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Aus Sackwitz nach Nairobi Aus Sackwitz nach Nairobi: Zehn hilfreiche Jahre für Anne-Sophie Rettel

Von Alexander Baumbach 28.11.2019, 10:46
Als Anne-Sophie Rettel in Nairobi ist, wird die Bäckerei im Watoto-Wema-Kinderheim eingeweiht. Es gibt Vanille-Kipferl.
Als Anne-Sophie Rettel in Nairobi ist, wird die Bäckerei im Watoto-Wema-Kinderheim eingeweiht. Es gibt Vanille-Kipferl. Privat/Rettel

Sackwitz/Nairobi - Zehn Jahre sind vergangen, seitdem Anne-Sophie Rettel zum ersten Mal afrikanischen Boden betreten hat. Die junge Frau aus Sackwitz bei Bad Schmiedeberg hat ihren Jahresurlaub jetzt genutzt, um nachzuschauen, was aus ihren buchstäblichen „Babys“ geworden ist: im Herbst 2009 hatte sie eine freiwillige soziale Arbeit in einem Waisenhaus in Nairobi aufgenommen. Mittlerweile stehen ihre damaligen Schützlinge an der Schwelle zum Erwachsenwerden.

„Als ich damals wieder zurückkam, hatte ich in meiner eigenen alten Grundschule von dem viermonatigen Aufenthalt in Nairobi erzählt“, berichtet die heute 31-Jährige. Von den Kindern, die vor lauter Hunger ihre Schulhefte gegessen hatten. Oder Johnson, der sogar vor Buntstiften nicht halt machte, um seinen Bauch zu füllen. Die dramatischen Zustände hatten seinerzeit zu einer Welle der Solidarität im Landkreis geführt. Zahlreiche Spenden konnte Anne-Sophie Rettel bis heute nach Ostafrika vermitteln.

„Das Heim hat sich aber seitdem auch ziemlich herausgemacht“, erzählt die Studentin. Von einem gemäßigten Slum der Millionenmetropole war das „Watoto Wema“ in einen grünen Vorort umgezogen, hatte dort neu gebaut. Mittlerweile verdient das Heim Geld, weil die kleine medizinische Station ihre Dienste auch den Nachbarn anbietet. Eine Bäckerei hat im Oktober ihren Betrieb aufgenommen. Damit soll nicht nur der Hunger der rund 130 Kinder gestillt werden, auch im Wohngebiet rings um das Heim werden die Backwaren verkauft.

Ein Brunnen wurde gebohrt, Gewächshäuser für Gemüse errichtet, sechs Kühe sorgen für die Milchversorgung der Kleinkinder. Immerhin sind die Jüngsten im Heim erst drei Jahre alt. Aber auch Rückschläge musste das Waisenheim verkraften: beim Neubau zum Jahreswechsel 2011/12 wurden die Betreiber offenbar übers Ohr gehauen. Der Grund und Boden, der für das Heim gekauft wurde, entpuppte sich in Teilen als Planungsfläche für eine Umgehungsstraße. Im vergangenen Frühjahr musste nun ein Teil der Gebäude abgerissen werden, um an anderer Stelle wieder aufgebaut zu werden.

Anne-Sophie Rettel hat während der ganzen Zeit Kontakt gehalten, war regelmäßig vor Ort, um Spenden zu überbringen und die Entwicklung zu beobachten. „In den letzten zehn Jahren hat sich dabei nicht nur das Projekt entwickelt, sondern auch ich mich selbst. Und wenn ich das kurz fassen soll: Das Heim und ich haben uns zum Besseren verändert“, erklärt sie. Nachhaltigkeit sei das große Stichwort.

„Im Watoto Wema soll den Kindern langfristig geholfen werden, aber auch die Versorgung des Projekts wurde auf Langfristigkeit getrimmt. Der eigene Gemüseanbau, die Kühe, die Verdienstmöglichkeiten. Das alles schafft Perspektiven“, weiß sie zu berichten.

Aber auch ihr eigenes Leben habe sich dadurch verändert. „Ich bin achtsamer geworden, vermeide Verpackungsmüll, wo ich kann, und bin beinahe täglich bei Food-Sharing-Projekten. Aber auch mein Freundeskreis ist riesig geworden und sehr weltoffen“, erklärt sie.

Und aus ihren Schützlingen sind mittlerweile Leute geworden. „Eines der Kinder, die ich damals unterrichtet habe, hat vor zweieinhalb Wochen ein super gutes Abitur gemacht und geht jetzt studieren“, berichtet sie. „Wenn jeder von uns so ein Projekt hätte, das er für sich selbst sein Leben lang begleiten kann, dann wäre die Welt ein besserer Ort.“

››Spenden für das Projekt können an den Watoto Wema e. V. unter der Kontonummer DE02 2001 0020 0158 3812 00 überwiesen werden. (mz)