Leben voller Kirmes Leben voller Kirmes: Wolfgang Koschitzky ist seit 40 Jahren als Schausteller unterwegs

Riethnordhausen - Nein, so leicht lässt sich Wolfgang Koschitzky nichts vormachen, wenn es um Kirmes, Rummel, Schausteller und das Leben im Wohnwagen geht. Dafür hat er schon zu viel in seinem Leben mitgemacht. 72 Jahre alt ist der rüstige Senior jetzt, seit 1971 in Sachen Kirmes auf Tour. Früher, gemeinsam mit dem Vater, zog er mit der Luftschaukel, einer Schießbude, dem Kinderkarussell, später mit der Tunnelbahn umher. Noch später kam ein Autoscooter dazu.
Geschichten kann Koschitzky von dieser Zeit viele erzählen. Wer ihm zuhört, gerät unweigerlich in seinen Bann. So zum Beispiel, wenn der 72-Jährige von der Luftschaukel spricht. „Früher war das der Renner. Die Leute standen Schlange. Wir brauchten keine Reklame. Die Mädchen schaukelten immer höher als die Jungen. Das war damals so. Die Jungs haben mehr Schiss“, sagt er. Damals eben.
Schausteller Wolfgang Koschitzky tritt im Alter etwas kürzer
Und heute? „Jetzt stellen sich die Kinder in die Luftschaukel und warten, dass das Ding irgendwie losgeht. Davor stehen die Omas und schreien laut: ‚Soll ich dir zeigen, wie es geht’“, lacht er. Die Luftschaukel hat er aber an einen Kollegen verkauft, inzwischen ist er ohnehin nur noch mit einem Crêpe-Wagen unterwegs. „Seit ein paar Jahren trete ich kürzer. Mit 68 habe ich angefangen, alles ein wenig zu reduzieren“, sagt Koschitzky rückblickend.
Jetzt arbeitet er oft mit anderen Schaustellern zusammen, so wie in Riethnordhausen. „Rio“ gehört zu seinen Stammstationen, ebenso wie Hohlstedt, Bennungen, Oberröblingen, Niederröblingen oder auch Steinthaleben in Thüringen. „Ostern geht es los, nach dem Weihnachtsmarkt in Sangerhausen ist Schluss“, rechnet er vor.
Schausteller ist nicht einfach nur ein Beruf, man muss dafür geboren sein
Wann für ihn Schluss ist? „Solange ich mich noch einigermaßen fühle, mache ich noch weiter“, sagt er. Und dann? Wer übernimmt den Laden? Sein Enkel Martin, der in Ermsleben Elektroniker lernt und ab und zu mithilft? Jetzt wird Wolfgang Koschitzky nachdenklich: „Wenn er es unbedingt machen möchte, würde ich dafür sorgen, dass es funktioniert“, sagt er.
Dann atmet er tief durch, und spricht weiter: „Aber es ist nicht jeder dafür geboren. Du musst von allem Ahnung haben. Du musst den Lkw reparieren, als Elektriker arbeiten, den Verkauf managen und als Buchhalter auch noch die Abrechnung machen.“ Außerdem, und das ist Koschitzky im Gespräch anzumerken, macht ihm die Zukunft Sorgen. „Es gibt so viele neue Verordnungen, da blickt man kaum noch durch“, sagt er.
Schaustellergewerbe ist in Deutschland dank Eisleber Wiese und Münchner Oktoberfest attraktiv
Ein Beispiel hat er parat: „Früher haben wir hier in Riethnordhausen auf der Kreuzung gestanden. Die wurde abgesperrt und gut war es. Heute wäre das undenkbar.“ Oder etwas anderes: „Die da oben wollen das Bargeld abschaffen. Wie soll das bei einer Kirmes gehen? Sollen die Leute mit der Geldkarte bezahlen?“, fragt er.
Koschitzky kommt in Fahrt wie früher seine Luftschaukel. „Das Schaustellergewerbe gibt es seit Hunderten von Jahren. In Deutschland war es nie unattraktiv. Auch heute ist es das nicht. Das sieht man beim Oktoberfest in München, in Stuttgart oder der Eisleber Wiese.“ Dann kommt allerdings ein Aber - und man merkt ihm an, dass es ihm nicht leichtfällt, dieses Aber hinzuzufügen. „Aber in den kleinen Dörfern wird es immer schwieriger. Genehmigungen, Sperrungen, lauter solcher Krempelkram - alles kostet. Das spielst du fast nicht mehr rein. Der Amtsschimmel ist hier einfach zu dominant.“
Und doch bleibt Hoffnung: „Wo die Kirmes einigermaßen vernünftig organisiert wird, geht es auch unter Garantie weiter. Zu pessimistisch zu sein, ist nicht mein Ding“, sagt Koschitzky. Dann schließt er seinen Wagen auf. Auf geht es, es ist Kirmes-Zeit. (mz)