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Vorsitzender des Jugendausschusses Welche Probleme Lutz Heidenreich derzeit für den Spielbetrieb sieht

Lutz Heidenreich aus Hedersleben kümmert sich schon viele Jahre um die Talente im Landkreis.

Von Ralf Kandel Aktualisiert: 7.5.2021, 14:14
An Punktspiele ist derzeit nicht zu denken.  Training, wie hier in Stedten, ist nur eingeschränkt möglich.
An Punktspiele ist derzeit nicht zu denken. Training, wie hier in Stedten, ist nur eingeschränkt möglich. Foto: Ralf Kandel

Hedersleben

Manchmal sind es Zahlen, die ein Problem greifbar machen. Lutz Heidenreich hat solche Zahlen und Fakten sofort parat. „Vor dem Zusammenschluss der Fußball-Kreisfachverbände Mansfelder Land und Sangerhausen waren allein im Mansfelder Land über 140 Nachwuchsmannschaften aktiv. Heute sind es im gesamten Landkreis nur noch rund 100“, sagt der 54-Jährige.

Heidenreich weiß, wovon er spricht. Er ist sozusagen der Top-Fachmann der Region in Sachen Nachwuchsfußball, amtiert er doch schon seit dem Zusammenschluss der beiden Kreisfachverbände (2007) als Vorsitzender des Jugendausschusses. Ein paar Zahlen schiebt Heidenreich gleich noch nach: „Als ich im Nachwuchsausschuss angefangen habe, gab es bei den A-Junioren allein im KFV Mansfelder Land zwei Staffeln mit zwölf oder 14 Mannschaften. Jetzt sind es insgesamt nur noch vier.“

Gründe für die sinkenden Mitgliederzahlen

Über die Gründe für die sinkenden Mitgliederzahlen hat sich Heidenreich natürlich seine Gedanken gemacht. „Es fehlen ganz einfach die Menschen, viele sind weggezogen. Früher gab es nur Fußball, jetzt ein viel breiteres Freizeitangebot. Dann haben die Kinder andere Interessen. Es ist einfacher, den Daumen am Computer zu bewegen, als sich auf dem Sportplatz zu bewegen.“ Dann schiebt der Hederslebener nach: „Aber das ist überall so, nur in den Ballungsgebieten nicht. Dort geht die Zahl der Mannschaften nicht zurück.“

Seit 1995 mischt Lutz Heidenreich im Kreisfachverband mit. Der Fußball hatte es ihm aber schon vorher angetan. Angefangen hat er in seinem Heimatort Hedersleben, einer rund 1.000 Seelen zählenden Gemeinde, die zur Lutherstadt Eisleben zählt. Hier war er alles, was irgendwie mit Fußball zu tun hatte. Spieler, Schiedsrichter, irgendwann zu DDR-Zeiten auch Sektionsleiter Fußball. Chef im Verein war er bis zum bitteren Ende: „Ich habe den Verein beim KSB abgemeldet.“ Und spricht davon, dass es zwar nicht an einem Spielfeld, einer Mannschaft und Fußballern fehlte, wohl aber an jemandem, der als Vereinsvorsitzender agieren wollte. „Ich konnte es damals aus privaten und beruflichen Gründen nicht mehr machen“, blickt er zurück. Und fügt leise hinzu: „Jetzt ist der Sportplatz umgepflügt. Nichts erinnert mehr daran, dass hier mal gespielt wurde.“

Spielbetrieb ruht derzeit wegen Corona

Lutz Heidenreich aber hatte da längst seinen Platz im Fußball des Landkreises Mansfeld-Südharz gefunden. Im Nachwuchsbereich amtierte und amtiert er als Staffelleiter und Vorsitzender des Nachwuchs-Ausschusses. „Irgendwie habe ich mit jedem Fußballer, der von hier kommt und spielt, mal was zu tun gehabt,“ lacht er nach über drei Jahrzehnten Tätigkeit im Ausschuss: „Über die Zeit, die ich damit verbracht habe, reden wir hier mal lieber nicht.“

