Umfang, Körbchengröße Wäschegalerie Harzgerode: Warum auch Harzer Frauen häufig falsche BHs kaufen

Harzgerode - Der Verschluss rutscht nach oben, die Brust heraus, die Bügel drücken – beim BH-Kauf lauern viele Fallstricke. Und nicht jeder Schnitt passt zu jeder Brustform. Der BH ist ein hochkomplexes Produkt. Manche Modelle bestehen aus mehr als 50 Einzelteilen. Und wenn nur eines davon ein bisschen anders angenäht ist, können selbst zwei augenscheinlich identische BHs unterschiedlich sitzen.
Den perfekten zu finden, kommt mitunter einer Wissenschaft gleich. Apropos: In China schaffte das wohl speziellste aller Kleidungsstücke vor einigen Jahren sogar den Sprung an die Universität. „Bra Studies“, BH-Wissenschaften, wurden dort gelehrt.
Wäschegalerie in Harzgerode: Beratung schützt vor Fehlkäufen
Auch Statistiker haben den BH für sich entdeckt. Eine Umfrage aus dem März hat ergeben, dass 75B – die Zahl steht für den Unterbrustumfang, der Buchstabe für die Körbchengröße – die am häufigsten gekaufte Größe in Deutschland ist. In einer anderen Erhebung kam heraus, dass die Durchschnittsfrau hierzulande 80C trägt.
Und Heike Trog, deren Wäschegalerie in Harzgerode 25-jähriges Bestehen feiert, sagt: „Von zehn Frauen, die zum ersten Mal zu uns kommen, tragen acht die falsche Größe.“ Aus Unwissenheit. Aber von zehn Frauen, die das Geschäft nach Anprobe und Beratung – und meist auch mit einer Einkaufstüte in der Hand – verlassen, wissen zehn, worauf es ankommt.
Beratung schreiben Trog und ihre Angestellte Susanne Kaiser groß. Manche Frauen, erzählt die Inhaberin, seien schon wiedergekommen, nur um zu sagen, wie glücklich sie seien, endlich ihre Größe gefunden zu haben, weil nichts mehr zwickt und zwackt. „Wir sehen uns auch als Problemlöser“, sagt die Geschäftsfrau.
Wäschegalerie spezialisiert sich auf große Größen
In ihrem Fachgeschäft gibt es neben Damenunterwäsche auch Frotteeware, Nachtwäsche und Bettwaren. Als sie Anfang der 90er aus Berlin in den Harz kam, wagte die 53-Jährige, die „im ersten Leben Lehrer“ war, den Sprung in die Selbstständigkeit. Sie habe geguckt, „was es hier noch nicht gab“.
Sie eröffnete einen kleinen Laden in der Schulstraße; 2001 fand sie in der Oberstraße neue Räume. Mit dem Umzug vergrößerte sich nicht nur die Ladenfläche auf 120 Quadratmeter: Mit ihm kam auch die Spezialisierung auf große Größen. Eine Freundin habe ihr damals zugeredet, dass das die einzige Chance sei, sich am Markt zu behaupten, erzählt Trog. Und sie sollte Recht behalten. „Das ist, was uns am Leben erhält“, sagt die Inhaberin, „ohne die Spezialisierung würde es uns nicht mehr geben.“
Inhaberin der Wäschegalerie: „Die Herausforderungen für unsere Einzelhändler sind massiv gestiegen“
Und da ist sie nicht allein. Viele suchen in der Nische ihre Chance. „Die Herausforderungen für unsere Einzelhändler sind massiv gestiegen“, sagt Harzgerodes Bürgermeister Marcus Weise (CDU). Die Mobilität der Kunden habe zugenommen, die Konkurrenz im Internet sei groß.
Dass es Geschäften dennoch über Jahrzehnte gelingt zu bestehen, führt er auf den Service zurück, den Kunden so nur im Laden erleben können - nicht im Netz - und auf das besondere Angebot, das die Händler unterbreiten. Und das dürfe auch in Zukunft nicht verloren gehen, findet Weise. Deshalb „ist die Belebung der Innenstadt Ziel“, sagt er.
Viele Ansätze gibt es: Da ist der Supermarkt im Zentrum. Da sind Veranstaltungen, die Besucher in die Stadt locken. Da gibt es die Bestrebungen, einen Investor für die alte Gießerei zu finden. Und gerade erst haben Mitarbeiter der Stadtverwaltung den Leerstand erfasst und Eigentümer angeschrieben, um potenziellen Interessenten unkompliziert Kontakte vermitteln zu können (die MZ berichtete).
Geschäft bietet Größen bis zu einem Unterbrustumfang von 130 Zentimetern
In ihrem Laden führt Trog BHs bis Cup L und mit einem Unterbrustumfang von bis zu 130 Zentimetern. Frauen mit großen Größen müssen hier nicht suchen, sondern können zwischen mehreren Modellen wählen – und sie anprobieren.
„Anprobieren ist ein Muss“, sagt Trog. Sie und Kaiser stehen ihren Kundinnen dabei unterstützend zur Seite, kommen, so es nicht anders gewünscht ist, mit in die geräumige Umkleidekabine. Sie sind beim Verschließen behilflich, dabei, die Träger einzustellen, geben Anziehtipps, die nur Frauen verstehen, und Empfehlungen. Denn, und das ist wichtig: „Der BH muss halten.“
Ein falsch sitzender – das ist medizinisch erwiesen – kann das Gewebe schädigen und gesundheitliche Probleme zur Folge haben. „Oberste Prämisse ist aber, dass sich die Kundin wohlfühlt“, sagt Trog. Worauf sie beim BH-Kauf noch achten sollte? Der Bügel müsse die Brust umschließen und anliegen. Anliegen sollte auch der Mittelsteg, erklärt Trog.
Wäschegalerie: Die Frauen im Harz mögen es dezent
Und was kommt bei den Kunden an? Die Frauen im Harz mögen es dezent, greifen bevorzugt zu den Klassikern: Cremetöne und Hautfarben sind am beliebtesten, auch Schwarz wird gern gekauft. Quer durch die Altersschichten, denn „auch die Oma möchte heute flotte BHs tragen“.
Doch so komplex die Dinger auch sein mögen; in einem unterscheiden sie sich laut Trog überhaupt nicht von Pumps, Stiefeln u. Co: „Ein neuer BH ist wie ein Paar Schuhe, den muss man auch erst mal eintragen.“ (mz)