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Aktion in der Dübener Heide Aktion in der Dübener Heide: Wandernd über Luther reden

Von Rainer Schulz 15.08.2016, 06:37
Rast am Lutherweg. Mit den Organisatoren Carsten Passin (3.von rechts) und Sven Kröber (rechts) waren neugierige Wanderfreunde vom Lutherstein unterwegs nach Kemberg.
Rast am Lutherweg. Mit den Organisatoren Carsten Passin (3.von rechts) und Sven Kröber (rechts) waren neugierige Wanderfreunde vom Lutherstein unterwegs nach Kemberg. Rainer Schultz

Lubast - Die Stille der Dübener Heide wird jäh unterbrochen. Drei Quadfahrer passieren den Lutherweg am Bauerhaus und sorgen für Proteste unter den Wanderern. Diese möchten sich am Sonnabend Luther einmal auf unkonventionelle Weise erschließen. Da passt eine derartige Lärmkulisse nicht in die Vorstellungswelt von Heide und Natur. Carsten Passin von der Evangelischen Akademie hat es sich zusammen mit seinem Mitstreiter Sven Kröber, dem Vorsitzenden des Veriens „Merkmal“, zur Aufgabe gemacht, den Lutherweg, der vielerorts noch ein „Dornröschen-Dasein“ fristet, den Menschen etwas näher zu bringen.

Denkwege zu Luther heißt ein bundesweites Projekt der evangelischen Akademien von Sachsen und Sachsen-Anhalt. Themen wie Freiheit und Glauben, Politik und Moral, Wahrheit und Toleranz oder Glück und Vertrauen zählen zur Projektarbeit. Orte der Reformation werden darin einbezogen. Projektleiter an der Evangelischen Akademie Wittenberg ist der Berliner Philosoph Carsten Passin (Jahrgang 1960). Mit dem Verein „Merkmal“ (Leiter Diplom-Geograf Sven Kröber) werden Bildungsprojekte am Lutherweg initiiert.  

Interessierte können sich informieren in der Evangelischen Akademie Schlossplatz 1d unter Telefon 03491/4 98 81, per Mail unter [email protected] oder unter der Internetplattform www.denkwege-zu-luther.de. 

Neugierig auf das Motto „Denkwege zu Luther“ haben sich immerhin 13 Wanderer gefunden, die ab 9 Uhr vom Lutherstein an Gelegenheit haben, über Gott und die Welt zu sprechen. Carsten Passin, der sich selbst als „praktizierender“ Philosoph bezeichnet bietet dazu die nötigen Denkanstöße. Gegen 11 Uhr gibt es die erste Rast am Bauerhaus nach etwa sieben Kilometern. Warum nicht mal einen Lutherspruch in der Heide verstecken?, sagt sich Carsten Meier aus Leipzig, der sich dem Geocaching verschrieben hat. Diese Form der modernen Schnitzeljagd ermittelt mit Hilfe von GPS die geografischen Koordinaten des „Schatzes“. Alle in der Runde sind gespannt darauf, wer wohl die ersten „Entdecker“ sein werden.

Bunt ist die Zusammensetzung der Wandergruppe. Michael und Ehefrau Antje Seimer sind bereits früh 6 Uhr aus Coswig in Sachsen gestartet, um pünktlich am Ausgangspunkt zu sein. Als Vertreter der sächsischen Landeskirche begleitet Michael Seimer das Reformationsjubiläum und das Projekt Lutherweg. Jaime Sperberg und Monika Kaiser kommen aus Ateritz und drücken ihr Bedauern aus, dass viele der Einheimischen diesen schönen Weg durch die Heide eigentlich gar nicht kennen.

Katrin Saß aus Wittenberg bestätigt diese Behauptung aus Gesprächen in ihrem Bekanntenkreis. Auf die Frage welchen Bezug sie alle zur Kirche und zu Luther haben, antwortet die Hälfte der Befragten, dass sie eigentlich nicht Mitglied der Kirche sei, sich aber dennoch für vieles in diesem Zusammenhang interessiere, weil es ein Stück unserer Kultur sei.

Ein kleines Nickerchen gönnt sich unterdessen der zweieinhalbjährige Thorben im Arm seiner Mutti Ariane Keick. Das Ziel, die Kirche zu Kemberg, ist mit elf Kilometern noch weit. Da heißt es, noch einmal Kraft schöpfen. Für Kornelia und Steffen Speckhardt wird es ein „Heimspiel“. Beide kommen aus der Heidestadt. Sie fühlen sich in der Gruppe wohl. Da gibt es schon mal tief schürfende Gespräche. Als es den Begriff „Nachhaltigkeit“ noch nicht gab, beschäftigten sich Luther und Melanchthon bereits 1538 mit einer Waldzustandserfassung, die 1543 in eine erste Holzverordnung mündete. „So galt schon damals der Blick auf künftige Generationen“, erläutert Sven Kröber.

Peter Ziegelmeier aus Gräfenhainichen nimmt an diesem Tag nach knapp 20 Kilometern viel mit auf den Heimweg. „Für mich war es ein ganz besonderes Erlebnis, mit interessanten Menschen auch über Luther ins Gespräch zu kommen“, beschreibt er diesen „Wandertag“.

In der ehemaligen Senfmühle nahe Lubast gibt es noch mal Gelegenheit, den bisherigen Tag Revue passieren zu lassen. Passin zeigt sich 500 Jahre nach Luther immer noch tief bewegt vom Reformator. „War es nicht Luther, der die Bibel als Maßstab aller Dinge erkannte und nicht den Papst erhöhte.“ – so sein Denkanstoß, den er in den Raum stellt. Vielleicht sind es gar nicht die großen, spektakulären Reformationsfeierlichkeiten, die ein solches Jubiläum prägen, sondern Aktionen wie jene vom Wochenende die Menschen auf besondere Weise zum Nachdenken über Luther anregen. (mz)