Analyse im Wörlitzer Park Analyse im Wörlitzer Park: 600 Bäume fallen im Gartenreich

Wörlitz - „Wo viele Arten sind, wirkt eine Katastrophe nicht so stark.“ Als der Leiter der Abteilung Gärten und Gewässer der Kulturstiftung das sagt, steht er vor einer großen Wiese zwischen Floratempel und Gotischem Haus im Wörlitzer Park. In der Ferne zeigt Michael Keller auf ein Baum-Ensemble. Buntes Herbstlaub, ein paar erste kahle Bäume dazwischen, sind zu sehen – eigentlich ist das der ganz normale Anblick des Parks, wenn der Sommer sich verabschiedet hat. Keller aber schaut genauer hin und dann sieht er eben doch, dass zwei extrem trockene Sommer nicht spurlos an den Gehölzen vorbei gegangen sind. Weil indes die Parklandschaft hier tausende Arten, die über Jahrhunderte angepflanzt wurden, zählt, ist das Gesamtbild bei weitem nicht so erschreckend wie in den Fichtenwäldern des Harzes oder in anderen Monokulturen.
Kontrolle im Juli
„Wir haben im Juli eine Schadensaufnahme gemacht“, erzählt der Gartendirektor der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. Da wurde untersucht, wo aus Gründen der Verkehrssicherheit schnell gehandelt werden muss, wo es ausreicht, zurückzuschneiden und wo Bäume so stark geschädigt sind, dass sie gefällt werden müssen.
Laut Keller beläuft sich der Aufwand für die baumpflegerischen Arbeiten auf geschätzte 400000 Euro. Etwa 600 000 Euro bräuchte es für Nachpflanzungen von Bäumen und Sträuchern. Rund 600 Bäume, so Keller, seien so betroffen, dass sie gefällt werden müssen. Freilich nicht allein im Wörlitzer Park. Keller spricht von allen Parkanlagen der Stiftung, meint also auch Luisium, Mosigkau, Oranienbaum bis hin zum Sieglitzer Berg und dem Drehberg.
Aus aller Welt
„Prozentual gesehen ist dies wirklich nur ein kleiner Teil“, so Michael Keller. Die Stiftung liege damit auch unter den Zahlen, die aus anderen Parkanlagen Deutschlands zu hören sind. „Man geht andernorts von 20 Prozent Schäden aus“, weiß er. Davon sei man hier weit entfernt. Wohl eben auch, weil die Flora im Gartenreich derart artenreich ist und schon Fürst Franz sich Bäume und Sträucher aus aller Welt in sein kleines Land holte.
„Die Schäden, die die Trockenheit verursacht hat, betreffen alle Gehölzarten, das geht quer durch unser Sortiment“, fasst Michael Keller das Ergebnis der Schadensaufnahme zusammen. Die Dürre, so der Experte, sei indes nicht allein Grund für die Schäden gewesen. Vielmehr haben die regenarmen Monate den Prozess beschleunigt, Pilze und Schadinsekten konnten sich auf den geschwächten Bäumen schneller ausbreiten.
Auswirkungen der Spundwand
Zudem, so Keller, besitze der Gehölzzustand in den Parkanlagen eine längere Vorgeschichte. So ergaben Forschungen der Deutschen Stiftung Umwelt, dass sich Bodenverhältnisse, Hochwasserereignisse und das Wasserregime – beispielsweise die Spundwand im Luisium – nicht gut auf den Zustand der Bäume ausgewirkt hätten. „Der Baumbestand ist also sehr fragil. Wir müssen auf alles ein Auge haben“, sagt der Gartendirektor.
Ein Horrorszenario mag Michael Keller, auch wenn nun die Sägen häufig in den Parkanlagen zu hören sind, trotzdem nicht entwerfen. „Solche Perioden sind ein normales Szenario in der Natur“, erklärt er. Dass sie jetzt häufiger auftreten, zwinge die Gärtner zu einem schnelleren Handeln. „Die rasche Folge solcher Witterungseinflüsse setzt uns unter einen höheren Druck zu entscheiden.“
Die Entwicklung und Planung der Parklandschaft muss Keller dabei immer Blick haben, denn „aus denkmalpflegerischer Sicht geht es hier nicht nur um Quantität“. Jeder neu gesetzte Baum will gut überlegt sein, um das historische Bild möglichst authentisch zu erhalten. Auf der Wiese vor dem Gotischen Haus zeigt er als Beispiel auf eine Mooszypresse, etwa um 1870 gepflanzt und ganz offensichtlich am Ende ihrer Zeit angekommen. Sie war Bestandteil der Koniferensammlung eines Fürst-Franz-Nachfolgers.
Keller hat ein Foto von 1902 mit der Zypresse in jungen Jahren zum Vergleich dabei. „Das war hier alles wild versammelt“, berichtet er und sah demnach ganz anders aus, als in den Zeiten des Parkerbauers. Fürst Franz nämlich hatte an diesem Ort Obstbäume pflanzen lassen. Einige stehen auch auf der Wiese, sie sind nachgepflanzt. „Die Epoche der Zypressen wird sich hier auflösen“, blickt er voraus. „Aber die Mooszypresse kann in Ehren sterben.“
Keller geht es bei seiner Arbeit darum, den Bestand der Gehölze noch intensiver zu erfassen, als dies bislang geschah. „Was wollte man bei der Pflanzung erreichen?“, sei eine Frage, die sich auch heute noch stelle. Aber eben auch der Umgang mit den Witterungsschwankungen beschäftigt die Gärtner. An einem Amberbaum aus Nordamerika bleibt der Experte stehen und erzählt, dass diese Baumart gerade auf ihre Eignung für städtisches Grün getestet wird.
„Bei uns stehen die Amberbäume schon seit 200 Jahren. Wir können somit auch als Kompetenzzentrum fungieren“, so Michael Keller mit Blick auf den buntbelaubten Zuwanderer, der im Park gut gedeiht und demnächst auch in der Wörlitzer Bahnhofstraße angepflanzt werden soll.
Heimische Setzlinge bevorzugt
Gänzlich ersetzen können und sollen widerstandsfähigere Sorten aus der Ferne die einheimischen Bäume freilich nicht. Keller sieht Lösungen eher in einer klassischen Baumschule, wie es sie in Wörlitz auch schon mal gab.
Dort ließen sich Setzlinge unter hiesigen Bedingungen großziehen und würden dann die Parkgehölze verjüngen. „So etwas ist unser Arbeitsfeld. Als Gärtner haben wir das Handwerkszeug, um auch mit Situationen wie der Trockenheit umzugehen. Man sollte uns einfach unsere Arbeit machen lassen“, findet der Gartendirektor.
(mz)