Bäcker-Handwerk in Annaburg Bäcker-Handwerk in Annaburg: Ausbildung gegen den Trend

Annaburg - Vier junge Frauen und ein Mann finden sich derzeit jeden Morgen in der Backstube von Norbert Käpernick in Annaburg ein. Sie erlernen innerhalb dreier Lehrjahre das Handwerk des Bäckers oder Konditors. Für Meister Käpernick eine angenehme, wenn auch außergewöhnliche Situation, wie er selbst bekennt.
„Eine solche Zahl werden wir wohl in den kommenden Jahren nur schwerlich wieder erreichen“, vermutet er. Was ihn neben der Anzahl besonders erfreut, ist, dass unter ihnen auch wahre Talente sind. Es sind Jugendliche, lobt er, die nicht nur den Drang haben, etwas lernen zu wollen und das nötige Geschick aufweisen, sondern für die Zukunft einen klaren Plan besitzen.
Die fünf jungen Leute in Käpernicks Backstube sind eher eine Seltenheit. Das Bäckerhandwerk leidet arg unter Nachwuchsmangel. Nach Auskunft des Deutschen Handwerkskammertages sank die Zahl der Bäckerlehrlinge 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 937 Auszubildende.
In der Bäckerei Käpernick ist der berufliche Nachwuchs nicht nur deshalb gern gesehen. Hier gehört die Ausbildung seit jeher zur Firmenphilosophie. Allein seit 1990 hat das Unternehmen mehr als 30 Bäcker, Konditoren und Bäckereifachverkäufer ausgebildet. Dass dies kein Selbstläufer ist, weiß Bäckermeister Norbert Käpernick nur zu gut.
Lehrlinge kosten Kraft, Zeit und Aufmerksamkeit, will man sie so gut als möglich unterrichten. Dennoch ließ der Annaburger nie Zweifel daran aufkommen, diesen Weg weiter zu beschreiten.
Seine aktuellen Erfahrungen geben ihm Recht. Durchweg positiv berichtet Käpernick etwa über Eva-Marie Nopper. Die 16-Jährige aus Jessen absolviert bei ihm eine Lehre zur Konditorin und erweist sich dabei als „echter Ausnahmetyp“. „In der neunten Klasse hatte ich hier schon mal ein Praktikum absolviert. Danach stand für mich fest, dass dies mein Berufswunsch ist“, sagt sie. Sehr zum Bedauern ihres Ausbilders wird Eva-Marie der Region aber nicht erhalten bleiben.
„Mein Wunsch ist es, später einmal im Ausland oder auf einem Kreuzfahrtschiff zu arbeiten“, gibt sie zielgerichtet vor. Nicht minder zufrieden ist Käpernick mit zwei jungen Sächsinnen, Lydia und Sophia Hummitzsch, einem Zwillingspaar aus Lommatzsch. Deren Großeltern betreiben in Meißen eine eigene Bäckerei, die beide Schwestern dereinst übernehmen möchten.
Die künftige Aufgabenteilung steht heute schon fest. „Sophia erlernt das Bäckerhandwerk, ich möchte Konditorin werden“, so die 17-jährige Lydia.
Dass es sie ausgerechnet nach Annaburg verschlug, ist einem Vertreter geschuldet, der sowohl die Annaburger Bäckerei Käpernick als auch die ihrer Großeltern betreut. „Er hat uns den Betrieb empfohlen und damit goldrichtig gelegen“, fügt sie an. Hier herrsche ein freundliches Klima und harmonisches Miteinander. Zudem, ergänzt Lydia Hummitzsch, genießen die Jugendlichen eine wirklich gute Ausbildung. Beste Voraussetzungen für das geplante Vorhaben in Meißen.
Komplettiert wird das Quintett durch Bui Le Doung aus Annaburg, einen 22-jährigen gebürtigen Saigoner, der gegenwärtig im dritten Lehrjahr ist, und Sandra Schulze aus Magdeburg. Die 26-Jährige hat einen etwas längeren Findungsweg hinter sich, scheint nun aber in der Ausbildung zur Konditorin ihr berufliches Glück gefunden zu haben.
„Es wäre natürlich schön, wenn sich wieder mehr Jugendliche für eine Ausbildung im Bäckerhandwerk entschließen würden“, äußert Norbert Käpernick, der den Betrieb vor 26 Jahren von seinem Vater übernahm. Im kommenden Jahr will man darüber hinaus das 50-jährige Bestehen am Standort Annaburg feiern.
Verglichen mit den Anfängen hat sich seither viel getan. Die Backstube ist moderner, damit auch komfortabler für die Mitarbeiter geworden. Selbst die Hauptproduktionszeit beginnt heutzutage erst gegen sieben Uhr. Gute Bedingungen also, um einem der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren eine Zukunft zu geben.
(mz)