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Keine Aufführungen, keine Proben Wie Schauspieler des Nordharzer Städtebundtheaters in Corona-Krise Geld verdienen: Hörbücher und Magazin-Beiträge werden eingesprochen

Von Rita Kunze 18.04.2020, 12:56
Eric Eisenach, der eigentlich im „Döner zweier Herren“ auf der Theaterbühne gestanden hätte, liest in diesen Tagen Texte für ein Hörbuch ein.
Eric Eisenach, der eigentlich im „Döner zweier Herren“ auf der Theaterbühne gestanden hätte, liest in diesen Tagen Texte für ein Hörbuch ein. Eisenach

Quedlinburg - In Zeiten von Corona geht Jonte Volkmann schon mal in seinen Kleiderschrank. Durchaus eine seriöse Sache: Der Schauspieler hat dort Hörbücher eingesprochen; der Schrank wird von ihm als selbstgebaute Tonkabine genutzt.

Eigentlich wäre der 29-Jährige jetzt mitten in den Proben zu „Sonny Boys“ - die Komödie von Neil Simon steht im Sommer auf dem Spielplan des Nordharzer Städtebundtheaters. Doch das Haus ist wegen der Pandemie geschlossen und läuft im Notbetrieb.

„Das ist wie in einem Apokalypsenfilm, was da gerade läuft“, sagt Volkmann. „Der ganze künstlerische Betrieb ist eingestellt. Wir hocken alle zu Hause, wie es weitergeht, muss man abwarten.“

Beschäftigungslos ist er deswegen nicht, denn Jonte Volkmann liest neben seinem Job als Schauspieler auch Texte für Hörbuch-Produktionen ein: „Aus dem Leben eines Taugenichts“, „Der kleine Prinz“ oder Platons „Kratylos“ sind bereits im Zürcher Fliegenglas-Verlag erschienen.

Volkmann spricht gerade den Roman „Jugend ohne Gott“ für ein Hörbuch ein

Im Moment arbeitet der Schauspieler daran, den Roman „Jugend ohne Gott“ des österreichisch-ungarischen Schriftstellers Ödön von Horváth einzusprechen. Für solche Arbeiten braucht es einen bestimmten Klang.

Volkmanns Altbauwohnung mit ihren hohen Decken bietet dafür nicht die besten Bedingungen, es gäbe einen Nachhall. „Deswegen habe ich im Kleiderschrank gesessen“, erzählt er.

Ist das denn bequem? „Es geht, wenn man es sich nett einrichtet und ein Glas Wasser mitnimmt“, sagt der Schauspieler, der Texte nicht länger als eine Stunde am Stück laut liest. „Wegen der Stimme und der Konzentration“, erklärt er. Denn Texte für Hörbücher zu sprechen, das „kann teilweise eine Fitzelarbeit sein“.

Eric Eisenach spricht Beiträge für das Magazin „Spektrum der Wissenschaft“ ein

Sein Schauspielerkollege Eric Eisenach bestätigt das. Wie Volkmann hätte er in diesen Tagen für die „Sonny Boys“ am Nordharzer Städtebundtheater proben sollen, und wie Volkmann arbeitet er jetzt an Projekten für den Fliegenglas-Verlag. Er gibt seine Stimme, um das Magazin „Spektrum der Wissenschaft“ hörbar zu machen.

Für den 35-Jährigen ist das eine neue Erfahrung: „Man lernt schon eine ganze Menge. Es ist interessanter, als ich dachte“, sagt Eisenach und erzählt von einem Artikel über das „Waldbaden“, den er für die Hörbuch-Ausgabe gelesen hat. „Waldbaden ist sehr gesund. Man verbringt viel Zeit nicht nur an der frischen Luft, sondern eben im Wald. In Österreich gibt es sogar richtige ‚Waldbademeister‘.“

Zuvor hatte er für die Schweizer Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ gelesen. Ein Kontrastprogramm, denn im Gegensatz zu Goethes emotionalem Briefroman müssen Wissenschaftstexte sachlich vorgetragen werden. 

Aber: „Mir haben die Magazine gutgetan, weil ich vom Blatt lesen konnte“, sagt Eisenach. Der „Werther“ habe wesentlich mehr Vorarbeit verlangt: Wo muss beim Vortrag die Haltung verändert, wo muss ein „Atemzeichen“ gesetzt werden?

Doch leicht ist es auch mit wissenschaftlichen Abhandlungen nicht: Die Texte, die teils viele Fremdwörter enthalten, werden von Lektoren kontrolliert. Eisenach: „Wenn man Pech hat, muss man 40 Fehler korrigieren.“

Hat „Ronja Räubertochter“ wie geplant am 17. Juni Premiere im Harzer Bergtheater?

Ähnliche Erfahrungen hat auch Jonte Volkmann gemacht. Er erinnert sich an „Kratylos“: „Da habe ich mich zahlreiche Stunden durchbeißen müssen, weil es um die Entstehung der altgriechischen Sprache geht.“ Zwei Drittel der altgriechischen Wörter habe er neu einsprechen müssen, „das hat mich aber nicht davon abgehalten, weiterzumachen“.

So hat er unter anderem das Grundgesetz für eine Hörbuch-Ausgabe eingelesen. Jetzt ist Horváths „Jugend ohne Gott“ an der Reihe, danach soll Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“ folgen. Auch das Textbuch für „Ronja Räubertochter“ am Nordharzer Städtebundtheater hat er da, Premiere soll am 17. Juni im Harzer Bergtheater sein.

Aber die Zeiten sind ungewiss. „Wir wissen leider noch gar nicht, wann wir wieder starten“, sagt Eric Eisenach. „Eigentlich wären wir mitten in den Vorproben.“ Zugleich hätten einige Vorstellungen zum letzten Mal stattfinden sollen, auch das sei für die Schauspieler wichtig, sagt Eisenach: „Es wären Dernièren gewesen, wo man sich von einem Stück auch verabschieden kann.“

Doch der Schauspieler blickt nach vorn. Sein nächstes Projekt sind Stefan Zweigs „Sternstunden der Menschheit“, die er für eine Hörbuchversion einlesen will. „Damit werde ich anfangen, wenn wir nicht endlich wieder anfangen können zu proben.“ (mz)