Schritt in die Selbständigkeit Schritt in die Selbständigkeit: "Ich habe ihnen den Laden abgekauft mit DDR-Geld"

Ermsleben - „Die Banken wollten mir keinen Kredit geben: Mit 21 macht sich keiner selbstständig“, sagt Susanne Eschen. Vor 30 Jahren war das, als die Friseurin sich in Ermsleben einen Traum erfüllen wollte: einen eigenen Salon. Und so hätte Susanne Eschen 2020 allen Grund zur Freude gehabt. Sie hätte ihr Betriebsjubiläum auch gerne gefeiert, doch stattdessen musste sie - vorübergehend - schließen: Der Lockdown im März hat sie und ihre drei Mitarbeiter hart getroffen.
„Das war ein Schlag ins Gesicht“, sagt sie. „Mein Jubiläum fiel genau in die Schließzeit. Und 30 Jahre, das ist schon eine Hausnummer.“ Im März hatte sie auch den Laden renoviert; durch den Lockdown haben „die Kunden das teilweise erst jetzt mitbekommen“.
Als Modell den Kopf hingehalten
In den drei Jahrzehnten, sagt sie, habe sie sich „einen kleinen Namen erarbeitet“. Angefangen hat ihre Berufsgeschichte - in einem Friseursalon. „Eigentlich bin ich jede Woche mit meiner Mutter zum Friseur gegangen. Sie hat sich wöchentlich die Haare machen lassen. Das war immer ein kleiner Freitags- oder Samstagsausflug“, erzählt sie.
Später habe sie angefangen, ihren Freunden die Haare zu schneiden, und dann schließlich selbst den Kopf hingehalten als Modell für verschiedene Frisuren. Ein „Schlüsselerlebnis“, wie sie sagt, denn nach jedem Modellsitzen habe sie sich zu Hause die Haare gewaschen... „Die Frisuren waren alle toll, ich fand sie nur zu viel toupiert und geföhnt. Ich dachte mir: Du möchtest das anders machen“, erzählt sie von dem nun geweckten Berufswunsch.
Neben der Arbeitdie Meisterausbildung
Mitte der 80er-Jahre lernt Susanne Eschen bei der Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) in Aschersleben ihr Handwerk, wird in Ermsleben Salonleiterin. Dann kommen die Wende und die Ungewissheit, was aus den Außenstellen der PGH werden soll. „Ich habe ihnen den Laden abgekauft, mit DDR-Geld“, sagt sie.
Nun hat sie zwar einen eigenen Salon, aber keinen Meisterbrief. Zwei Jahre Zeit hat sie für diesen Abschluss und fährt dafür dreimal in der Woche zur Meisterausbildung nach Halle. „Nebenbei habe ich gearbeitet.“
„Ich bin ein Fan von Sachen, die neu rauskommen“
Aufgehört zu lernen hat Susanne Eschen bis heute nicht: „Ich bin ein Fan von Sachen, die neu rauskommen“, erzählt sie und nennt als Beispiel den Calligraphy Cut. Die patentierte Haarschneidetechnik hat die Friseurin auf einer Messe gesehen, wollte das unbedingt auch machen und erwarb die Lizenz - mit dem Calligraphen umgehen darf nicht jeder.
„Wir kochen seit einem halben Jahr auf halber Flamme“
Sie hat auch selbst Berufsnachwuchs ausgebildet, doch mit Lehrlingen sieht es derzeit schlecht aus, sagt Susanne Eschen und verweist auf die Lohnunterschiede zwischen Stadt und Land.
Doch Susanne Eschen ist keine Frau, die jammert. Auch nicht in Corona-Zeiten. „Das hat jeden getroffen, die Umsätze sind weg“, sagt sie. „Ohne Notgroschen geht es nicht. Wir kochen seit einem halben Jahr auf halber Flamme.“ Aber sie erwartet Unterstützung von der Politik. Resignieren will sie nicht, dazu macht ihr der Beruf zu viel Spaß: „Ich möchte arbeiten, bis ich 70 bin.“ (mz)