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Vogelgrippe H5N8 Vogelgrippe H5N8: Das sagen die Züchter aus Mansfeld-Südharz zur Stallpflicht

Von Fabian Wagener und Karl-Heinz Klarner 17.11.2016, 08:00
Hühner müssen zurzeit im Stall gehalten werden.
Hühner müssen zurzeit im Stall gehalten werden. Archiv/Schumann

Lüttchendorf/Sangerhausen - Reinhard Zwanzig hat Glück. Noch zumindest. Der Geflügelzüchter steht in seinem Garten und blickt auf seine Gänse und Hühner, die dort unter freiem Himmel herumlaufen - trotz der Geflügelpest, die derzeit Züchter in ganz Deutschland in Alarmbereitschaft versetzt. Zwanzig kann seine Tiere laufen lassen, weil sein Haus in Lüttchendorf steht.

Stallpflicht hätte verheerende Folgen für Geflügelzüchter

Anders als beispielsweise das nahe gelegene Wansleben ist die Ortschaft nicht als Risikogebiet eingestuft worden, für Lüttchendorfer Geflügel gilt keine Stallpflicht. „Da bin ich schon erleichtert“, sagt Zwanzig. Eine Stallpflicht hätte verheerende Folgen, vor allem für die Gänse. Hühner könne man in einem Stall unterbringen, bei Gänsen sei das anders. „Gänse sind Wasservögel“, sagt Zwanzig, „sie einzusperren, ist Tierquälerei.“

Zwanzig verfolgt derzeit aufmerksam die Nachrichten. Er weiß, dass die Stallpflicht auch in Lüttchendorf kommen kann. Und dann müsste er reagieren, wenn auch mit Bauchschmerzen. „Wenn es eine Pflicht gibt, kann man sich natürlich nicht wehren, dann mache ich das“, sagt er. Die überwiegende Zahl seiner Gänse allerdings, die würde er nicht einsperren. Er müsste sie dann schlachten, früher als vorgesehen. Zwanzig betrachtet die Entwicklungen auch deshalb mit Sorge, weil er sich noch allzu gut an die Folgen der Vogelpest von vor rund neun Jahren erinnert, als auch er seine Tiere für mehrere Monate in den Stall bringen musste.

Damals hatte er noch keine Gänse, dafür aber Enten. Diese hätten enorm gelitten, insbesondere bei der Nachzucht hätte es große Probleme gegebenen. Vitaminmangel hätte dazu geführt, dass die jungen Tiere weit anfälliger  als üblich gewesen seien. „Das war ein Desaster“, sagt Zwanzig. Er hofft, dass der Kelch einer Stallpflicht dieses Mal an ihm  vorüber geht.

Diese Hoffnung hat sich für manch anderen Geflügelzüchter im Landkreis indes bereits zerschlagen. So etwa für Rosetta Rathmann und ihren Mann, die in  dem Ortsteil Brücken der Verbandsgemeinde Goldene Aue, einem sogenannten Risikogebiet,  Geflügel züchten und nun eine Stallpflicht auferlegt bekommen haben. „Das ist doch Tierquälerei, stellen Sie sich vor, Sie sind ein Vierteljahr eingesperrt“, sagt die Brücknerin, die zusammen mit ihrem Mann in dem Helmeort Geflügel züchtet.

Dennoch zeigt sie sich einsichtig, dass die verordnete Stallpflicht für Geflügel aufgrund der Vogelgrippe die Gänse, Hühner und Enten quasi hinter Gitter bringt. Im Hause Rathmann hat man jedoch aus der Not eine Tugend gemacht. Die Weihnachtsgänse werden jetzt geschlachtet. Zumal der Aufenthalt im Stall dem Weihnachtsbraten einen Gewichtsverlust beschert.

Noch ist die Region um Sangerhausen frei von der Geflügelpest

Für Gerhard Wudi gibt es zur Stallpflicht momentan keine echte Alternative. „Was will man machen, wenn man sich vor dem Virus schützen will“, konstatiert der Vorsitzende des Kreisverbandes der Rassegeflügelzüchter im Altkreis Sangerhausen.

