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Bundesforstbehörde prüft Bundesforstbehörde prüft: Stört der Wolf das Wild?

Von Sven Gückel 04.03.2019, 10:57
René Bruschke, Jana Kohler und Natalie Meyer (v. re.) begutachten und vermessen eine junge Eberesche.
René Bruschke, Jana Kohler und Natalie Meyer (v. re.) begutachten und vermessen eine junge Eberesche. Sven Gückel

Annaburg/Züllsdorf - Vertreibt der Wolf das Reh- und Rotwild aus seinem angestammten Gebiet? Die Diskussionen dazu sind nicht neu und werden besonders unter Weidmännern heftig geführt. Antwort auf diese Frage kann neben anderem das aktuelle Verbissgutachten geben, dass die Bundesforst in der Annaburger Heide erstellen lässt.

Es ist ein müßiges Geschäft, dem Jana Kohler und Natalie Meyer nachgehen. Mitten in der Annaburger Heide, mitten in Nirgendwo. Akribisch, den Blick zum Boden gerichtet, nehmen die beiden studierten Forstmitarbeiterinnen kleine Pflanzen und Sträucher ins Visier.

Ziel ist es, deren Bestand innerhalb eines abgesteckten Sektors zu sichten und zu erfassen. Jeder Winzling ab einer Höhe von 20 Zentimetern wird auf seinen Zustand untersucht. Das Ergebnis wird zur späteren Auswertung notiert. Abschließend muss der botanische Nachwuchs mit einer Wäscheklammer gekennzeichnet werden. Anders, sagen Kohler und Meyer, würde man in diesem zwölf mal zwölf Meter großen Verschlag wohl schnell die Übersicht verlieren.

Analyse aller zwei Jahre

Alle zwei Jahre, jeweils zum Ende der Winterpause, widmet sich die Bundesforst der aktuellen Verjüngungssituation der Waldbäume und -sträucher in ihren Revieren. Dadurch, so René Bruschke, Leiter des Betriebsbereiches Ost im Bundesforstbetrieb Mittelelbe, lassen sich später Hochrechnungen erstellen, aus denen sich unter anderem auf die Anzahl des Wildes schließen lässt.

Insgesamt 26 solcher Versuchsflächen hat der Bundesforstbetrieb in der Annaburger Heide errichtet. 26 eingezäunte Flächen und in direkter Nachbarschaft 26 offene Felder. Innerhalb der Umzäunungen, so erste Erkenntnisse, sei die Situation gut. Abgesehen von der noch immer vorherrschenden Trockenheit. Eine Spätfolge des letzten Sommers, die sich bis heute nicht verbessert hat. Sehr zum Leidwesen der jungen Bäume, deren Wurzeln es kaum schaffen, die tiefer liegenden Wasserquellen im Boden zu erreichen. Braune Nadelhölzer, die keine Chance auf Entwicklung haben, findet man derzeit allenthalben im Wald. Doch auch der Verbiss auf den offenen Versuchsflächen ist nicht zu übersehen. Junge Eichen, Birken oder Ebereschen, denen durch das Schalenwild die Triebe abgefressen werden, finden keinen Weg mehr nach oben. Statt dessen treiben die Pflanzen nur noch seitlich aus, was den Baum zum Busch mutieren lässt.

Zwar ist der Verbiss im Vergleich zu den Vorjahren leicht zurück gegangen, von 55 Prozent im Jahr 2013 auf unter 40 Prozent im Jahr 2017, doch die Schäden sind weiterhin unübersehbar. „Eine Referenzzahl für den Verjüngungsprozess des Waldes besagt“, erläutert Bruschke, „dass auf einem Hektar Wald etwa 5000 Bäume im Alter von fünf bis zehn Jahren stehen sollten.“ Ist dies nicht der Fall, muss man Konsequenzen ziehen. Entweder die betroffenen Areale aufwendig und mit hohen Kosten einzuzäunen oder die Abschusszahlen dementsprechend anzupassen. Das hängt auch vom jeweiligen Standort der Fläche ab. Im südlichen Teil der Annaburger Heide etwa mit den angrenzenden Agrarflächen, ist die Verbissbelastung nach wie vor hoch. In den Kernbereichen der Heide hingegen sinkt sie leicht. Bislang konnten in dem Ende März zu Ende gehenden Jagdjahr durch die Bundesforst 215 Stück Rotwild, 250 Rehe und über 400 Stück Schwarzwild in der Annaburger Heide erlegt werden. Insbesondere der hohe Schwarzwildabschuss trägt zur Entlastung der Schadsituation in der Landwirtschaft sowie der Vorbeugung der Seuchenausbreitung bei. Der nach wie vor nachweisliche Verbiss beweist aber auch, dass der Wolf nur marginal Einfluss auf den Wildbestand nimmt. Von „Ausrottung“ des Reh- und Rotwildes kann also keine Rede sein.

Kooperation mit Universitäten

Auch in den kommenden Wochen werden Kohler und Meyer weiter in der Annaburger Heide bei ihren Untersuchungen anzutreffen sein. Beide Frauen haben sich in den vergangenen Jahren dem Studium der Forstwirtschaft gewidmet, Meyer im gehobenen Forstdienst, mit dem Ziel Försterin zu werden, Kohler im höheren Dienst. Seit zwei Jahren arbeitet die Bundesforst mit den Universitäten zusammen, um Bachelor- und Masterabsolventen wie Jana Kohler und Natalie Meyer als forstliche Nachwuchskräfte zu gewinnen. Zwei Jahre lang absolvieren die Teilnehmer dann Praktika in verschiedenen Ausbildungsstationen, lernen notwendiges Praxiswissen und machen sich mit den Betriebsabläufen und Aufgaben der Bundesforst vertraut. Sofern abschließend von beiden Seiten Übereinkunft besteht, folgt die Unterzeichnung eines Arbeitsvertrages. Man plant auch künftige duale Studien.

(mz)

Aufgrund des Verbisses durch Rehwild wird diese Eiche kaum zu stattlicher Größe wachsen können.
Aufgrund des Verbisses durch Rehwild wird diese Eiche kaum zu stattlicher Größe wachsen können.
Sven Gückel