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Beim Überholen kollidiert Beim Überholen kollidiert: Der unbemerkte Unfall

Von Ilka Hillger 26.06.2018, 09:16

Jessen - Der Arbeitskollege beschreibt Jürgen M. als zuverlässig und vernünftig, er sei ein guter Autofahrer, nie habe er ein ungutes Gefühl gehabt, wenn er sich neben ihn auf den Beifahrersitz setzte. Dass auch ein solch versierter Fahrer in brenzlige Situationen kommen kann, wurde vor der 7. Strafkammer des Dessauer Landgerichts diskutiert.

Am 20. September des vergangenen Jahres hatten Jürgen M. und sein Kollege nämlich Riesenglück, dass sie keinen schweren Autounfall auf der Landstraße zwischen Annaburg und Jessen verursachten, sondern dass an diesem Tag alles vergleichsweise glimpflich ablief. M. musste sich in dieser Sache nun aber erneut vor Gericht verantworten, denn gegen den Freispruch im Vorwurf der Straßenverkehrsgefährdung mit Unfallflucht - verkündet in erster Instanz vom Amtsgericht Wittenberg im Februar - hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.

Sie vertritt die Ansicht, dass der von M. durchgeführte Überholvorgang rücksichtslos gewesen sei und der Jessener dafür zur Rechenschaft gezogen werden müsse.

Der letzte Auftrag

Der 57-Jährige erledigte an diesem Tag im September einen letzten Auftrag mit seinem Kollegen, unterwegs waren die Männer im Firmentransporter der mit Möbelstücken beladen war. Kurz vor einer langgezogenen Kurve zwischen Annaburg und Jessen überholte M. einen vor ihm fahrenden Pkw und musste durch plötzlichen Gegenverkehr so knapp vor dem zu Überholenden einscheren, dass die Fahrzeuge seitlich kollidierten. M. fuhr weiter.

Die Fahrerin im Wagen aus dem Gegenverkehr wendete und kümmerte sich um das erschrockene Paar im anderen Auto. Weil sich die Beifahrerin die Autonummer merken konnte, war der Unfallverursacher schnell festgestellt. M.s Verteidiger argumentierte vor der 7. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Andreas van Herck, dass für seinen Mandanten die Kurve weit einsehbar war und er die Strecke oft befahre und gut kenne.

Mit etwa 100 km/h habe er den langsameren Wagen überholt, an einer Stelle in der kein Überholverbot herrschte. Der entgegenkommende, schwarze Kleinwagen sei so plötzlich aufgetaucht, dass M. schnell wieder nach rechts wechselte, überzeugt davon, bereits überholt zu haben. Das laute Geräusch, das die Männer im Transporter vernahmen, schrieben sie der Möbelladung zu. Tatsächlich bemerkten sie beim Entladen, dass ein Schrank durch das Aufschaukeln des Fahrzeuges umgefallen war.

Die Schrammspuren an ihrem Wagen wurden erst von ihnen registriert, als die Polizei auf dem Firmengelände eintraf. „Sie haben die Kollision nicht bemerkt und mein Mandant schwört, dass er ansonsten angehalten hätte“, so der Verteidiger. Im Übrigen habe sich Jürgen M. bei den Geschädigten entschuldigt und diese hätten dies auch angenommen.

Das Paar, dem am Auto ein Schaden von 4.000 Euro entstand, bekräftigte in seiner Aussage, dass der Kleinwagen aus dem Gegenverkehr auch für sie völlig überraschend auftauchte. Dass man selbst überholt wurde, bemerkte der 69-jährige Fahrer auch erst, als sein linker Seitenspiegel abflog und das Auto ins Schlingern geriet. „Ich hätte nie gedacht, dass die Autos auf der Straße bleiben“, äußerte sich die junge Fahrerin des Kleinwagens, die nicht verstehen konnte, warum man sie nicht bemerkte.

Angeklagter akzeptiert

Die Zeugenaussagen und Jürgen M.s Auftreten ließen den Richter einen Vorschlag an beide Partei unterbreiten. Er appellierte für die Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen. Staatsanwalt und Angeklagter akzeptierten dies. Jürgen M. muss demzufolge 250 Euro an ein Kinderhospiz zahlen.

(mz)