1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Landkreis Mansfeld-Südharz
  6. >
  7. Kritik an Imagekampagne des Landes: Kritik an Imagekampagne des Landes: "Die Feuerwehr ist doch keine Brauerei."

Kritik an Imagekampagne des Landes Kritik an Imagekampagne des Landes: "Die Feuerwehr ist doch keine Brauerei."

Von Frank Schedwill 06.04.2018, 05:00
Mit diesen Werbemitteln sollen die Feuerwehren versuchen, neue Mitglieder zu gewinnen. Das stößt vielerorts auf Kritik.
Mit diesen Werbemitteln sollen die Feuerwehren versuchen, neue Mitglieder zu gewinnen. Das stößt vielerorts auf Kritik. Maik Schumann

Eisleben/Hettstedt/Wippra - Wenn Arno Kalina über die Jugendarbeit in der Wippraer Feuerwehr spricht, dann fallen Worte wie Wertschätzung und Respekt. Seit 13 Jahren treffen sich die Mitglieder der Wippraer Jugendfeuerwehr einmal pro Woche im Gerätehaus.

Dort üben die derzeit 22 Jungen und Mädchen im Alter von zehn bis 18 Jahren, wie man Einsätze absolviert, lernen die Technik kennen und erfahren, wie man Brände richtig bekämpft. „Wir vermitteln unserem Nachwuchs das Gefühl, du bist was wert“, sagt der Wehrleiter.

Feuerwehrleute aus Wippra sind sauer über Werbekampagne des Innenministeriums

Kalina ist deshalb stinksauer über die groß angelegte Werbekampagne des Landesinnenministeriums in Magdeburg, mit der junge Leute im Comicstil für die Brandbekämpfung und die Mitarbeit in den einzelnen Wehren begeistert werden sollen.

„Feierwehr“ heißt es beispielsweise auf Postkarten und „Hab ich einen Brand“ auf Bierdeckeln, die in einer Box neben einem Organisationshandbuch für Veranstaltungen jetzt an die Feuerwehren im Land verschickt wurden. „Hier werden Klischees bedient, die mit der Arbeit an der Basis überhaupt nichts gemein haben“, sagt Kalina. „Die Feuerwehr ist doch keine Brauerei.“ Und er fügt hinzu, das Geld, das die gesamte Kampagne kosten solle, könne man getrost auch in den Papierkorb werfen.

Kalina glaubt auch nicht, dass der für Mai geplante landesweite Tag der Feuerwehr etwas bringen wird. „Sie denken doch nicht, dass man neue Mitglieder gewinnen kann, nur weil man sich mit der Technik auf einen Marktplatz stellt.“ So etwas funktioniere nur mit Kleinarbeit an der Basis: „Man muss in die Schulen gehen, versuchen, junge Menschen für die Arbeit in der Feuerwehr zu begeistern und den Nachwuchs in den Kinder- und Jugendwehren dann auch betreuen.“

Wippra hat stärkste Jugendfeuerwehr der Stadt Sangerhausen

In den 13 Jahren haben die Wippraer so nach eigenen Angaben die stärkste Jugendfeuerwehr der Stadt Sangerhausen aufgebaut und gleichzeitig etwas dafür getan, Nachwuchs für die eigenen Reihen zu finden. „Rund 60 Prozent der Mitglieder unserer Einsatzabteilung waren früher in der Jugendfeuerwehr aktiv“, sagt der Wehrleiter und ergänzt: „Ich sehe es fast so, als wenn uns das Land mit der neuen Werbekampagne jetzt in den Rücken fällt und unsere Arbeit sabotiert.“

Das würde er Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU) auch gern selbst sagen.

Kreisbrandmeister Steffen Hohmann hält die Kampagne ebenso für reichlich deplatziert, wie er diplomatisch sagt: „Ich finde das Ganze mehr als dürftig. Mit Bierdeckeln sollte man keine Werbung für die Feuerwehr machen.“ Hohmann ist für knapp 2.700 Einsatzkräfte in den 129 Feuerwehren im Landkreis Mansfeld-Südharz zuständig.

