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Gelesen in Vollmond-Nacht Winzer Matthias Kirmann aus Westerhausen verkauft "Mondwein": Gelesen in einer Vollmond-Nacht

Von Benjamin Richter 20.07.2019, 12:56
Ernten mit Kopflampe: Matthias Kirmann bei der Mondweinlese im Jahr 2017.
Ernten mit Kopflampe: Matthias Kirmann bei der Mondweinlese im Jahr 2017. Matthes Kirmann

Westerhausen - Wer die Geschichte des Mondes erzählt, darf nicht nur auf das Zuerst schauen. Klar, zuerst hat Neil Armstrong die Oberfläche des Erdtrabanten betreten, am Sonntag ist es 50 Jahre her. Aber wer war eigentlich der letzte Mann auf dem Mond? Seit Eugene Cernan am 14. Dezember 1972 den Mondstaub von seinen Schuhen schüttelte, hat den Himmelskörper kein Mensch mehr betreten.

Ganz so lange ist es noch nicht her, dass Matthias Kirmann das letzte Mal Mondwein gekeltert hat. In der Nacht vom 4. auf den 5. Oktober 2017 las der Westerhäuser Winzer zuletzt Weintrauben im Vollmondlicht.

„Theoretisch geht das jedes Jahr“, erklärt Kirmann. Praktisch müssten aber die Trauben zum richtigen Zeitpunkt reif sein – und der falle nicht immer passgenau in eine Vollmondphase. „Mir bleibt ein Zeitfenster von einer Woche, vielleicht zehn Tagen, in dem ich die Trauben noch hängen lassen kann“, legt der Winzer dar.

Danach lagere sich zu viel Zucker in den Früchten ab, wodurch der Alkoholgehalt im Wein zu stark ansteige. „Wenn es regnet, muss ich mich noch mehr beeilen“, fügt Kirmann hinzu, „sonst riskiere ich eine Fäulnis.“

„Ich habe mich gefragt, ob der Vollmond wohl einen Einfluss auf den Wein hat“

Aber wie kommt man überhaupt darauf, gegen Mitternacht in den Weinberg zu ziehen und mit dem Lesen anzufangen? „Die Idee kam mir, als ich eines Abends zwischen den Reben unterwegs war und den Mond aufgehen sah“, blickt der Winzer zurück.

„In dem Moment habe ich mich gefragt, ob der Vollmond wohl einen Einfluss auf den Wein hat.“ Die Frage beschäftigte ihn weiter, und in einem Urlaub in Österreich fand er die Gelegenheit, sich mit Kollegen über das Thema auszutauschen.

„Die Winzer dort schworen auf die besondere Wirkung des Mondes“, berichtet Kirmann. „Sie konnten sie aber nicht beweisen.“ Der Westerhäuser hatte genug vom Spekulieren und wollte der Sache nun selbst auf den Grund gehen – deshalb las er im Herbst 2006 zum ersten Mal Sonnen- und Mondwein.

Winzer Matthias Kirmann arbeitete systematisch wie ein Wissenschaftler

Geradezu empirisch ging Kirmann bei dieser und auch den folgenden Weinlesen vor und achtete wie ein Wissenschaftler darauf, dass sich für die beiden Weine außer der verschiedenen Tageszeit der Ernte keinerlei Unterschiede ergaben. „Die Bedingungen sollten ansonsten absolut gleich sein.“

Zwischen der Lese des Mond- und der des Sonnenweins durften daher keine Tage, sondern nur die notwendigen Stunden vergehen. „Wenn ich den Sonnenwein drei Tage länger hängen lasse, lagert sich schon deutlich mehr Zucker in den Trauben ab, und der Wein wird süßer.“

Damit wäre das „Experiment“ verfälscht. Kirmann und seine Helfer lasen in der Nacht jede zweite Rebenzeile und bei Sonnenschein dann die übriggebliebenen. „Es ist möglich, dass die Bedingungen am einen Ende des Weinbergs etwas anders sind als am anderen“, erörtert der Winzer. Solche Umweltfaktoren sollten auf diese Weise ausgeschlossen werden, so gut es geht.

Für den Mond- und den Sonnenwein verwendet Matthias Kirmann bis heute nur Traminer

Nach der Lese vergärt und keltert Kirmann die Trauben in gleicher Weise. Zum Reifen lagert er sie in zwei verschiedenen Fässern, „aber davon abgesehen sind alle Abläufe und Termine dieselben“. Für den Mond- und den Sonnenwein verwendet Matthias Kirmann bis heute nur eine einzige Sorte – Traminer.

Der Weißwein zeichnet sich durch einen sehr aromatischen, rosigen Duft und etwas dunklere Trauben aus. „Und er ist eben zu einem gewissen Zeitpunkt reif“, gibt der Westerhäuser zu bedenken. Je nach Wetter variiere der Zeitpunkt zwischen Ende September und Anfang bis Mitte Oktober.

Unklar ist derzeit noch, ob es in diesem Herbst wieder klappen wird mit der Lese im Mondlicht: Denn der Vollmond wird am 14. September aufgehen und dann erst wieder am 13. Oktober. „Im September wird er definitiv noch nicht reif sein“, urteilt der Experte, „und im Oktober ist es womöglich schon zu spät.“

Doch schmeckt man den Unterschied? „Da scheiden sich die Geister“

So kommt Kirmann nur etwa alle zwei bis drei Jahre dazu, seinen astronomischen Wein-Vergleich anzustellen. Doch schmeckt man den Unterschied? „Da scheiden sich die Geister, zwischen Experten und innerhalb von Familien“, berichtet der Winzer.

Jeder kann selbst ein Urteil fällen, denn die Flaschen gibt es beim Harzer Weingut in Westerhausen nur im Doppelpack zu kaufen. Der Mondwein werde von den meisten als feiner und eleganter wahrgenommen, sagt Kirmann. Ein Weinexperte aus Halle ordnete ihn bei der ersten Verkostung als frischer und fruchtbetonter ein. Kirmann und seine Frau bevorzugen aber den Sonnenwein. „Der ist etwas kräftiger.“ (mz)

Matthias Kirmann präsentiert Mond- und Sonnenwein.
Matthias Kirmann präsentiert Mond- und Sonnenwein.
Bürkner