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Natur nahe dem Harz Was Wanderer bei einer Tour im Hakel bei Heteborn entdecken

Höhenzug überragt wie Fallstein und Huy die Niederungen. Er ist ein Paradies für Naturfreunde, es duftet nach Maiglöckchen, Waldmeister und Bärlauch.

Von Uwe Kraus 20.06.2021, 15:00
Grünes Kleinod, das vor allem zahlreichen Vogelarten eine Heimat gibt: der Hakel.
Grünes Kleinod, das vor allem zahlreichen Vogelarten eine Heimat gibt: der Hakel. (Foto: Uwe Kraus)

Heteborn - Warum müssen es bei den Touren, die für Wanderungen in der Harzregion empfohlen werden, immer riesige Auf- und Abstiege sein, fragt MZ-Leserin Sigrun Faßhauer aus Hedersleben in einem Leserbrief. Sie empfiehlt quasi eine Runde vor ihrer Haustür an der Grenze zwischen Landkreis Harz und dem Salzlandkreis.

Mit ihrem erwachsenen Sohn Steven zeigt sie versteckte Schönheiten im Hakel, der für fitte Wanderer in knapp zwei Stunden umkreist werden kann. Wie Fallstein und Huy überragt der Höhenzug als Muschelkalksattel die Niederungen, die gerade in Richtung Hakeborn und Cochstedt durch den fruchtbaren Lößboden der Börde Landwirten beste Erträge bescheren.

Der Hakelwald lädt weniger die Klippensteiger und Höhenspezialisten zum Wandern ein, sondern er gleicht einem Paradies für Naturfreunde, die Flora und Fauna lieben. Das recht enge, zuweilen auch rustikale Wegenetz ermöglicht eine Auswahl der Touren, die Beobachtungen vieler Vogelarten ebenso ermöglichen wie den schlichten Sonntagsspaziergang direkt zur Domburg, die vor einigen Jahren noch aus der Ferne mit einem Wimpel auf sich aufmerksam machte.

Für eine Einsteigertour nähern wir uns aus Heteborn der Naturlandschaft auf der Trasse, die uns schon durch ihren Namen sagt, wo es hingehen soll: Hakelstraße. Wer lieber die längere Variante wählt, parkt am Ortsausgang des Dorfes und verlängert seine Strecke um 1,8 Kilometer. Am Ende der Straße stehen am Waldrand einige Parkplätze zur Verfügung.

Fitte Wandere können den Hakel in knapp zwei Stunden umkreisen

Daneben befinden sich Sitzplätze zum Verweilen vor oder nach der Wanderung und eine Informationstafel über Geschichte, Geologie und Natur. Gleich daneben warnt ein Schild, dass es gefährlich werden könnte, die Route zu verlassen. „Es besteht Gefahr für Leib und Leben!“ Wir sind mutig - und vorsichtig.

Bereits hier weist ein Pfeil in Richtung Domburg. Nach wenigen Schritten führt ein Weg nach rechts. Ihm folgen wir nun 1,4 Kilometer streckenweise parallel zum kaum 50 Meter entfernten Waldrand, der sich an mehreren Stellen auf ziemlich zugewucherten Pfaden erreichen lässt.

Hier schlägt im Frühjahr das Waldgrün über längere Passagen in ein Rapsgelb um, so dass Bienen und weitere Insekten hier lautstark summen und nicht gestört werden möchten. Über die weiten Felder bietet sich ein wunderbares Panorama, auch wenn wir erst 12 Höhenmeter hinter uns gebracht haben. Ditfurt, Hedersleben, selbst Quedlinburg, Halberstadt und Ballenstedt zeigen sich wie der Harz in der Sonne.

Zurück auf dem Weg zur Domburg tragen die solide ausgetretenen Wege Spuren von Forstfahrzeugen, aber auch einige matschige Löcher, die gut zu umgehen sind. Entdeckungen gibt es dann jenseits des Wegesrandes. Die Bedeutung als reiner Wirtschaftswald nimmt ab. 34 Hektar des Hakelwalds wurden unterdessen als Totalreservat ausgewiesen.

Experten loben den lichten Eichen-Hainbuchen-Wald sowie seltene Elsbeeren, Speierlinge und Lindenbestände, die das Bild des Hakel prägen. Rechts und links des Pfades bietet sich sattes Grün in großer Vielfalt; Maiglöckchen, Waldmeister und Bärlauch, der Wanderer riecht den Hakel förmlich.

Links des Weges erinnern Faschinen an alte Techniken der Waldarbeiter, die auch Tieren Lebensraum bieten. Zahlreiche umgestürzte Bäume ragen aus dem Grün, sie werden dem Kreislauf der Natur überlassen. Naturschützer halten den Zustand der absterbenden Bäume zumeist nicht für besorgniserregend. Der artenreiche Mischwald steckt in einem Erneuerungsprozess, der dem Klima angepasst ist.

