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Spitzenküche in Sachsen Anhalt: Zeitwerk in Wernigerode

Von Anja Herold 27.09.2016, 18:05
Florian Raake, der Restaurantleiter im „Zeitwerk“, deckt ein.
Florian Raake, der Restaurantleiter im „Zeitwerk“, deckt ein. Andreas Stedtler Lizenz

Wernigerode - Spitzengastronomie hat es nicht leicht in Deutschland. Selbst berühmte Namen ziehen nicht ausreichend, und ohne angeschlossenen Hotelbetrieb schafft es kaum ein Restaurant der Oberklasse zu überleben.

In Frankreich, klagte kürzlich ein Koch im „Spiegel“, führen die Leute mit Rostlauben vor dem Restaurant vor und gäben große Summen für ein gutes Essen aus. In Deutschland sei es umgekehrt. Mercedes und Schnitzel, könnte man sagen. Man muss also dankbar sein, wenn es gute Restaurants über einen längeren Zeitraum gibt.

„Zeitwerk“ in Wernigerode mit 14 Punkten im „Gault Millau“

Das „Zeitwerk“ in Wernigerode existiert jetzt seit drei Jahren. Chef und Koch gleichermaßen ist der 25-jährige Robin Pietsch, und er sagt, für die Region sei der Zuspruch der Gäste schon okay, man sei aber dennoch auf Neugierige von außerhalb angewiesen.

Große Bergstraße 2a, 38855 Wernigerode

Tel.: 03943/6947884

www.dein-zeitwerk.com

Und die sollten kommen, denn das Essen im „Zeitwerk“ ist unbedingt ein Erlebnis, das schon im „Gault Millau“ mit 14 Punkten belohnt wurde und das, darauf arbeitet Pietsch hin, über kurz oder lang auch im „Michelin“ einen Stern erhalten könnte.

Das Restaurant (zwei Etagen, Holzbalken, rote Wände, Barjazz) ist in einem kleinen Fachwerkhaus in der kleinen Fachwerkstadt zu finden. Der Gast hat beim Bestellen die Wahl zwischen Menüs aus drei Gängen für 35 Euro, fünf für 45 und sieben für 55 Euro. Zu empfehlen ist das große Menü, zum einen zum Sattwerden, zum anderen aber des Genusses wegen.

Nur eine Bemerkung zum Thema Kind: besser zu Hause lassen. Wenn es sich nicht gerade um einen juvenilen Feinschmecker handelt, der gerne mehrere Stunden am Tisch sitzt.

Unerwartet umwerfende Spitzenküche im „Zeitwerk“

Um uns nicht ständig wiederholen zu müssen, schütten wir den Komplimentekübel gleich anfangs aus: Alles hat umwerfend gut geschmeckt, und nichts, wirklich gar nichts war erwartbar.

Gruß des Hauses Numero eins war ein knuspriges und äußerst pikantes Beef Jerky. Das ist ein Stück Steakhüfte vom Rind, 24 Stunden lang bei 45 Grad im Ofen getrocknet, anschließend bestrichen mit Gorgonzolacreme und einer Dilltextur und selbst geräuchertem Salz bestreut.

Serviert auf einem flachen Stein und so angerichtet, dass es wie ein Baum aussah. Naturnah, so die Absicht dahinter. Nummer zwei war ein Gläschen „Pellkartoffelschaum & Kohle“, wobei sich letztere als eine kleine karamellisierte Kartoffel erwies.

Darauf die erste Vorspeise: Zucchinimousse mit Chili, angerichtet in einem ganzen Stück mit Gewürzen panierter Zucchini, mit Apfelconfite - einer Art Apfelsauce mit Stückchen -, angeschwenkten Mandeln und einer kandierten Apfelscheibe. Dann: weiße Tomatenessenz mit Pfifferlings-Dim-Sum und einem Chip aus getrockneter Tomate.

