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Besuch in der Lichtenburg Besuch in der Lichtenburg: An Franz Engel erinnert

Von Detlef Mayer 19.08.2018, 04:54
Rüdiger Erben, Vorsitzender des SPD-Kreisverbands Burgenlandkreis und Landtagsabgeordneter, auf dem Bunker-Gang im Gespräch mit Melanie Engler, Leiterin der Gedenkstätte KZ Lichtenburg Prettin
Rüdiger Erben, Vorsitzender des SPD-Kreisverbands Burgenlandkreis und Landtagsabgeordneter, auf dem Bunker-Gang im Gespräch mit Melanie Engler, Leiterin der Gedenkstätte KZ Lichtenburg Prettin D. Mayer

Prettin - Zum dritten Mal im Laufe der zurückliegenden fünf Jahre besuchte der SPD-Verband des Burgenlandkreises dieser Tage die Gedenkstätte KZ Lichtenburg in Prettin und legte hier in Verbindung mit einem geführten Rundgang einen Kranz für Franz Engel nieder. Der einstige Lichtenburg-Häftling Engel war vor seiner Internierung sozusagen ein Amtsvorgänger des heutigen Weißenfelser SPD-Kreisvorsitzenden und Landtagsabgeordneten Rüdiger Erben.

Franz Engel fungierte bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 als Mitglied des Stadtrats sowie als Unterbezirksvorsitzender der SPD, beides in Weißenfels im jetzigen Burgenlandkreis. Er gehörte zu den ersten Häftlingen, die im damaligen Männer-KZ Lichtenburg (1933 bis 1937) inhaftiert wurden. Laut Gedenkstättenleiterin Melanie Engler kam Franz Engel am 7. August 1933 in das Prettiner Konzentrationslager.

Dritte Visite in Prettin

2013 besuchte erstmals eine Weißenfelser SPD-Delegation die Gedenkstätte in der Lichtenburg. Die Visite damals bezog sich auf den 80. Jahrestag der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, der schon bald die Internierung von Franz Engel folgte.

Im August 2014 fand sich der SPD-Kreisvorstand des Burgenlandkreises erneut in Prettin ein, um an der Häftlings-Porträt-Wand im Obergeschoss der Gedenkstätte ein Bildnis von Franz Engel zu enthüllen. Das übernahm Anita Bocher aus Fürstenwalde, die Enkelin des einstigen SPD-Funktionärs.

Für den aktuellen, dritten Ausflug in die Elbestadt nahmen die Genossen aus Weißenfels erneut eine zweistündige direkte Anfahrt in Kauf. Sie wollten damit an den traurigen Umstand erinnern, dass Franz Engel vor mittlerweile 85 Jahren in der Lichtenburg inhaftiert wurde. Melanie Engler begleitete die Gruppe über das Gelände des Renaissance-Schlosses, aus dem die Nazis ein KZ gemacht hatten, sowie durch die Dauerausstellung und lieferte fachkundig Informationen aus diesem finsteren Geschichtskapitel.

Auftakt im Bunker

Dem Rundgang voran stellten die Frauen und Männer der SPD - mit von der Partie war auch Bad Schmiedebergs Bürgermeister Martin Rötel, der SPD-Europaabgeordnete Arne Lietz und Prettins frühere Bürgermeisterin Helga Welz (parteilos) wollten später dazustoßen - die Kranzniederlegung für Franz Engel. Sie fand diesmal nicht am Mahnrelief auf dem vorderen Schlosshof statt, sondern im Bunker. Rüdiger Erben wählte dafür die Zelle mit Häftlingsskulptur aus.

Von 1812 bis 1928 wurde der Prettiner Renaissance-Schlosskomplex als Straf- und Besserungsanstalt genutzt. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts existierten in der Lichtenburg mehrere Einzelzellen zur Isolierung von Sträflingen, die gegen die Hausordnung verstoßen hatten. Seit 1886 gab es nach mehreren baulichen Veränderungen insgesamt 13 Zellen verschiedener Größe und Funktion.

Zwischen 1933 und 1939 - also zu Zeiten des Männer-Konzentrationslagers (bis 1937) und des anschließenden Frauen-KZ - sperrte die SS hier Häftlinge ein, die bestraft bzw. gequält werden sollten. Für die Einzelzellen (mit gemauerter Pritsche, Notdurft-Kübel, vergittertem Fenster und Lochblende zur Verdunkelung) im Keller des Flügels B setzte sich unter den Häftlingen die Bezeichnung Bunker durch. Am Ende des Ganges ist zudem eine Stehzelle vorhanden. Durch eine niedrige Öffnung in Bodennähe musste der Häftling in die nur 67 mal 78 Zentimeter messende Zelle kriechen und hier Stunden oder Tage stehend ausharren.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nutzte man den Bunker zeitweise für eine Pilzzucht. 1965 führten Bemühungen ehemaliger KZ-Häftlinge dazu, dass in dem Zellengang eine Mahn- und Gedenkstätte entstand. Sie wurde am 8. Mai 1965 eröffnet und hatte bis 1978 Bestand. Dann wurde die Ausstellung überarbeitet und im mittleren Schlossflügel präsentiert (bis 2004). Seit Dezember 2011 gibt es im einstigen Werkstatt-Trakt des hinteren Schlosshofs den neuen Besucherempfang der Gedenkstättenstiftung Sachsen-Anhalt mit Dauerausstellung zur Geschichte des Prettiner KZ, das zu den ersten in Deutschland gehörte und durchgehend bis 1945 genutzt wurde, sowie Täter-Opfer-Gegenüberstellung.

Als Anliegen der Kranzniederlegung wie des neuerlichen Besuchs in Prettin nannte der SPD-Kreisvorsitzende, „die Geschichte der Sozialdemokratie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen“. Aufgrund seiner regelmäßigen Anwesenheit in der Lichtenburg scherzte Rüdiger Erben: „Ich könnte die Führung inzwischen fast selber machen“.

Auf das Schicksal von Franz Engel wies ihn übrigens 2003 in Weißenfels anlässlich der 140-Jahre-SPD-Feier ein älterer Mann hin. Vorher wusste er nichts davon. Der Tipp-Geber, so der SPD-Landtagsabgeordnete in Prettin, sei leider nicht mehr am Leben. Dafür gebe es seit einigen Jahren in Weißenfels einen Stolperstein zu Ehren Franz Engels.

Dessen Leidensweg durch die KZ lasse sich bis 1944 in Sachsenhausen verfolgen. „Dann verliert sich seine Spur komplett“, berichtete Rüdiger Erben. Weiterführende Quellen habe man bislang nicht finden können.

Melanie Engler machte die Genossen im Bunker darauf aufmerksam, dass dieser Ort des verschärften Arrests von den KZ-Häftlingen auch „Färberei“ genannt wurde, da man ihn meist grün und blau geschlagen verließ. Außerdem zitierte sie vor den Gästen aus der Straf- und Disziplinarordnung, die sie als Blaupause für ähnliche Regelwerke späterer Baracken-KZ wie Sachsenhausen bezeichnete.

Womit sie die besondere Stellung der Lichtenburg im KZ-System der Nazis hervorhob. „Die Anordnung ist zum einen sehr engmaschig und kleinteilig, lässt aber andererseits viel Auslegungsspielraum für die Wachmannschaften.“ (mz)

Der Kranz, den die SPD-Vertretung in einer Zelle mit Skulptur niederlegte
Der Kranz, den die SPD-Vertretung in einer Zelle mit Skulptur niederlegte
Mayer