In alten Stämmen bilden sich Höhlen. Wer genau hinschaut, entdeckt dort unendlich viele Käfer und Insekten. Die werden auch von den Vögeln geliebt. An einer lichten Stelle sehen wir einen Rotmilan schweben. Der gesamte Hakel ist als Vogelschutzgebiet ausgewiesen. Einst entstammte knapp ein Drittel der Welt-Rotmilan-Population dem 1.366 Hektar großen, unbewohnten Hakel.

Ornithologen, die hier seit vielen Jahrzehnten beste Forschungs- und Beobachtungsgebiete finden, sprechen von einem Brutgebiet für über 70 Vogelarten. Darunter sind Greifvögel wie Schreiadler, Habicht, Sperber und Wespenbussard, aber wer sich Zeit auf seiner Wanderung zur Domburg nimmt oder im Burggraben schaut, der hört und sieht zuweilen auch Sperbergrasmücke, Waldschnepfe und Zwergschnäpper. Fehlanzeige an meinem Wandertag. Auch die zahlreichen Besucher des Hakels, die am Herrentag hier traditionell ihre Spuren hinterließen, werden diese Flieger nicht beobachtet haben.

Im Umkreis der Ruine de Domburg hängt ein Müllsack, der hilft, den Wald rein zu halten

Es geht weiter. Nach weiteren 300 Metern auf dem Schrittzähler schimmert das Zwischenziel durch die Laubbäume. Wir biegen halb rechts ab und passieren eine Bank, die der heimische EU-Abgeordnete und Landeschef der CDU, Sven Schulze, gesponsert hat.

Was auffällt: Im Umkreis der Ruine hängt ein Müllsack, der hilft, den Wald rein zu halten.Denn längst muss jeder Wanderer seinen Proviant selbst mitbringen. Der „Waldfrieden“ Richtung Hakeborn hat schon lange seinen Frieden gefunden, umsonst halte ich Ausschau nach Resten vom „Schwarzen Ross“.

Zum Ende des 19. Jahrhunderts öffnete Christian Brennecke hier diese Gastwirtschaft als Ausflugslokal. Der Wirt schien bereits damals ein Grüner gewesen zu sein, denn man erzählt von einem botanischen Garten mit über 500 Pflanzen neben einem Aussichtsturm. Ob die verwitterten Fundamentreste unweit des Weges letzte Spuren sind?

Auch die alte Eiche, an der ein Bierfass gehangen haben soll, ist trotz mehrmaligem Umkreisen nirgendwo zu entdecken. Also durchstreifen wir die Reste der berüchtigten Domburg. Der Regionalverband Harz erklärt hier auf einer gut erhaltenen Tafel die Geschichte, aber auch die Geologie der mit 244,5 Metern höchsten Erhebung des Hakels.

Irgendwo darunter muss das Salz des Zechsteinmeeres lagern, über das sich Muschelkalk schichtete. An vielen Stellen im Hakel tritt Muschelkalk offen zu Tage. So ist die Frage beantwortet, warum rund 900 Meter weiter tiefe Kuhlen daran erinnern, dass hier einst Baumaterial aus dem Wald geholt wurde, um nicht nur die Burg zu errichten.

Von der Domburg im Hakel steht nur eine 10 Meter hohe und 1,45 Meter dicke Wand

Die mächtigen Kalksteinmauerreste der Domburg gehen zurück auf ein Kastell, das vor rund 800 Jahren gebaut worden sein soll. Der Blick in den Burggraben verrät, dass hier nie tiefes Wasser als Hindernis floss. Stimmen meine Messungen, sind es um die zehn Meter, die es hier schlagartig tiefer geht.

Die Burg schindet trotz ihres ruinösen Zustandes Aufmerksamkeit. Durch das hohe Tor in der Westwand schreite ich ins „Innere“, was etwas übertrieben scheint. Nur die 10,50 Meter hohe und 1,45 Meter dicke nördliche Wand steht noch.

Einziges ausgeschildertes Ziel im Hakel: Viele Wege führen zur Domburg.
Einziges ausgeschildertes Ziel im Hakel: Viele Wege führen zur Domburg.
(Foto: Uwe Kraus)

Den Außenwall überwuchern Bäume und Sträucher. Auch wenn ich hier lange suche, wo hier die alte Heer- und Handelsstraße von der Salzstadt Lüneburg in die Messestadt Leipzig führte, außer Brennnesselbüschen sehe ich nichts, was darauf hindeutet, dass hier eine Reichsburg die Passage schützen sollte. Urkundlich verbrieft ist, dass 1310 Ludolph und Erich von Knesebeck hier lebten und als Raubritter ihr Unwesen trieben. Ständige Übergriffe und Überfälle führten dazu, dass im Jahr 1367 Truppen des Bischofs Albert III. von Halberstadt sowie Truppen der Städte Aschersleben, Halberstadt und Quedlinburg die Burganlage belagerten und eroberten.