Zahl der Mitglieder in Jugendfeuerwehren ist auch ohne teure Werbeaktion angestiegen

Und Feierwütige seien auch nicht die Zielgruppe, die die Feuerwehren bräuchten. „Die Werbekampagne hat auch auf vielen Jahreshauptversammlungen eine Rolle gespielt“, sagt der Kreisbrandmeister. „Ich weiß, dass es unter anderem in Hettstedt massive Kritik daran gab. Denn das Geld könnte an der Basis vernünftiger eingesetzt werden.“

„Wenn man das Geld, das  die Kampagne gekostet habe, obendrauf gelegt hätte, wäre mehr erreicht worden  als mit der Aktion.“

Dass die Feuerwehren in Mansfeld-Südharz in Sachen Nachwuchswerbung bisher gar nicht so schlecht unterwegs  sind, macht Hohmann auch an einem Beispiel deutlich: So sei die Mitgliederzahl in den 76 Jugendfeuerwehren im vergangenen Jahr von 694 auf 726 gestiegen - auch ohne  teure Werbeaktion.

In Hettstedt wird Kritik an der Image-Kampagne des Landes geübt

Ingo Warschawsky, Stadtwehrleiter von Hettstedt, ist wahrhaftig wenig amüsiert: „Wir fühlen uns schon irgendwie verarscht.“ Der Hettstedter Wehr seien Fördermittel für den Neubau eines Gerätehauses vom Land abgelehnt worden. Für diese „kontraproduktive“ Kampagne stünden aber Gelder zur Verfügung.

„Ich habe das Werbematerial samt saftigem Brief zurück an das Innenministerium geschickt“, sagt Stadtwehrleiter Warschawsky. In der offiziellen Erklärung des Ministerium wurde das zur Kenntnis genommen. Da spricht man von vereinzelter Kritik der Feuerwehren, die aufgrund abgelehnter Förderanträge für Gerätehäuser zugetragen worden sei - wie das in Hettstedt der Fall war.

Werbematerial stößt auch im Seegebiet auf Ablehnung

Auch der Wehrleiter des Seegebietes Mansfelder Land, Alexander Laßbeck, spricht von einem „falschen Weg“ hinsichtlich der Werbeaktion, „die das Bild einer trinkenden Gemeinschaft von Feuerwehrmännern unterstellt.“ Und er bekräftigt: „Verwenden wollen wir diese Werbe-Materialien sicherlich nicht.“

Laßbeck setzt dagegen auf Eigeninitiative hinsichtlich neuer Mitglieder. „Wir verteilen Willkommenspakete an Schulen - ohne den klischeehaften Bezug zum Feiern.“ Bei den regelmäßigen Treffen der Stadtwehrleiter mit dem Innenminister werde die „wenig optimale“ Kampagne mit Sicherheit zur Sprache kommen.

Unzufriedenheit also überall? Frank Ochsner in Klostermansfeld sieht auch die positive Seite der Aktion. „Sicher hat man hier mit spitzer Zunge und provokant agiert, aber wir brauchen Hilfe, um unseren Nachwuchs zu gewinnen.“ Sogar Nachschub am Werbematerial habe man schon beim Innenministerium angefordert. „Das Konzept der Nachwuchsgewinnung ist insgesamt noch nicht ausgereift genug“, sagt er. Ochsner findet aber wie seine Kollegen den Begriff „Feierwehr“ unglücklich gewählt.

Entworfen wurde die Kampagne mit einer Agentur, sagt Lutz-Georg Berkling, Referatsleiter im Innenministerium. Grundsätzlich stünden 300.000 Euro bereit, ausgegeben worden seien bisher 38.000 Euro im Jahr 2017 und 13.000 Euro in diesem Jahr. (mz)