Annaburger Bürgerschützen Annaburger Bürgerschützen: Pfeile surren in der Kirche

Annaburg - Das Jahr 1890 war ein bewegtes. Helgoland wurde deutsch, die Allianz Versicherung nahm ihren Geschäftsbetrieb auf, und die Amerikanerin Bly vollendete als erste Frau nach 73 Tagen ihre Weltreise. 1890 war aber auch ein Jahr der Vereinsgründungen.
Vornehmlich Schützenvereine wurden ins Leben gerufen. So in Thale, Auerbach und eben auch in Annaburg. Eine Zäsur der Entwicklung dieser Vereine brachte allerdings nach Ende des Zweiten Weltkrieges ihr Verbot im Osten Deutschlands bis hin zum Ende der DDR. In Annaburg kam es erst 1991 zur Wiedergründung. Seither sind die Annaburger Bürgerschützen aus dem sportlich-kulturellen Leben der Stadt nicht mehr weg zu denken. 80 Mitglieder gehen hier ihrem Sport nach. Und das sehr erfolgreich. Vordere Plätze bei Meisterschaften wie dem Landespokal sind keine Seltenheit.
Die Bürgerschützen kennen sich mit Luftgewehr, -pistole, Klein- und Großkaliber und Vorderladern bestens aus.
Elektronische Ampelanlage
Seit einiger Zeit haben Interessenten die Möglichkeit, mit Pistole auf elektronischer Ampelanlage zu schießen. Selbstverständlich wird auch die Traditionspflege im Verein groß geschrieben und jedes Jahr ein Schützenkönig bestimmt.
Zur Zeit ist das mit Heiko Juraschek ein Mann. Keinesfalls ist das in Annaburg die Normalität. Seit 1991 stellten hier vielmals weibliche Mitglieder die Schützenkönigin. An die 20 Frauen mischen kräftig im Vereinsleben mit. Da wundert es nicht, dass mit der resoluten Karin Pollex seit Oktober 2019 auch eine Chefin an dessen Spitze steht. Das hätten die Gründerväter 1890 nicht gedacht. Frauen im Schützenverein? Geht das zusammen? Diese Frage stellten sich vor 30 Jahren auch die Kaunitzer Schützen, die mit den Annaburgern eine Partnerschaft eingingen.
Kaunitz, in der Nähe von Verl gelegen, hatte bis 1997 in seinem Schützenverein nicht eine Frau. Mit dem enger werdenden Kontakt zu den Annaburger Bürgerschützen änderte sich das zusehends.
Frauen werden immer mutiger
„Die Frauen wurden durch unser Beispiel mutiger“, schätzt die Vereinsvorsitzende ein. Sie selbst ist auch im Kreisschützenbund Wittenberg sehr aktiv. So holte sie die Kreismeisterschaften der Schützen in die Schlossstadt, was eine zusätzliche Bereicherung für die Verwaltungsgemeinschaft Annaburg sein wird. Die Bürgerschützen rechnen am 20. Juni 2020 mit rund 150 Teilnehmern. Bis dahin wollen sie das Wettkampfgelände mit den darauf befindlichen Gebäuden auf Vordermann bringen.
Bereits vor einigen Tagen haben sie damit begonnen und dem Schießstand einen neuen freundlicheren Farbanstrich verpasst. Einen solchen und noch viel mehr könnte auch die ehemalige Schlosskirche gebrauchen, in der die Bogenschützen, die noch junge Sparte im Verein, trainieren. In der kalten Jahreszeit bietet die Halle für die Jünger mit Pfeil und Bogen die Chance, ihren Sport auszuüben. Können auf der Sommeranlage Ziele von 18 bis 90 Metern anvisiert werden, so müssen sich die Bogenschützen hier mit 18 Metern begnügen.
Dennoch ist das vor allem für die Kinder und Jugendlichen immer wieder eine Herausforderung. Philipp Löbel trainiert das dritte Jahr im Verein. Demnächst wird der noch 14-Jährige in die Altersklasse U 17 aufsteigen. Dafür legt er sich ins Zeug und nimmt sich jeden Hinweis von Trainerin Nadin Jäger an. Sind die Zielscheiben für die Jüngsten, ab zehn Jahre darf man Bogenschießen, noch riesig, so sind für Philipp deren Durchmesser arg geschrumpft.
Neben Philipp lassen Lennart und Meiko (beide elf), Dustin und Tim (beide zwölf) und Kevin (13) an diesem Tag die Pfeile durch die Schlosskirche surren. Erstaunlich konzentriert und fokussiert. Kaum ein Wort, außer dem der Trainerin, fällt. Lediglich bei der Auswertung des Trefferbildes an den Scheiben wird gesprochen. Das Schießen nach olympischen Regeln ist ein einsamer Sport. Man muss ihn mögen. Auf jeden Fall lernt man hier das Konzentrieren auf das Wesentliche.
Die Bürgerschützen haben, wie die meisten Vereine ebenfalls, Nachwuchssorgen. Ein Kooperationsvertrag mit der Sekundarschule soll helfen, Kinder für diesen anspruchsvollen Sport zu gewinnen. Regelmäßig können die Schüler der 7. Klassen bei den Schützen schnuppern. Die Zwölf- und 13-Jährigen, die jetzt das Bogenschießen betreiben, sind zumeist über diesen Weg zum Verein gekommen. Im Alter von zwölf Jahren können Kinder mit Einwilligung der Eltern außerdem auch am Luftgewehr trainieren.
Vereinsleben wird aufgepeppt
Alle Aktivitäten des Vereines sind ohne Unterstützer und helfende Hände von Familie und Freunden nicht mehr denkbar. Auch der Ortschaftsrat steuerte 500 Euro für den Kauf von Sportgeräten bei, Hilfe kam ebenso von den Partnern aus Kaunitz und selbst das stets herzliche „Willkommen“ in der Gaststätte Dietze wissen die Sportler zu schätzen. Wiederholen möchten die Schützen den Tag der offenen Tür ihres Vereins.
Die Tassen mit dem Jubiläumsaufdruck „130 Jahre“ sind bereits im Porzellaneum bestellt. Ebenso wird vom 15. bis 17. Mai 2020 das Schützenfest steigen, jedoch wollen die Ehrenamtlichen schon jetzt ihr Vereinsleben „etwas aufpeppen“.
Angedacht ist neben anderem eine gemeinsame Radtour durch die Annaburger Umgebung. „Dabei wird“, so Karin Pollex, „der Zusammenhalt gestärkt und der ist uns wichtig. “ (mz)

