Neben Sonneborn zog die Nummer zwei auf der Parteiliste, der aus der ZDF-Satiresendung „Heute-Show“ bekannte Kabarettist Nico Semsrott, ins Europaparlament ein. Bei den Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt erhielt „Die Partei“ in Weißenfels, Wittenberg und Eisleben jeweils ein Mandat für den Stadtrat. Der Verband in Halle konnte sein Ergebnis auf zwei Sitze verdoppeln. Damit steigt die Zahl der Stadtratssitze von einem auf insgesamt fünf im Bundesland.

Die Redaktion des Satiremagazins „Titanic“ - Sonneborn war damals Chefredakteur - gründete am 2. August 2004 ihre eigene Partei: die „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“ (Die Partei). Als Abgeordneter des Europaparlaments kritisiert Sonneborn europäische Missstände. Videos seiner Auftritte sind vor allem bei jungen Leuten Kult.

Kontakt zum Ortsverband über Fabian Mellin: [email protected].

(mz)