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Schmiedehandwerk  Schmiedehandwerk : Männer, die 350 Mal Stahl falten können

Von Sabine Herforth 03.08.2017, 11:55
Michael Zwingelberg (r.) und Frank Ritter zeigen Besuchern, wie sie mit Hilfe ihres 50-Kilogramm-Fallhammers Damaststahl herstellen.
Michael Zwingelberg (r.) und Frank Ritter zeigen Besuchern, wie sie mit Hilfe ihres 50-Kilogramm-Fallhammers Damaststahl herstellen. Chris Wohlfeld

Mägdesprung - Mit einem lauten Knall saust der Hammer auf den glühenden Stahl und verformt das Metall. Dann hebt sich das Ungetüm allmählich wieder, bis der 50 Kilogramm schwere Hammerkopf erneut nach unten fällt.

Frank Ritter sitzt davor und zieht und dreht an dem glühenden Stück Stahl, bis es die gewünschte Form hat.

Beobachtet wird er dabei von vielen Schaulustigen. Sie nutzten die Gelegenheit, einen Blick in die Schmiedewerkstatt in Mägdesprung zu werfen, in der ganz besondere Unikate entstehen: kunstvolle Klingen aus Damaszener Stahl.

Handwerk wurde sich selbst beigebracht

„Wir haben früher schon geschmiedet, das hat uns interessiert“, erklärt Frank Ritter, der meistens gemeinsam mit Michael Zwingelberg in der Damastschmiede steht.

Beide haben sich das Handwerk nicht in einer Ausbildung, sondern autodidaktisch angeeignet. Doch irgendwann wollten die beiden mehr lernen und setzten sich einige ambitionierte Ziele. „Wir haben uns für die alten Techniken interessiert und versucht es nachzumachen“, erzählt Ritter.

Schließlich wagten sie sich auch an aufwendigen Damaszenerstahl, den sie in ihrer Werkstatt selbst herstellen. Der hat allerdings seine Tücken und ist selbst für erfahrene Schmiede eine echte Herausforderung.

„Es kann immer etwas schief gehen, dann ist die ganze Arbeit kaputt“, weiß der 58-Jährige aus Erfahrung.

320 Schichten Stahl übereinander

Vom einfachen Stahl bis hin zu einem fertigen Messer dauert es viele Stunden, in denen der Schmied sich keinen Fehler erlauben darf. Zu Beginn werden mehrere Stahlpäckchen - zusammengestellt aus verschiedenen Sorten - nebeneinander platziert und zusammengeschweißt. Das Ganze wird dann mühselig unter dem Reckhammer bearbeitet und immer wieder geschichtet.

„Wir falten den Stahl solange, bis wir 320 Schichten erreicht haben“, erklärt Ritter.

Vergleichbar sei das in etwa mit dem Herstellen von Blätterteig - nur dass der Schmied ein extrem gutes Gespür für die Temperatur des Stahls haben müsse.

Denn die Kerntemperatur - diese muss knapp über 1.000 Grad liegen - darf nur minimal abweichen. „Höchstens 50 Grad, sonst habe ich alles verdorben“, erklärt Frank Ritter. Ist die Temperatur zu hoch, blättert das Eisenoxid von der unfertigen Klinge, und „ein ganzer Arbeitstag ist zunichte“.

Muster wird erst spät nach dem Anätzen sichtbar

Sind die Schichten schließlich erfolgreich zusammengefügt, kann der nächste Arbeitsschritt beginnen. Aus dem Metallstück wird dann allmählich ein Rohling. Jetzt erfährt der Schmied endlich, ob sich die ganze Arbeit gelohnt hat.

„Durch Anätzen der unterschiedlichen Schichten wird das Muster erst sichtbar“, so Ritter weiter. Wellenförmige Linien und ungleichmäßige Kreise kommen zum Vorschein - bei jedem Werk sehen sie anders aus.

„Jedes Stück ist ein Unikat. Wir stellen hier Kleinstmengen her, alles genau nach den alten Techniken.“

Gute drei Jahre brauchten Frank Ritter und Michael Zwingelberg, bis sie die Techniken so gut beherrschten, dass am Ende qualitativ hochwertige Arbeiten herauskamen.

Dabei wurden sie immer wieder von anderen Schmieden unterstützt, mit denen sie ihre Erfahrungen austauschten.

Reckhammer wurde nachgebaut

Zeit also, eine weitere Herausforderung anzugehen: den Reckhammer. In vielen Monaten bauten sie diesen so authentisch wie möglich nach mit dem Ziel, „nach der Tradition, wie es in Mägdesprung früher einmal war“, zu arbeiten.

Mühsam wurde dafür studiert, wie der Hammer aufgebaut werden muss, wurden Teile beschafft und gebaut und - darauf bestand sein Nachbar Bruno, der beim Nachbau mit viel Herzblut anpackte - auch Nägel selbst geschmiedet.

Der Hammer wurde dem inzwischen verstorbenen Helfer gewidmet und trägt ein Schild mit dessen Namen.

Inzwischen haben sich die Schmiede viel Wissen angeeignet und sich einiges an Routine erarbeitet. Dennoch soll es auch in Zukunft ein Hobby bleiben, an dem Frank Ritter, Michael Zwingelberg und ihre Besucher gleichermaßen Freude haben.

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Seit dem Spätmittelalter werden sogenannte Reckhämmer eingesetzt, um Metall zu formen. Sie wurden bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs genutzt und - so auch viele Jahre in Mägdesprung - meistens mit Wasserkraft betrieben. Dabei wird der Hammer durch eine Welle angehoben, auf der „Daumen“ befestigt sind. Sie drücken den Hammerstiel in immer gleichen Bewegungen nach unten, so dass sich der Hammerkopf anhebt - und wieder nach unten fällt. Mit dem Hammerkopf - dessen Eigengewicht genügt - wird der glühende Stahl Schlag für Schlag geformt. So können mit Wasserkraft nicht nur Messer, sondern auch Werkzeuge und andere Gebrauchsgüter angefertigt werden. (mz)

Durch Anätzen werden die vielen Stahlschichten sichtbar.
Durch Anätzen werden die vielen Stahlschichten sichtbar.
 Fotos Wohlfeld