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Reitsport Bad Schmiedeberg: Verein züchtet vom Aussterben bedrohte Pferde-Rassen

Von Ilka Hillger 26.09.2016, 10:43
Der Verein Heideland kümmert sich um den Erhalt der Altmärker Kaltblüter. Vereinschef Peter Zimmermann führt Stute Anna, deren Fohlen August von Korgau - das jüngste in der Zucht - hält Jasmin Heun (6), die mit vier Jahren im Verein das Reiten lernte.
Der Verein Heideland kümmert sich um den Erhalt der Altmärker Kaltblüter. Vereinschef Peter Zimmermann führt Stute Anna, deren Fohlen August von Korgau - das jüngste in der Zucht - hält Jasmin Heun (6), die mit vier Jahren im Verein das Reiten lernte. Ilka Hillger

Kleinkorgau - „Ich bin bestimmt seit einem Jahr nicht zum Reiten gekommen.“ Was ist da los, beim Vorsitzenden des Reit-, Zucht- und Fahrvereins Heideland? Spaziert man mit Peter Zimmermann über das weitläufige Vereinsgelände in Kleinkorgau, dann ahnt man, dass dem Vereinschef einfach die Zeit für Ausritte fehlt.

Nach dem Job als Vorarbeiter beim Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft verschnauft er kurz bei einem Nachmittagskaffee daheim und hat dabei den Blick durchs Fenster schon auf die vereinseigenen Weiden gerichtet.

Dann fährt er noch mal rüber zu den Stallungen und kommt so recht nicht vorwärts. „Hallo, Peter“, grüßt ein jeder und damit ist es nicht getan. Ein Schwätzchen folgt, ein Problem gilt es zu klären und schon sind wieder ein paar Stunden um und es blieb keine Zeit, sich aufs Pferd zu setzen.

Erstaunliche Schicksale

Dabei gäbe es ausreichend Tiere, deren Heimat das Vereinsgelände ist. „Hier stehen 50 Pferde“, sagt Peter Zimmermann. Das ist eine enorme Zahl für einen Verein mit 82 Mitgliedern.

Noch erstaunlicher aber sind die Schicksale vieler Pferde, denn 20 von ihnen nennt Zimmermann „Tierschutzpferde“. Sie kommen aus ganz Deutschland und werden durch die Umwelt- und Tierhilfe „Terra Mater“ nach Kleinkorgau vermittelt. Zimmermann hält beim Rundgang vor einem großen Kaltblüter, ein Prachttier. „Er hat einen nachweisbaren Stammbaum von 20 Generationen“, erzählt er. Mit nur drei Jahren sollte dieser ihm allerdings nicht den Weg zum Schlachter ersparen. Dann kam Terra Mater, kaufte das Tier ab, brachte es im Heideland-Verein unter und nun zieht das Pferd mal den Planwagen oder mal die Kutsche des Vereins durch die Dübener Heide.

An seiner Seite traben Altmärkische Kaltblüter, Pferde, die auf der roten Liste aussterbender Tierarten stehen. Wenn die Tiere dort irgendwann nicht mehr erwähnt werden, hat der Heideland-Verein daran einen großen Anteil. Seit 2000 – ebenso unterstützt und initiiert von Terra Mater – kümmert man sich hier wie nirgendwo im Land um die Erhaltung der Altmärker Kaltblüter. Mit Erfolg: August von Korgau heißt das jüngste Fohlen in einer stattlichen Reihe von Zuchterfolgen. Über seinen Namen durften die Kinder des Vereins auf der Internetseite abstimmen. Auch August wird irgendwann die Besucher durch die Dübener Heide kutschieren, gemächlich, gelassen und unaufgeregt, so, wie man diese Landschaft am besten genießen sollte. Aber auch dazu kommt Peter Zimmermann selten. Jetzt denkt er mit den Vereinsmitgliedern schon über die nächste Sanierung nach. Seit der Verein das Gelände, dessen Pächter er viele Jahrzehnte war, von der Stadt Bad Schmiedeberg kaufte, haben die 82 Mitglieder jede Menge Zeit in Um- und Ausbauten investiert und mit der Hilfe von Fördermitteln Erstaunliches vollbracht.

15 Hektar Weiden, sieben Hektar Wald, eine Ferienanlage, drei Ställe und eine Reithalle sind vereinseigen. „Reitvereine mit einer derart großen Anlagen sind wirklich sehr selten“, weiß auch Peter Zimmermann. Den Entschluss, dies alles selbst zu bewirtschaften, habe man freilich nie bereut. „Es sind einfach tolle Bedingungen, die wir hier haben“, sagt der Vereinschef. Fünf Mitarbeiter werden inzwischen beschäftigt, um die Pferde zu versorgen. Fast jeder im kleinen Ort ist irgendwie mit dem Verein verbandelt und wenn es auf so besondere Weise ist, wie bei dem jungen Paar, das Zimmermann mit Eimern in der Hand aus dem Stall entgegen kommt. Neu zugezogene Kleinkorgauer, die sich für den Garten die Pferdeäpfel als guten Dung vom Verein holen.

Etliche Meister ausgebildet

Das konnte man übrigens schon vor mehr als einem halben Jahrhundert. 1956 wurde der Reitverein gegründet. Zimmermann fing dort als Sechsjähriger mit dem Reiten an.

„Mein erstes Turnierpferd hieß Journalist“, erinnert er sich noch. Bis zum Bezirksmeister im Springen und DDR-Vizemeister im Military brachte es der 49-Jährige in seiner aktiven Zeit. Allein 15 DDR-Meister, so berichtet er, seien aus Kleinkorgau gekommen. Heute hat der Mann, der die Vereinsgeschäfte seit 20 Jahren leitet, noch die Pferde Monte Mia und Ammonit im Stall stehen. Geritten werden sie von Tochter Julia, während er sich um all die Angebote kümmert, die der Verein Heideland zu bieten hat. Den Schulsport „Voltigieren“ in Zusammenarbeit mit der Grundschule Bad Schmiedeberg gibt es ebenso wie ein Integrationsprojekt mit der Salus gGmbH, und nicht zuletzt ist die Anlage, die einzige von der Föderation National geprüfte Tierschutzstation für Pferde in Deutschland. „Da ist ein Ausritt durch die Dübener Heide wirklich Luxus“, weiß Zimmermann. Aber er hört gerne zu, wenn die Gäste nach einer Ausfahrt vom Planwagen oder Landauer steigen und vom Naturerlebnis Dübener Heide berichten. (mz)