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Archäologie in Kemberg Archäologie in Kemberg: Schlaglicht auf die Bronzezeit am Burgwall

Von Karina Blüthgen 19.07.2019, 09:58
Ein Fund, den Archäologen nicht jeden Tag machen: Die spätbronzezeitliche Tasse im Grabungsfeld kann fast unversehrt geborgen werden.
Ein Fund, den Archäologen nicht jeden Tag machen: Die spätbronzezeitliche Tasse im Grabungsfeld kann fast unversehrt geborgen werden. Thomas Klitzsch

Kemberg - Die Funde auf dem Tisch sind erst einmal interessanter als die freigelegten Flächen. Reste von Ofenkacheln und ein Öllämpchen sehen zwar schön aus, sind aber nicht alt genug. Was ist das 16. Jahrhundert schon gegen die späte Bronzezeit? Zumal sich Funde in Kemberg wie sonst nirgends in Mitteleuropa so genau datieren lassen.

„Kommen Sie hier herunter“, bittet Professor Louis D. Nebelsick am Donnerstag die Vertreter der Presse und auch etliche Kemberger. Und schon macht der geschichtlich Interessierte eine Zeitreise, steht zwischen einem Grabungsfeld und, am Hang des heutigen Friedhofs, etwas Undefinierbarem, das aussieht wie eine Müllkippe. „Es ist auch eine Müllkippe“, bestätigt der Experte und macht deutlich, dass Halden wie diese wichtig sind, weil sie ältere Befunde schützen.

Wasserschicht ist tiefer

Die Trockenheit der vergangenen Jahre freut zwar nicht die Landwirte, wohl aber die Archäologen des Gemeinschaftsprojektes der Kardinal-Stefan-Wyszynski-Universität in Warschau und des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Die polnischen Studenten und die deutschen Archäologen können etwas tiefer graben als noch 2014, als sie Proben der Hölzer aus dem Schlamm bargen.

Die gut erhaltenen Proben hatten schon damals eine Sensation offenbart, nämlich dass sich bei Kemberg der älteste jahrgenau datierbare Burgwall Mitteleuropas befand. Die Jahresringe der Hölzer verwiesen die äußere Palisade auf die Jahre 968 bis 955 vor Christus, die rostartige Unterkonstruktion war etwa hundert Jahre jünger.

In diesem Jahr liegen die Oberseiten der Balken trocken. Was nicht gut für das Holz ist, bestätigt Imke Westhausen, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit im Landesamt. „Aber jede Grabung zerstört auch etwas“, ist sie pragmatisch. Man versuche, so wenig wie möglich zu beschädigen.

Auf die Frage, was genau er zu finden hoffe, sagt Nebelsick: „Beim letzten Mal haben wir die abgerutschten Balken des Walles gefunden. Wir hatten nun spekuliert, dass ein Wall da sein muss. Jetzt wissen wir, dass er da ist.“ Proben aus den Anfängen des Walles sollen zeigen, wann genau mit dem Bau der Anlage begonnen wurde. „Das lieben wir Archäologen, das bringt Kemberg ins Licht der Geschichte.“

Relativ gut datierbar ist auch die Brandschicht in dem Holz-Erde-Wall - auf das 6. Jahrhundert vor Christus, als die Anlage zerstört wurde. Ein rötliches Band in der Wand zeigt die Lage eines mit Ziegeln belegten Weges etwa aus der Lutherzeit. Günter Böhme, Betreuer des historischen Stadtarchivs von Kemberg, weiß, dass der Friedhof etwa 1560 aus dem Umfeld der Kirche hierher an den Stadtrand verlegt wurde. Damit passen Daten und Funde.

Stolz trägt der Professor auch bei dieser Grabung sein T-Shirt mit der Aufschrift „Mehr als ein Kemberger kann man nicht werden“. Er hat, das zeigte sich bereits 2014, sein Herz an diese kleine Stadt verloren. Auch so mancher Kemberger mag seine Neugier an der Geschichte nicht verhehlen.

„Ich bin gebürtige Kembergerin. Das Leben und Wachsen der Stadt liegt mir schon am Herzen“, sagt Birgit Tauscher, die am Wochenende die Grabungsstelle besucht hat.

Viel Unterstützung

Auch in diesem Jahr haben die Archäologen, trotz der enorm kurzen Ankündigungsfrist, Unterstützung in der Bevölkerung gefunden. Der Grundstückseigentümer hat sein Land wieder zur Verfügung gestellt, Friedhofs- und Stadtverwaltung befördern das Projekt. „Das ist doch großartig, wenn eine Stadt solche Funde zutage bringt“, findet Ilona Merseburger, Vize-Bürgermeisterin der Stadt Kemberg.

Was bleiben wird nach diesen gut zwei Wochen Grabung, sind noch immer einige Vermutungen. Dass der einstige Burgwall auf einer der Kiesinseln im Elbtal stand, gilt als recht sicher. Ob aber in der Bronzezeit nahe der Anlage auch einmal ein Elbarm verlief, dazu gehört noch immer ein bisschen Spekulation. Sei’s drum, der Professor verweist auf einen alten Einbaum, der schon früher ganz in der Nähe gefunden worden war und der jetzt im Heimatmuseum zu sehen ist.

Im Herbst will Louis D. Nebelsick einen Vortrag über die neuesten Funde und Erkenntnisse halten, so wie schon beim letzten Mal. Das Interesse wird wohl auch diesmal groß sein. (mz)

Gefunden werden mehrere Gefäßreste aus der Spätbronzezeit.
Gefunden werden mehrere Gefäßreste aus der Spätbronzezeit.
Klitzsch
Gegraben wird neben dem Platz vor fünf Jahren.
Gegraben wird neben dem Platz vor fünf Jahren.
Klitzsch