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Lange Wiese in Meisdorf Viel Platz für Insekten in ganz normalen Europaletten

Meisdorfer haben einen großen Unterschlupf für kleine Tiere gebaut. Welche Hoffnungen sie damit verbinden.

Von Rita Kunze 12.06.2021, 14:00
Aus Europaletten haben Meisdorfer ein großes Insektenhotel gebaut.
Aus Europaletten haben Meisdorfer ein großes Insektenhotel gebaut. (Foto: Bianga)

Meisdorf - Es ist 3,60 Meter breit, 80 Zentimeter tief und rund 3 Meter hoch. Verglichen mit menschlichen Maßstäben ist es wohl so etwas wie das „Estrel“ in der Sonnenallee in Berlin, das die Mitglieder des Kinderfördervereins „Robin Hood“, des Vereins Junges Forum und andere Helfer da auf der Langen Wiese in Meisdorf gebaut haben: das größte Hotel weit und breit - freilich für Insekten.

Die Konstruktion aus 39 Europaletten verfügt über rund 100 Fächer, in denen eine Vielzahl von Insekten Unterschlupf finden kann. „Einige Landwirte haben Blühflächen angelegt, und wir haben überlegt, wo wir so etwas in Meisdorf unterstützen könnten“, sagt Ortsbürgermeister Ralf Bianga. Eine Blühfläche stand nicht zur Verfügung, und so entstand die Idee, auf der Langen Wiese - sie dient der Unseburger Agrargesellschaft als Heuwiese - ein Insektenhotel aufzustellen. Und zwar ein richtig Großes.

Blühwiese auf dem Dach des Hotels

Vom Gedanken einer Blühwiese wollten sich die Initiatoren aber nicht verabschieden, und so hat das Insektenhotel auf seinem Dach eine kleine Blühfläche bekommen - die ersten zarten Pflänzchen sind bereits zu sehen. „Das ist auch ein schöner Eingangsbereich zum Selketal“, sagt Ralf Bianga, denn die Konstruktion heißt mit einem Schild - darauf abgebildet ist die Burg Falkenstein - Besucher in der Region willkommen.

Nun hoffen die Vereinsmitglieder, die auch von Mitarbeitern des Humanas-Wohnparks in Meisdorf beim Bau unterstützt wurden, dass das Insektenhotel bei den Tieren ankommt. Denn es werden immer weniger. Der Ortsbürgermeister erinnert sich an seine Kindheit: „In den Rapsfeldern standen früher immer Bienenwagen. Die sieht man jetzt gar nicht mehr.“ Auch als die Kirschbäume dieses Jahr in der Gegend in voller Blüte standen, seien nur wenige Insekten darin zu sehen gewesen. „Aber ohne Bienen gibt es keine Früchte, da muss man entgegenwirken“, sagt Bianga.

Europaletten, mit Zapfen, Blättern und Stroh ausgelegt, sollen Insekten als Unterschlupf dienen.
Europaletten, mit Zapfen, Blättern und Stroh ausgelegt, sollen Insekten als Unterschlupf dienen.
(Foto: Bianga)

„Alles ist verschraubt, man könnte es also zurückbauen, ohne dass die Natur Schaden nimmt“

Das Konzept zum Bau entstand im vergangenen Winter, es wurden Spenden gesammelt. Die Europaletten hat Ralf Bianga durch sein Elektroinstallations- und -planungsunternehmen beigesteuert, auch die Druckerei Mahnert in Aschersleben hat das Projekt auf diese Weise unterstützt, und die Humanas Pflege GmbH & Co. KG gab Geld dazu. Die Idee mit dem Schild sei entstanden, weil man so die Konstruktion gleich mit touristisch nutzen könne.

Anfangs sollte der Bau ein Spitzdach bekommen, erzählt der Ortsbürgermeister, aber dann habe man sich für das Flachdach entschieden, um darauf eine kleine Wiese anlegen zu können, auf der Blumen wachsen, die Bienen besonders mögen. Zugleich sei darauf geachtet worden, dass die Konstruktion notfalls wieder demontiert werden kann: „Alles ist verschraubt, man könnte es also zurückbauen, ohne dass die Natur Schaden nimmt“, sagt Ralf Bianga. „Das war uns wichtig.“

Leere Fächer können im Herbst noch befüllt werden

Die ersten Fächer sind inzwischen gefüllt: Die Mädchen und Jungen der Kindertagesstätte „Selketalzwerge“ in Meisdorf waren schon zweimal dort und haben Zapfen, Laub und Gräser hineingelegt. Auch die Bewohner des Humanas-Seniorenwohnparks in Meisdorf wollen sich an dem Projekt beteiligen, sagt der Ortsbürgermeister, „so dass das Insektenhotel stückweise befüllt wird“. Sollten im Herbst noch Fächer leer sein, wollen die Vereinsmitglieder sie befüllen.

Die Kindertagesstätte hat ein kleines Projekt daraus gemacht, sagt deren Leiterin. „Für die Kinder ist das super, wir haben hier nur kleine Insektenhotels. Aber ein großes zu befüllen, das macht einfach mehr Spaß.“ Außerdem seien die Kinder gerade dabei, Insekten besser kennenzulernen: Aktuell beobachten sie die Entwicklung von Stabheuschrecken, zuvor hatten sie miterlebt, wie aus Raupen Schmetterlinge werden. In den Sommerferien sollen sich auch die Hortkinder an der Arbeit am Insektenhotel auf der Langen Wiese beteiligen können, im Wald Füllmaterial sammeln und es in den Fächern verteilen. Der Ortsbürgermeister kann sich gut vorstellen, dass noch ein „Bienenautomat“ aufgestellt wird. Er funktioniert ähnlich wie ein Kaugummiautomat und spuckt Bienenblumensamen aus. „Das ist aber noch Zukunftsmusik“, sagt Ralf Bianga.

Ode an die Biene

Das große Insektenhotel ist nicht das einzige Projekt zum Schutz der Sechsbeiner in der Region. Nur einige Kilometer weiter, rund um Endorf und in Ballenstedt, werden Blühwiesen angelegt. Angeregt dazu haben der Landwirt Christian Ziegenhorn und seine Frau Nancy, die mit ihrem Projekt „Ode an die Biene“ eine möglichst große Blühfläche schaffen wollen. Drei Hektar sollen es werden, und dafür suchen und finden sie Blühpaten, die Geld für ein Stück Land spenden, das dann als Blumenwiese und nicht zur landwirtschaftlichen Produktion genutzt wird. Und der Ballenstedter Verein „heimatbewegen“ hat mit Hortkindern auf seinem Grundstück eine Blühwiese angelegt. (mz)