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Krippenspiel, Märchen Wie aus dem Fest der Geburt Christi ein Familienfest wurde: So entstanden Weihnachtsbräuche im Biedermeier

Von Bettina Fügemann 24.12.2019, 08:56
Spielzeug durfte auf dem Gabentisch nicht fehlen.
Spielzeug durfte auf dem Gabentisch nicht fehlen. Jürgen Meusel

Ballenstedt - Weihnachten wird heute im Verwandtenkreis gefeiert und dass das so ist, verdanken wir der Biedermeierzeit. Damals entwickelte sich das Fest zu dem besinnlichen Familienfest, wie wir es heute begehen. Wie damals wählen Eltern und Verwandte Geschenke für die Kinder aus und freuen sich lange vor Weihnachten auf die überraschten Kinderaugen, die an Heiligabend in großer Erwartung über die Gaben staunen.

Im Biedermeier richtet sich der Blick mehr als zuvor ins Innere, in die eigene Seele. Und die Kinder werden neu entdeckt. Noch im 18. Jahrhundert wurden sie als kleine Erwachsene betrachtet. Aber nun liegt dem Bürgertum daran, Bildung, Kunst, Musik und Literatur zu pflegen und den Nachwuchs dafür zu begeistern.

Auch der Tannenbaum, heute nicht mehr wegzudenken, hielt erst in jener Zeit Einzug in Häuser. Dem Biedermeier ist die Erfindung des Weihnachtsmannes zu verdanken, jener vollbärtigen Autorität, die die guten Kinder belohnt. Die Familie steigt im Wert und dazu passt das Weihnachtsfest perfekt.

Krippenspiele sind Rituale zu Weihnachten

Krippenspiele sind feste Bestandteile und Rituale zu Weihnachten, die in der Kirche, aber auch auf Puppenbühnen aufgeführt werden. Hinzu kommen die „Tableaux vivants“, die zum Weihnachtsfest bei Hofe oder Zuhause arrangiert werden. Der Text für die „Lebenden Bilder“ wird selbst verfasst.

Religiöse sowie allegorische Themen bestimmen den Inhalt. Oft werden Gemälde oder Bühnenstücke nachgeahmt. Die Darstellenden beschränken sich auf ihre Haltung und auf das Kostüm, das ihre Rolle würdigt. Der Text begleitet die jeweiligen Bewegungen der Akteure.

„Nussknacker und Mausekönig“, Weihnachtsmärchen

Die Literatur wird nicht müde über das Weihnachtsfest zu berichten: Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776-1822) erzählt in seinem Kindermärchen „Nussknacker und Mausekönig“: „In dem Augenblick ging es mit silberhellem Ton: Klingling, klingling, die Türen sprangen auf, und solch ein Glanz strahlte aus dem großen Zimmer hinein, dass die Kinder mit lautem Ausruf ,Ach! – Ach!‘ wie erstarrt auf der Schwelle stehenblieben.

Der große Tannenbaum trug viele goldne und silberne Äpfel, und wie Knospen und Blüten keimten Zuckermandeln und bunte Bonbons und wunderschönes Naschwerk, aus allen Ästen. Um den Baum herum glänzte alles sehr bunt und herrlich – was es da alles für schöne Sachen gab – ja, wer das zu beschreiben vermöchte!“

Hans Christian Andersen (1805-1875) beschreibt in seinen Wintermärchen „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“, „Der Tannenbaum“ und „Die Schneekönigin“ die wundersamen Begebenheiten rund um das Weihnachtsfest. Charles Dickens (1812-1870) schildert in seiner Geschichte „Der Weihnachtsabend“ einen Einzelgänger, der über Nacht geläutert und zu einem gütigen Menschen wird. In den Geschichten rund um das Weihnachtsfest schwingt immer ein wenig Melancholie mit, die darin so nicht fehlen darf, wie die Stolle oder der Weihnachtsbraten.

Der erste Adventskranz soll aus einem Wagenrad entstanden sein

Zu unseren schönsten Traditionen zählt der Adventskranz. Um den Kindern in der Adventszeit die Fragen zu verkürzen, erzählt die Legende, dass der Pfarrer Johann Hinrich Wichern (1808-1881) ein Wagenrad mit vier weißen Kerzen für die Adventssonntage und 24 kleine Kerzen zum Kranz umfunktioniert hat. Jeden Tag wurde eine Kerze entzündet und die Kinder konnten die Tage bis Weihnachten zählen - wohl die Vorgängervariante des Adventskalenders, der zum Zeitmesser der Tage bis Heiligabend wurde.

In dem Roman von Thomas Mann „Die Buddenbrooks“ schildert der Autor einen selbstgebastelten Abreißkalender, den die Kinderfrau Ida ihrem Schützling Hanno gezeichnet hatte.

Im Biedermeier wurden viele Weihnachtslieder populär

Im Biedermeier wurden viele Lieder populär, die heute noch jedes Weihnachten begleiten, so das Volkslied „O Tannenbaum“ oder die 1841 entstandene Volksweise „Am Weihnachtsbaume die Lichter brennen“. Bereits 1818 erklang in dem Bergdorf Oberndorf bei Salzburg das wohl berühmteste Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“.

Natürlich durfte auch in der Biedermeierzeit Spielzeug auf dem Gabentisch nicht fehlen. Deshalb boten die Händler für die Mädchen Balgpuppen aus Leder, Gliederpuppen, die stehen und sitzen konnten, Wachspuppenköpfe mit Glasaugen und echtem Haar, Kasperlefiguren und Puppenmöbel an.

Für die Jungen gab es Zinnsoldaten, Manegen aus Holz, Städte und Dörfer zum Aufbauen sowie Tiere aus Pappmaché zu kaufen. Besondere Kostbarkeiten waren Lederwaren wie Schaukelpferde, Steckenpferde und Schulmappen. Und auch Bilderbücher sowie Schreib-, Brief- und Zeichenpapier fehlten auf keinem Weihnachtstisch.

Hofmaler Wilhelm von Kügelgen zeigt, wie Weihnachten gefeiert wurde

Wie das biedermeierliche Weihnachten gefeiert wurde, erzählt Wilhelm von Kügelgen (1802-1863). Der Hofmaler und spätere Kammerherr des Herzogs Alexander Carl (1805-1863) und seiner Gemahlin Friedrike Caroline Juliane von Anhalt-Bernburg (1811-1902) lebte ab 1833 in Ballenstedt.

Seine Kindheit verbrachte er jedoch in Dresden. In seinem Buch „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“, das im nächsten Jahr vor 150 Jahren erstmals erschien, schildert er die Kindheitserinnerungen auf dem Striezelmarkt.

Mit seinen Geschwistern Gerhard (1806-1883) und Adelheid (1808-1874) erlebte er im elterlichen Haus „Gottessegen“ unvergessliche Weihnachtsabende. Kügelgen beschreibt den Striezelmarkt auf dem Dresdener Altmarkt, auf dem es vor Buden wimmelte, die abends erleuchte waren.

„Das Glitzern, der mit Rauschgold, bunten Papierschnitzeln und goldenen Früchten dekorierten Weihnachtsbäume waren beeindruckend. Die hellerleuchteten Krippen mit dem Christuskinde, die gespenstischen Knechte Ruprechts, die Schornsteinfeger aus gebackenen Pflaumen, die weihnachtlichen Wachsstockpyramiden in allen Größen erschienen uns himmlisch“, so von Kügelgen. (mz)