An seiner Seite steht seine Frau Annett, die längst beim Organisieren des Fußballs in der Region mitmischt und ebenfalls Nachwuchs-Staffeln im Landkreis Mansfeld-Südharz betreut. Bei Hallenfußball-Turnieren sitzt sie ohnehin an der Seite ihres Mannes, hilft bei Organisation und Siegerehrungen. Nachwuchsfußball quasi als Familienangelegenheit. „Ich habe sie mit integriert. Die Zusammenarbeit klappt prima, so wie mit den anderen Mitgliedern des Ausschusses.“

Derzeit allerdings gibt es nicht viel zu tun für die Mitglieder des Gremiums. Coronabedingt ruht der Spielbetrieb. Mal wieder. „Wir machen uns die Arbeit, wir planen die Saison. Und dann schmeißen wir alles über den Haufen“, sagt er. Und schüttelt über manche verordnete Maßnahme nur noch den Kopf. „Die Busse sind stoppenvoll, aber auf Sportplätze dürfen sich die Kinder nicht bewegen. In der Schule sitzen alle zusammen, aber Fußball zusammen dürfen sie nicht spielen“, sagt Heidenreich, der selbst als Busfahrer arbeitet und die Enge in den Fahrzeugen täglich erlebt.

Arbeit im Nachwuchsbereich

Viel lieber, als über Corona, spricht der 54-Jährige dann schon vom Fußball und dem Nachwuchsbereich. „Ich denke mal, hier ist vieles besser geworden. Ein klares Plus ist es, dass sich in den meisten Vereinen ausgebildete Übungsleiter um die Kinder kümmern. Das macht sich bemerkbar.“ Die Zusammenarbeit mit den Vereinen schätzt Heidenreich ohnehin als gut ein. „Wir kommen gut mit den Übungsleitern hin. Viele von ihnen sind lange dabei, mit ihnen arbeiten wir über Jahre zusammen.“

Differenzierter sieht der Hederslebener die Zusammenarbeit mit den Eltern. „In letzter Zeit hatten wir keine Probleme mit übermotivierten Eltern. Das ist auf jeden Fall besser geworden. Die Vereine können froh sein, dass sich Eltern und vor allem auch die Großeltern um die Kinder kümmern. Es wird immer schwieriger für die Vereine Eltern oder Übungsleiter zu finden, die sich um die Mannschaften kümmern. Oft ist auch so, dass das Interesse der Eltern abnimmt, sobald die Kinder älter werden. Das merkt man, wenn der Sprung vom Kleinfeld auf das Großfeld ansteht. Und natürlich gibt es auch welche, die ihre Kinder dreimal in der Woche in die Obhut der Übungsleiter abgeben, weil sie wissen, dass die sich kümmern. Aber wenn sie dann Beitrag zahlen sollen, wird gejammert.“

Freude an Futsal

Nicht zum Jammern, aber schon bedenklich findet Lutz Heidenreich manche vom DFB und den Landesverbänden verordnete Anweisung. „Die Fairplay-Liga für die Kleinsten ist ja in Ordnung, aber irgendwann müssen wir ja auch mal mit dem Leistungsgedanken anfangen. Bis zu den F-Junioren ist es okay, aber dann sollten wir loslegen“, sagt er zum Beispiel. Und findet es auch nicht logisch, „dass C-Juniorenmannschaften auf Kleinfeld spielen. Das ist keine Lösung, dann versuchen die Vereine erst gar nicht, Mannschaften zusammen zu bekommen.“

Mit einer anderen Spielform allerdings kann sich der 57-Jährige durchaus anfreunden. „Ich finde, Futsal ist eine wunderbare Sache. Klar ist der Aufwand größer, man braucht zum Beispiel mehr Schiedsrichter, aber dafür ist der Fußball dann auch attraktiver“, sagt er. Und weiter: „Schade, dass das so viele ablehnen. Aber man muss auch bedenken, dass wir viele ältere Sportkameraden haben, die Veränderungen ablehnen.“ Noch schlimmer sei es, dass es immer weniger Nachwuchs-Fußballerinnen und Fußballer gibt. Lutz Heidenreich jedenfalls behält die Entwicklung der Zahlen weiter im Auge. (mz)