Dim Sum kommt aus dem Chinesischen, bedeutet „das Herz berühren“ und bezeichnet kleine, meist gedämpfte Gerichte. In unserem Fall eine kleine Teigtasche mit der Pilzfüllung und Tomatenmousse. Entstanden aus einer geklärten Suppe aus weißen Tomaten, durch ein Tuch passiert und anschließend mit Perl Sago aufgekocht.

Und dann der, wir vergeben den Preis jetzt mal, Höhepunkt des Mahls: Schweinebauch-Ragout. Ja, klingt langweilig und schlicht, war aber, na ja, siehe oben. Das Fleisch wurde auf einen dunkel angeschwitzten Röstfond gelegt und im Ofen bei gut 140 Grad ca. 13 Stunden gegart. Kurz vorm Servieren große Hitze, dann noch mal frisch angebraten.

Dazu gab es ein kandiertes Sellerieblatt und rote Beete, obenauf eine Selleriecreme. Serviert in einem Stück Knochen. Schneeweiß und geruchsneutral, versteht sich. Wir haben eine Weile gebraucht, um das Gefäß zu identifizieren, müssen wir gestehen. Und fanden es dann ganz lustig.

Grüße aus der Küche des „Zeitwerk“

Dann, wiederum ein Gruß aus der Küche, kamen einige Scheiben Baguette und ein Gläschen frisch aufgeschlagener Butter, mit Salz und Pfeffer gewürzt. Hatte eine verblüffend sahnige Konsistenz.

Das nächste Vorher war ein Stück Fjordforelle mit Erdbeertextur, einer lauwarmen Erdbeersauce, einem Chip aus getrockneten Erdbeeren, einem hauchdünn geschnittenen und aufgerollten Stück Gurke und Forellenkaviar.

Ach, und dann wieder! Erneuter Gruß aus der Küche: Eine Art - mal ganz profan ausgedrückt - Eis: Gin Tonic mit Gurkenreduktion und Limette. Dazu wird eine Gurke püriert, passiert, Limette daran gegeben und mit Gin Tonic verrührt. Das Stück Limette, ebenfalls einen Tag lang bei 80 Grad getrocknet und mit Puderzucker und Zitronensaft verfeinert, ergänzt das Ganze.

Nun der Hauptgang: Fleischloses Parmesanrisotto mit verschiedenem Gemüse, das in Butter glasig geschwitzt und in ein wenig Geflügelbrühe bissfest gegart wurde. Das Ganze gab es dann noch einmal mit Fleisch, und zwar mit einem Stück Roastbeef „Sous Vide“. Das heißt soviel wie rückwärtsgegart und bedeutet, dass das Fleisch erst im Wasserbad gegart und dann frisch angebraten wird.

Den Abschluss machte ein Schoko-Crumble mit Joghurt-Rosmarin-Eis mit Blaubeeren, Pfirsich und Kürbiskern. Und es gab eine kleine Käseplatte, bestehend aus Schnittkäse mit Schwarzasche, Hartkäse mit Braunasche und einem Weichkäse mit Weißschimmel; alle in der Normandie hergestellt und begleitet von etwas Mango-Quark.

Übersichtliche Weinkarte im „Zeitwerk“

Zu den Menüs kann übrigens eine Weinbegleitung gewählt werden. Wir verzichteten darauf und entschieden uns für einen Grauen Burgunder aus Bischoffingen in Baden (7 Euro). Die Weinkarte ist nicht übermäßig lang, neben deutschen werden auch Tropfen aus Australien, Chile und Österreich serviert.

Im „Zeitwerk“ werden auch Kochkurse angeboten. Jeden zweiten Samstag kann im oberen Stock des Restaurants in einer Profiküche ein Drei-Gänge-Menü für zu Hause erlernt werden. Dass man damit je die Klasse der Supermänner der Küche erreicht, darf bezweifelt werden.

Die Kreativität und die Akribie sind ja, neben den hochklassigen Zutaten, vermutlich der kleine große Unterschied zwischen einem Sternekoch und unsereinem. Unsere Grenzen haben wir an dem Abend im „Zeitwerk“ wieder ganz deutlich erkannt. (mz)

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