Auch wenn sie seit Jahrhunderten zerfällt, die Domburg beeindruckt uns durch ihre riesigen Gräben und die gewaltigen Ruinenreste. Spaßeshalber schreite ich die kaum noch erkennbaren Begrenzungen der Hauptburg ab. Man könnte „Pi mal x“ auf einen Durchmesser von 110 Metern kommen, der für die gesamte Anlage dürfte sich auf etwa 300 Meter summieren.

Wir verlassen die historische Stätte. 340 Meter weiter schlängelt sich der Weg leicht nach links, bis aus dem klassischen Waldboden eine mit Schotter befestigte Piste wird. Mir fehlt das weiche Waldwandergefühl unter den Schuhsohlen. Hier an der Kreuzung fallen sie wieder auf, die quaderförmigen Steine, die an der Wegesecke eingelassen sind. In jede Himmelsrichtung prangt eine andere Nummer. So fällt es leichter, sich im Revier zu verabreden.

Aufstieg zur Domburg: Nur die 10,50 Meter hohe und 1,45 Meter dicke nördliche Wand steht noch.
Aufstieg zur Domburg: Nur die 10,50 Meter hohe und 1,45 Meter dicke nördliche Wand steht noch.
(Foto: Uwe Kraus)

Wer jetzt noch genug Power hat, der kann seine Schritte nach rechts lenken. Dort irgendwo muss die Kreisgrenze zwischen Harz und Salzland verlaufen. In 2,1 Kilometern Entfernung erreicht man Cochstedt. Blickt der Wanderer auf der Strecke dorthin auf den Kleinen Hakel, sieht er einen Superlativ des Salzlandkreises:

Die höchste Erhebung: Phillips Galgenberg mit immerhin 224 Metern. Im Vergleich zur Domburg doch sehr unspektakulär, aber nicht weniger blutig. Schließlich soll hier der namensgebende Wilddieb Peter Phillip am Galgen gebaumelt haben.

Doch wir biegen nach links ab. Das Bauchgefühl und Sigrun Faßhauer wissen: Hier geht es in Richtung Heteborn. Allein rätselt man dagegen, wohin welcher Weg führt, denn im Hakel gibt es nur eine einzige Ausschilderung: „Richtung Domburg“. So gelangt man gut zur Sehenswürdigkeit im Wald. Wer - wie ich - meint, die Welt sei rund, und nicht den Hinweg auch wieder zurück begehen will, dem kommen angesichts von 23 Kilometern Waldwegen im Hakel schon Zweifel, ob er auf der kürzesten Strecke heimkehrt.

Noch dazu lebt hier nicht nur Damwild, das schon zu DDR-Zeiten in einem geschützten Forschungsgebiet wildbiologisch begleitet wurde. Etwa 400 Meter von der Kreuzung entfernt sieht man selbst vom Wege aus die typischen Suhlen von Wildschweinen. Einige Waldbesucher lieben diese nicht etwa wegen des Schlammes. Im näheren Umfeld sollen sich gute Pilzbestände befinden.

Körbchen mit Pilzen im Mai? Ja, schon der Name sagt es wieder, Mairitterlinge wachsen hier in großen Hexenringen. Hier gilt es mit der Nase dem aromatischen Geruch zu folgen. Aber wer verrät schon sein Pilzrevier? Schließlich gelten Mairitterling und der Braune Büschelrasling beide als gute Speisepilze des Frühjahres.

Mit einem Drahtkörbchen geschützt, blüht eine wilde Orchidee im Hakel

350 Meter nach diesem Fund, wartet ein noch weit seltener. „Am Durn Kopp“ steht die letzte Schutzhütte, bevor der feste Weg nach rund fünf Minuten an dem Hinweisschild endet, das uns bereits am Start vor den Gefahren des Waldes warnte. Scharf rechts gehen wir dann doch noch mal in den Wald.

Bevor dieser Pfad an einem Feldrain endet und wir behaupten könnten, wir waren von einem bis zum anderen Rand des Hakels unterwegs, machen wir eine besondere botanische Entdeckung. Ziemlich gut versteckt und mit einem Drahtkörbchen vor Wildfraß und menschlichen Begehrlichkeiten geschützt, blüht dort eine wilde Orchidee.

Die Route  zur Domburg im Hakel und zurück
Die Route zur Domburg im Hakel und zurück
(Grafik: T. Büttner)

Als wir wieder am Startort angelangt sind, liegen laut Schrittzähler 9.847 Schritte hinter mir. 6,8 Kilometer Weg soll meine Sonntagswanderung lang gewesen sein. Vielleicht hätte ich für eine glatte „Zehner-Bilanz“ doch noch den Abzweig auf den Galgenberg nehmen sollen? Aber auch dort hätte ich die Höhenmeter kaum gespürt.