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"Der große Absturz ist beendet" Verbandsgemeinde Vorharz meldet für 2020 plus 120 Einwohner: 12.225 Menschen leben in sechs Ortsteilen

Von Petra Korn 01.02.2021, 14:13
Uwe Fabian (Hausneindorf) ist der neue ehrenamtliche Bürgermeisters der Gemeinde Selke-Aue mit den Ortsteilen Hausneindorf, Heteborn und Wedderstedt.
Uwe Fabian (Hausneindorf) ist der neue ehrenamtliche Bürgermeisters der Gemeinde Selke-Aue mit den Ortsteilen Hausneindorf, Heteborn und Wedderstedt. Urheber: Chris Wohlfeld

Vorharz - Unterm Strich steht ein kleines Plus: Zählte die Verbandsgemeinde Vorharz zum Beginn des vergangenen Jahres 12.208 Einwohner, waren es zum Jahresende 2020 12.225 - 17 mehr. Das resultiert aus einem positiven Wanderungssaldo:

Denn 507 Menschen, die eine der Vorharz-Gemeinden neu als Wohnort wählten oder in sie zurückkehrten, stehen 387 Wegzüge gegenüber. Das bedeutet ein Plus von 120. Allerdings - und das ist nicht nur im Vorharz so - ist die Zahl der Sterbefälle deutlich größer als die der Geburten. 66 Neugeborene gab es im vergangenen Jahr, 169 Bürger starben.

Unterm Strich ein Plus - das wurde für insgesamt sechs Orte bzw. Ortsteile verzeichnet: Alle Geburten und Sterbefälle, Zu- und Wegzüge eingerechnet, hatten Groß Quenstedt und Nienhagen zum Jahresende 2020 jeweils zehn Einwohner mehr als zu Jahresbeginn, in Harsleben waren es sieben, in Rodersdorf sechs und in Deersdorf vier.

An der Spitze aber liegt der zur Gemeinde Selke-Aue gehörenden Ort Hausneindorf: mit einem Zuwachs von 15 Einwohnern. „Wir haben schöne Grundstücke gehabt, die vergeben wurden“, sagt Uwe Fabian, Bürgermeister der Gemeinde Selke-Aue.

Hausneindorf liegt mit einem Zuwachs von 15 Einwohnern an der Spitze

In den Ort gezogen sind so unter anderem auch zwei Familien mit je fünf Kindern, „darüber sind wir sehr erfreut“, so der Bürgermeister. In allen drei Orten sei es so, dass leer werdende Häuser schnell wieder bezogen würden.

Es sei ja auch lebenswert hier, sagt Uwe Fabian und verweist auf ein - jetzt durch Corona ausgebremstes, aber normalerweise - reges Vereinsleben mit aktiven Feuerwehren, Sport-, Heimat-, Schützen- und Fördervereinen. „Wir freuen uns über die Entwicklung und werden auch viel dafür tun, dass wir das weiter fördern“, sagt der Bürgermeister. Dazu gehöre beispielsweise, Bauplätze zu finden, „wir haben eine rege Nachfrage.“

Fast ausgeglichen mit 58 Zu- und 62 Wegzügen ist der Wanderungssaldo in Ditfurt. 2018 und 2019 gab es hier ein Plus, sagt Bürgermeister Matthias Hellmann. „Der große Absturz“, wie es ihn bei der Einwohnerzahl viele Jahre gegeben habe, „ist beendet.“

Er fügt hinzu: „Wenn wir mehr Wohnraum hätten, könnten wir mehr Leute für den Ort begeistern. Die Nachfrage ist ja da.“ Wann immer eine Wohnung, ein Haus leer werde, gebe es schnell neue Nutzer.

„Wenn wir mehr Wohnraum hätten, könnten wir mehr Leute für den Ort begeistern“ 

Wobei sich auch in der Einwohnerzahl widerspiegele, dass Familien früher größer gewesen seien als heute. „Definitiv“ werden die Ditfurter an ihrem Vorhaben festhalten, ein Baugebiet anbieten zu können, sagt Matthias Hellmann. Der Ort profitiere von der Nähe zur Autobahn und zu Quedlinburg. „Wir sind für Pendler ein sehr beliebter Wohnort.“

Mehr Zu- als Wegzüge - 64 zu 57 - wurden im vergangenen Jahr in Hedersleben verzeichnet. Auch hier zeige sich, dass sich momentan besonders Familien auf dem Land ansiedeln würden, sagt Bürgermeister Michael Schmidt.

„Ich glaube, bei den Menschen hat sich das Bild eingeprägt, dass es wichtig und richtig ist, dass Kinder mit einem gewissen Bezug zur Natur aufwachsen.“ Hedersleben habe den Vorteil, dass es hier eine Grundschule und Kindertagesstätte vorhanden seien und der Ort so zentral liege, dass auch Einkaufsmöglichkeiten und viele Dienstleistungen erhalten geblieben seien.

Der Gemeinderat sei sich auch immer einig, dass diese Infrastruktur im Ort gehalten werden müsse. Und dem Rat sei wichtig, dass im Ort auch etwas getan werde für ein angenehmes Wohnen, indem beispielsweise Gehwege und Straßen in Ordnung seien und gebracht würden, sagt Michael Schmidt.

Die Verbandsgemeinde habe in den vergangenen Jahren ihre weichen Standortfaktoren gestärkt, sagt Verbandsgemeindebürgermeisterin Ute Pesselt.

Ute Pesselt: 2020 hat gezeigt, dass Sachsen-Anhalt den Digitalisierungsprozess verschlafen habe

„Drei Grundschulen mit zumutbaren Entfernungen, die ein modernes Lernen gewährleisten können, ein neuer Kindergarten in Harsleben, diverse Mittel zur Stärkung der freiwilligen Feuerwehren und das stete Bemühen, alle Kitas in der Fläche zu erhalten“, listet sie auf - und sieht für den ländlichen Raum Bund und Land in der Pflicht.

2020 habe gezeigt, dass Deutschland, und insbesondere Sachsen-Anhalt, den Digitalisierungsprozess verschlafen habe. Was nützten viele teure, von der Politik geförderte Strategiepapiere, wenn für die Umsetzung das Geld fehle. Die „jahrelange Unterfinanzierung der Kommunen“ räche sich.

Breitband, Straßenausbau, natürlich in erster Linie Bildung, frühkindliche Betreuung, ein ordentlicher ÖPNV seien „seit Jahren bekannte Themen, die in den Trockendocks steckengeblieben sind“. Es wäre schön, so Ute Pesselt, wenn die demokratischen Kräfte „nun endlich die Ärmel hochschieben“ und „den Menschen Perspektiven vor Ort schaffen“. (mz)