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Bürgerdialog Coswig Bürgerdialog Coswig: Thema Ortsumfahrung und schwere Seufzer

Von Ilka Hillger 20.11.2017, 11:22
Quält sich nach wie vor durch Coswigs Zentrum: der Verkehr. Die seit langem geplante Umfahrung lässt auf sich warten.
Quält sich nach wie vor durch Coswigs Zentrum: der Verkehr. Die seit langem geplante Umfahrung lässt auf sich warten. Thomas Klitzsch

Coswig - Ein weiser Satz, ein wahrer Satz nach vielen Erläuterungen und Ausführungen. „Sarkastisch gesagt, ein Teil der hier Anwesenden wird die Umgehungsstraße nicht mehr erleben. Deshalb sollten wir uns nicht zerfleischen“, meint ein Coswiger. Es gehe doch um die Entwicklung der Stadt, die eine so hervorragend strategische Lage habe.

Das stimmt, am Ende aber ist sich ein jeder doch selbst der nächste. Die einen wollen nicht mehr vom innerstädtischen Verkehr umtost werden, die anderen nicht in ihrer idyllischen Waldruhe gestört werden. Coswig diskutiert sein Langzeitprojekt: die Umgehung der Bundesstraße 187. Seit 25 Jahren eine vordringliche Aufgabe laut Bundesverkehrswegeplan. Mit Bürgermeister Axel Clauß ist für dieses Thema und noch folgende ein neues Format in den Lindenhof gezogen.

Die Stadt hat zu einem ersten Bürgerdialog eingeladen. Nicht ganz ohne Eigennutz, wie es Clauß formuliert, denn so wolle man auch etwas vom Druck gegen Rathaus und Stadtoberhaupt nehmen. Der Einfluss, den die Stadt auf das Vorhaben nehmen kann, ist äußerst gering. „Hinhalten, Vertrösten, Ohnmacht“ – damit sei auch die Verwaltung konfrontiert und ein Schuldiger an der langen Dauer der Planung sei schon gar nicht auszumachen. Dafür gebe es viel zu viele Mitspieler.

Angesichts des langen Zeitraums bis zur Fertigstellung der Umgehungsstraße waren beim Bürgerdialog auch kurzfristige Maßnahmen zur Verkehrsentlastung Gesprächsthema. Fachbereichsleiter Michael Stephan erklärte auf Nachfrage, dass es Städten unter 20.000 Einwohnern nicht erlaubt sei, in Eigenverantwortung Fahrzeuge zu blitzen. Der verantwortliche Landkreis verfüge über keinen mobilen Blitzer und wolle auch kein Standgerät in Coswig installieren. Vielmehr sei der Vorschlag vom Landkreis gekommen, dass die Stadt Coswig solch ein Gerät finanzieren solle, die Einnahmen daraus aber an den Landkreis Wittenberg gehen. „Das ist für uns nicht verhandelbar“, sagte Michael Stephan. Oliver Grafe riet dazu, Anträge auf Geschwindigkeitsbegrenzungen beim Straßenverkehrsamt des Landkreises zu stellen.

Ganz maßgebliche sitzen beim Bürgerdialog mit mehr als 200 Zuhörern auf dem Podium. Oliver Grafe, Leiter des Regionalbereiches Ost der Landesstraßenbaubehörde, hat Kollegen aus dem Amt und beauftragte Planer mitgebracht. Zwar ist der Bau von Bundesstraßen Sache des Bundes, aber geplant wird bei den Landesbaubehörden. Für die Coswiger Ortsumgehung hat man dort einmal komplett umsonst geplant.

Die erste Trassenversion hätte nach EU-Recht streng geschützte Naturräume (FFH-Gebiete) berührt und sei nicht genehmigungsfähig gewesen, erläutert Grafe. Warum man jedoch mit dem Wissen um solch strenge Vorgaben trotzdem mit dem Planen anfing, lässt er offen.

Aber das sind ohnehin Gedankenspiele von gestern, denn nun führt die neue Straße, die das Stadtzentrum entlasten soll, etwas weiter nördlich durch die Landschaft. Dafür, so Grafe, befände man sich aktuell in der Genehmigungsplanung, im kommenden Jahr sollen alle Papiere eingereicht und offengelegt werden. Sieben Kilometer Länge, drei Knotenpunkte, sieben Brücken sehen die Planungen vor.

Nun ganz aktuell, denn die einst angedachten Kreisverkehre sind inzwischen durch neue Regeln des Bundes verboten. „Mit der neuen Planung sind wir seit 2013 bis heute beschäftigt. Das ist schon eine Leistung“, sagt Grafe und meint das im zeitlichen Sinne positiv. Im Publikum lässt dies etliche Coswiger Aufstöhnen, und das Seufzen wird noch größer, als die Fragerunde eröffnet wird.

„Wann wird begonnen“ - mehr will ein Anwohner aus der Zerbster Straße, dem Nadelöhr der Bundesstraße, gar nicht wissen. Oliver Grafe legt sich nicht fest, denn „wir haben auf viele Faktoren keinen Einfluss“.

So kann er nur einen Ausblick aus eigener Erfahrung wagen. Mit einem Minimum von zwei Jahren sei bis zum rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss zu rechnen, rechne man mit weiteren zwei Jahren für Ausführungsplanung, Vergaben und Bauvorbereitung könne also frühestens in vier Jahren mit dem ersten Spatenstich gerechnet werden. Als Bauzeit für das 50-Millionen-Euro-Vorhaben veranschlagt er drei Jahre. „Aber all das kann ich nicht unterschreiben“, sagt der Chef des Regionalbereichs.

Mehr Gewissheiten gibt es da eher bei den Bewohnern aus dem Norden Coswigs, die die Umgehung nicht vor der Haustür haben wollen und auch nicht auf das längste Brückenbauwerk (550 Meter) in Grafes Regionalbereich blicken mögen. Was die einen entlastet, wird die anderen künftig belasten. Mehrfach ist die Rede davon, dass die Natur mehr geschützt werde als die Menschen.

Im Podium wird genickt, aber nichts erwidert. Womit man wieder bei Mitspielern wäre, auf die das kleine Coswig und selbst die Landesstraßenbaubehörde keinen Einfluss haben. (mz)

Das Interesse ist groß: Viele Coswiger kommen zum Bürgerdialog.
Das Interesse ist groß: Viele Coswiger kommen zum Bürgerdialog.
Klitzsch