Zwischen Imbissbude und Luxusherberge Zwischen Imbissbude und Luxusherberge : Fachkräftemangel in der Gastronomie

Eisleben/Hettstedt/Sangerhausen - Bürgermeister Lothar Bornkessel (Freie Wähler) runzelt die Stirn. „Eigentlich will das keiner mehr machen“, weiß das Stadtoberhaupt um das Dilemma um die Gastronomie am Stausee Kelbra. Denn für den stadteigenen Campingplatz sucht er einen Betreiber für die Gaststätte und den Kiosk. Auch am benachbarten Strandbad ist ein Pächter für den Imbiss willkommen. „Wir werden uns sicher über die Bedingungen einig“, wirbt Bornkessel mit einem Augenzwinkern. Denn die Versorgung für die Sommersaison steht auf der Kippe. Lediglich im „Seeblick“, einem Restaurant mit Terrasse, können die Touristen am Stausee ihren Hunger und Durst stillen.
Hilfskräfte fehlen ebenfalls
Während Bornkessel das Wohl und Wehe der Camper und Tagesgäste am Fuße des Kyffhäuser umtreibt, plagen Susanne Kiefer, Hoteldirektorin im Schindelbruch, ganz andere Sorgen. „Gerade im Bereich der Hilfskräfte haben wir Probleme, Personal zu bekommen“, sagt die Chefin des Hotels am Auerberg mit rund 120 Beschäftigten. Das Vier-Sterne-Superior-Haus hat zwar aktuell keine freien Stellen, bietet jedoch auf der Homepage die Möglichkeit von sogenannten Initiativbewerbungen. „Schließlich wollen wir weiter wachsen“, blickt Kiefer in die Zukunft. Fachkräfte seien dafür unerlässlich.
Doch die sind inzwischen in fast allen Bereichen rar. So registrierte die Agentur für Arbeit Ende vergangenen Jahres allein 26 offene Arbeitsstellen im Gastgewerbe in Mansfeld-Südharz. „Die Gastronomie gehört zu den sogenannten Engpassberufen, das heißt, es dauert im Durchschnitt 104 Tage, bis eine offene Stelle besetzt ist. Vielen Hotels und Restaurants fällt es seit Jahren schwer, Fach- und Aushilfskräfte zu finden“, sagt Uta Mayer, Sprecherin der Agentur für Arbeit in Sangerhausen. Dies sei unter anderem auf die Arbeitsbedingungen zurückzuführen. Wechselschichten, Wochenende- und Feiertagsarbeit, körperlich schwere Tätigkeiten und teils schlechte Rahmenbedingungen, wie etwa die Bezahlung, ließen die Gastronomie in den Augen vieler als unattraktives Arbeitsgebiet erscheinen. Hinzu komme, dass in der ländlich geprägten Region die Erreichbarkeit der Arbeitsorte mit öffentlichen Verkehrsmitteln ein Problem sei. Selbst wer sich um den eigenen Nachwuchs kümmere, der werde oft auch noch enttäuscht. Mittlerweile bricht mehr als die Hälfte aller Koch-Lehrlinge ihre Ausbildung ab. Das verschärft die ohnehin angespannte Situation zusätzlich.
Praktikanten aus Spanien und der Türkei
Angesichts dessen sollen die Chancen für Berufseinsteiger durch finanzielle Unterstützung erhöht werden. Laut Mayer werden die Kosten für Umschulungen von Arbeitslosen beziehungsweise für Qualifizierungen von Hilfskräften zu Fachkräften übernommen. Auch Einarbeitungszuschüsse bei Einstellung von Arbeitslosen seien möglich. Zudem verweist Mayer auf Unterstützung durch die Agentur bei der Rekrutierung von ausländischen Arbeitskräften.
Letzteres hat man im Schindelbruch bereits versucht. Die Deutsche Hotelakademie hatte spanische und türkische Praktikantinnen und Praktikanten in den Harz vermittelt. Geblieben ist jedoch keiner. Dass das Hotel nicht akut unter dem Fachkräftemangel leide, führt Kiefer darauf zurück, dass man etwas dagegen unternehme. So zeige man unter anderem dem Personal immer wieder Entwicklungsmöglichkeiten auf. Dies binde die Beschäftigten an das Haus.
Aktuell schlägt der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband in Sachsen-Anhalt Alarm. Dessen Präsident Michael Schmidt fordert unter anderem eine Anpassung des Umsatzsteuergesetzes. Wer ein Restaurant betreibt, sollte für Speisen nur noch sieben statt 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen müssen. Wer ein Hotel, einen Imbiss oder Kiosk betreibe, zahle auch nur sieben Prozent Mehrwertsteuer. Vom Land Sachsen-Anhalt fordert der Dehoga-Präsident, mehr für den Ausbau der touristischen Infrastruktur zu unternehmen. Außerdem seien Fortschritte bei der Digitalisierung nötig, um das Marketing in den Gastro-Betrieben voranzutreiben. Die Gäste verlangten zudem gutes Wlan in Hotels und Gaststätten. Allein in Sachsen-Anhalt haben innerhalb von zehn Jahren rund 1.000 Gaststätten geschlossen.
Pächter schnell wieder weg
Dazu zählt auch die „Ellerbachstube“ im Südharzer Ortsteil Hainrode. In dem 300-Seelen-Ort hatte sich zwar ein Pächter gefunden, der nach kurzer Zeit das Handtuch geworfen hatte. Seither betreibt der örtliche Heimat- und Naturschutzverein die Gaststätte mit Saal (120 Plätze) auf ehrenamtlicher Basis. Allerdings findet kein regulärer Gaststättenbetrieb statt, es werden lediglich Veranstaltungen ausgerichtet. Die Gemeinde hat die Gaststätte zusammen mit der Gastronomie im Schloß Roßla und der Gaststätte im Freizeitbad Thyragrotte öffentlich ausgeschrieben. Gemeldet hat sich bisher niemand, sagt die Südharzer Vizebürgermeisterin Anja Wöbken. Lediglich für die Cafeteria im Freizeitbad gebe es ein „erstes Sondierungsgespräch“. (mz)