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Brathühner werden Goldadler Brathühner werden Goldadler: Jens Weißflog im Wittenberger "Lutherhotel"

Von Andreas Benedix 14.10.2015, 16:00
Skisprunglegende Jens Weißflog präsentiert in Wittenberg „Bilder meines Lebens“.
Skisprunglegende Jens Weißflog präsentiert in Wittenberg „Bilder meines Lebens“. Thomas klitzsch Lizenz

Wittenberg - Dienstagabend im Wittenberger „Lutherhotel“. Bis auf den letzten Platz sind die Stühle im Konferenzraum besetzt. Applaus ertönt, als eine Legende des Skisports das Podium betritt. Jens Weißflog, mehrfacher Olympiasieger, Weltmeister und vierfacher Gewinner der Vierschanzentournee, stellt sein Buch „Geschichten meines Lebens“ sowie seinen Fotoband „Bilder meines Lebens“ vor. „Ich habe mich lange dagegen gewehrt, ein Buch zu schreiben. Ich wollte nicht in der Flut der vielen Biografien von heutigen Superstars untergehen“, leitet er mit leicht ironischem Unterton den Abend ein. Schließlich ließ sich Weißflog aus Anlass der Jubiläen seiner Olympiasiege 1984 und 1994 doch dazu überreden, zur Feder zu greifen. Gelöst von den Zeilen seiner literarischen Werke plaudert er in humorvoll-lockerer Form über seinen Werdegang, seine Erfolge und Niederlagen.

Jens Weißflog wurde am 21. Juli 1964 in Steinheidel-Erlabrunn in Sachsen geboren. Nach dem Besuch der Kinder- und Jugendsportschule lebte und trainierte er in Oberwiesenthal. Bereits als 19-Jähriger gewann der Athlet die Vierschanzentournee.

Im selben Winter wurde er Olympiasieger auf der Normalschanze in Sarajevo und war Erstplatzierter im Gesamtweltcup. In den folgenden Jahren dominierte Weißflog die Skisprungwelt, wovon mehrere Weltmeistertitel und mehrfache Siege bei der Vierschanzentournee zeugen.

Die Einzigartigkeit seines Erfolges liegt darin, dass er sein Niveau zwölf Jahre behaupten konnte. Weder der Systemwechsel von der DDR zur Bundesrepublik noch die Umstellung der Skisprungtechnik konnten den Sportler längerfristig zurückwerfen. Er ist der einzige Skispringer, der sowohl im Parallel- als auch im V-Stil eine Einzelmedaille bei Olympischen Spielen erringen konnte. (mz)

Im Alter von sechs Jahren machte der spätere Spitzenathlet auf selbstgebauten Schneeschanzen seine ersten „Hopser“. „Das war mehr Abfahrtslauf mit Unterbrechung“, kommentiert er diese Anfänge. In seiner Kindheit versuchte sich Weißflog als „Nordisch Kombinierter“. „Das Laufen lag mir aber nicht. Da war ich mehr als schlecht“, erinnert er sich.

Da sein Talent auf der Schanze erkannt und gefördert wurde, besuchte er nach der sechsten Klasse als Spezialskispringer die Kinder- und Jugendsportschule (KJS). „Die KJS war die ideale Verbindung von Schule und Sport“, schätzt der auch als „Floh vom Fichtelberg“ bekannte Sportler ein. 1979 begann seine Erfolgsserie mit einem Sieg bei der Spartakiade. Kurz darauf stieg der Skispringer in die Nationalmannschaft der damaligen DDR auf. Geprägt war seine sportliche Laufbahn von einem persönlichen Ziel. „Mein Bestreben war es stets, meine eigenen Bestmarken zu verbessern. Siege und Platzierungen sind schön, aber die eigene Bestmarke war für mich der Maßstab.“

Viel Raum nimmt in seinen Schilderungen die Vierschanzentournee ein. „Meine erste Tournee ging voll in die Hose. Nach den ersten beiden Sprüngen war ich nur noch als Tourist dabei.“ Offen spricht der Athlet über die harsche Kritik, die er damals von Sportfunktionären der DDR einstecken musste. „Die haben mich einen Kopf kleiner gemacht. Schließlich hatte ich den Plan nicht erfüllt“, berichtet er augenzwinkernd. Das sollte sich jedoch bald ändern. Nachfolgende Olympia- und Weltcupsiege verhalfen dem Skispringer zu hoher Anerkennung.

Weißflog schlägt einen Bogen in seine Zeit als Mitglied der gesamtdeutschen Mannschaft. „Nach der verpatzten Weltmeisterschaft 1993 ließen bestimmte Zeitungen kein gutes Haar mehr an uns. Unter anderem betitelte man uns als ,Brathühner’. Ein Jahr später, als wir in Lillehammer den Olympiasieg holten, waren aus den ,Brathühnern’ plötzlich die ,deutschen Goldadler’ geworden“, erzählt er schmunzelnd. Mit lebendigen Worten schildert der Athlet seinen ersten Olympiasieg 1984. „Nach dem Springen in Sarajevo habe ich meinen Sieg erst gar nicht so richtig realisiert, selbst bei der Siegerehrung noch nicht. Erst als ich im Bad meines Quartiers mein Spiegelbild gesehen habe, kam der Gedanke: ,Mensch, der ist doch heute Olympiasieger geworden’“, so Weißflog. (mz)