1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Landkreis Harz
  6. >
  7. Naturschutz: Wie steht es um Streuobstwiesen im Landkreis Harz? Landesamt für Umweltschutz veranstaltete digitale Tagung

Naturschutz Wie steht es um Streuobstwiesen im Landkreis Harz? Landesamt für Umweltschutz veranstaltete digitale Tagung

Von Benjamin Richter 16.03.2021, 09:56
Streuobstwiesen bis zum Horizont, wie im Schwäbischen, sind im Harz kaum zu finden. Wie hier in Stecklenberg, sind sie meistens eher eng umzäunt.
Streuobstwiesen bis zum Horizont, wie im Schwäbischen, sind im Harz kaum zu finden. Wie hier in Stecklenberg, sind sie meistens eher eng umzäunt. B. Richter

Quedlinburg - Wie steht es um die Streuobstwiesen im Landkreis Harz? Diese Frage zu beantworten, hatte sich die Wernigeröder Biologin und Umweltplanerin Dorothée Wolf-Dolata vorgenommen. Bei einer digitalen Tagung des Landesamts für Umweltschutz (LAU) zeigte sie am Sonnabend auf, dass Handlungsbedarf besteht.

An vielen Stellen im Harz lasse sich beobachten, dass Streuobstwiesen „verbuschen“, also mehr und mehr von Sträuchern überwuchert werden, und ältere Bäume „ausfallen“, weil sie nicht gepflegt würden. Es gebe einen Punkt, erklärte Wolf-Dolata, an dem sich das Verhältnis von jungen und Ertrag bringenden Bäumen zu alten, unbrauchbaren umkehren würde.

„Ich bin mir nicht sicher, ob wir diesen Punkt nicht schon überschritten haben“, warnte die Umweltexpertin. Bei einer Kartierung des Landkreises Harz für das Büro für Umweltplanung Dr. Friedhelm Michael hatte sie zuvor auch die Streuobstwiesen in der Region minutiös erfasst und dokumentiert.

Viele Streuobstwiesen verbuschen, alte Bäume werden nicht mehr gepflegt

Der Landkreis Harz, hob sie nicht als einzige Referentin bei der Tagung über die Software Cisco Webex Meetings hervor, gehöre in Sachsen-Anhalt zu den Regionen mit der höchsten Dichte an Streuobstwiesen.

Ein Blick auf die Landkarte offenbare, dass sie häufig um Höhenzüge, wie den Nordrand des Harzes oder den Huy, angeordnet seien. Früher, so Wolf-Dolata, hätten Streuobstwiesen der Selbstversorgung gedient. „Diese Notwendigkeit ist leider etwas abhandengekommen.“

Das habe dazu geführt, dass dieser Biotoptyp inzwischen auf der Roten Liste des Bundesamts für Naturschutz als „stark gefährdet bis von vollständiger Vernichtung bedroht“ eingestuft werde.

Darüber, dass es so nicht weitergehen könne und etwas für den Erhalt der Streuobstwiesen getan werden müsse, herrschte bei der zweiten LAU-Tagung zum Thema breiter Konsens. Bereits bei der ersten Tagung im Oktober, damals noch als Präsenzveranstaltung, blickte Landesumweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) zurück, habe es wertvolle Impulse gegeben - zugleich sei eine Reihe von Fragen offen geblieben.

„Streuobstwiesen sind als Kultur- und Naturgut erhaltenswert“, erklärt Ministerin Dalbert

Dazu gehöre jene, wie regionale Aspekte im Naturschutz besser transportiert werden könnten. Für Dalbert steht fest: „Streuobstwiesen sind als Kultur- und Naturgut erhaltenswert.“ Sie sorgten für Vielfalt in der Kulturlandschaft und böten in Sachsen-Anhalt nicht nur fast 4.000 verschiedenen Obstsorten, sondern auch zahlreichen anderen Pflanzen- und Tierarten eine Heimat.

Um ein Bewusstsein für dieses schutzbedürftige Biotop zu schaffen, muss nach Meinung der Ministerin mehr im Bildungsbereich getan werden, etwa indem man Streuobstwiesen als „grüne Klassenzimmer“ nutze. „So können die Schüler Natur und Insekten in wunderbarer Weise erfahren.“

Dass es vor rund 50 Jahren noch deutlich mehr Streuobstwiesen gegeben habe, in manchen Regionen Deutschlands mehr als das Zehnfache des heutigen Bestands, rechnete Beate Kitzmann den etwa 90 Tagungsteilnehmern vor.

Expertin: Bäume auf Streuobstwiesen brauchen regelmäßiger Pflege

Die Berlinerin gehört dem Bundesfachausschuss Streuobst des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) an. Rodungsprämien und die Intensivierung der Landwirtschaft hätten dann allerdings zu einem dramatischen Rückgang geführt, setzte sie auseinander.

Dass es heute wieder einen leichten Aufwärtstrend in diesem Bereich gebe, könnte laut Kitzmann auch in gewisser Weise damit zusammenhängen, dass die Bundesrepublik beim Konsum von Fruchtsäften Weltmeister sei. Mehr als 30 Liter, belegen Zahlen des Portals Statista, wurden hierzulande in jedem der vergangenen fünf Jahre pro Kopf getrunken.

Um Früchte zu tragen, bedürften Bäume auf Streuobstwiesen jedoch regelmäßiger Pflege, stellte Dorothée Wolf-Dolata klar. Den reinen Erhaltungsaufwand könnten angesichts einer Fläche von ungefähr 14 Quadratkilometern allein im Landkreis Harz die bestehenden Arbeitsgelegenheiten und Einsätze von Ehrenamtlichen auf Dauer nicht leisten - auch wenn diese immer wieder positive Lichtblicke darstellten.

In Richtung des LAU, der Ministerin und der mitveranstaltenden Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau forderte die Wernigeröderin, Anträge für Arbeiten auf Streuobstwiesen zu entbürokratisieren und bei den Fördersätzen für Maßnahmen zum Erhalt der Wiesen nachzujustieren.

Der Landkreis Harz sei für regionaltypische Pflanzen wie die Badeborner Schwarze Knorpelkirsche und den Halberstädter Jungfernapfel bekannt - solche Sorten gelte es nachzupflanzen. Dadurch, dass die letzten drei Jahre durchweg zu trocken gewesen seien, stünden inzwischen viele der heimischen Obstbäume unter Stress und benötigten die Pflege umso mehr. „Der Erhalt der Streuobstwiese ist Aufgabe des Eigentümers“, erinnerte Dorothée Wolf-Dolata. (mz)