Wudi, der als oberster Züchter acht Vereine mit 170 Züchtern vertritt, kann der Misere auch eine positive Seite abgewinnen. Denn der Zeitpunkt für die Schutzmaßnahmen ist gegenwärtig wesentlich günstiger, als das 2015 der Fall war. Damals war die Stallpflicht am Anfang der Zuchtphase ausgerufen worden. „Das war ein schwerer Schlag, denn das hat sich negativ auf das Paarungsverhalten der Tiere ausgewirkt. Dabei geht es uns nicht ums Geld, vielmehr sind es bei Züchtern die ideellen Werte, die zählen“, sagt der Kreisvorsitzende.

Noch ist die Region frei von der Geflügelpest. Vor diesem Hintergrund ist Wudi auch froh, dass aktuell die Geflügelausstellungen in der Region nicht untersagt sind, denn viele Schauen stehen andernorts auf der Kippe. So ist völlig offen, ob kommende Woche die Landesschau in Magdeburg, der Höhepunkt des Jahres, stattfindet.

Naturschutzbund Sachsen-Anhalt fordert Wildvögel vor Ansteckungen durch Geflügelwirtschaft zu schützen

Unterdessen fordert der Naturschutzbund (Nabu) Sachsen-Anhalt, nach den Ein- und Austragswegen der Viren in der Geflügelwirtschaft zu suchen und diese auszuschalten. „Wildvögel sind Opfer, keine Täter“, sagt Annette Leipelt vom Nabu Sachsen-Anhalt.

Bei der Bekämpfung der Geflügelpest sei es entscheidend, Verursacher und Opfer zu kennen und zu unterscheiden. Die Vogelgrippe-Viren entstünden in kommerziellen Geflügelbetrieben, verbreiteten sich mutmaßlich durch den Geflügelhandel und könnten anschließend auch Wildvögel befallen. Eine umgekehrte Übertragung von Wildvögeln zurück auf Hausgeflügel sei bisher noch nie zweifelsfrei nachgewiesen worden.

Der Nabu Sachsen-Anhalt fordert deshalb, Wildvögel vor Ansteckungen durch die Geflügelwirtschaft zu schützen. Daher seien strikte Sicherheitsmaßnahmen für Nutzgeflügelbetriebe umzusetzen. Entsprechende Unternehmen dürften in Zukunft nicht mehr in Gebieten mit großen Vorkommen von Wasservögeln genehmigt werden, heißt es von Seiten des Nabu.

Folgen der Geflügelpest im Landkreis Mansfeld Südharz im Sommer 2007

In diesem Zusammenhang erinnerte Leipelt an die Folgen der Vogelpest im Landkreis Mansfeld-Südharz vor rund neun Jahren. Im Sommer 2007 starben 285 von rund 450 der seltenen Schwarzhalstaucher auf dem Stausee Kelbra an der Landesgrenze Sachsen-Anhalt/Thüringen infolge einer H5N1-Infektion. Das Virus war auch auf den Menschen übertragbar.

Aktuell geht man in Deutschland von der Verbreitung des Virus mit dem Namen H5N8 aus, das für den Menschen nach gegenwärtigem Erkenntnisstand als ungefährlich gilt. Vor diesem Hintergrund hat der Landkreis in den Orten der Verbandsgemeinde Goldene Aue und in der Gemeinde Südharz die Stallpflicht für Geflügel angeordnet.

Die Region um den Helmestausee bei Kelbra gilt als Risikoareal. In dem Vogelschutzgebiet rasten Jahr für Jahr Zugvögel auf ihrem Weg in wärmere Gefilde. Tausende von ihnen halten sich auf den Äckern rings um das Gewässer auf. Das Veterinäramt des Landkreises und die Ordnungsämter der Gemeinden kontrollieren die Einhaltung der Stallpflicht. Bei Verstößen drohen Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro. (mz)