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Schloss Ballenstedt  Schloss Ballenstedt : Wie früher - und doch ganz anders

Von Rita Kunze 10.06.2018, 12:56
Amtsleiter Christian Mühldorfer-Vogt und Bürgermeister Michael Knoppik sehen sich die Renovierungsarbeiten im Schloss an.
Amtsleiter Christian Mühldorfer-Vogt und Bürgermeister Michael Knoppik sehen sich die Renovierungsarbeiten im Schloss an. Jürgen Meusel

Ballenstedt - Wenn das Ballenstedter Schloss in diesem Sommer seine Türen für Besucher öffnet, dann wird sein Südflügel nicht wiederzuerkennen sein.

Vorbei die Zeiten, in denen die Räume mit weiß gestrichenen Wänden zumeist nur als Kulisse für wechselnde Ausstellungen dienten.

„Wer in ein Schloss kommt, der will wissen, wie die Menschen dort gelebt haben“, sagt Ballenstedts Bürgermeister Michael Knoppik.

Schloss Ballenstedt: Acht Zimmer erneuert

Aus der Idee, nur ein Zimmer mit historischen Möbeln einzurichten, ist etwas deutlich Größeres geworden.

Künftig wird es ein ganzer Rundgang sein, mit dem sich der Alltag im Schloss nachvollziehen lässt. Möglich wurde das durch die guten Kontakte zum Kunsthistoriker Carl Ludwig Fuchs aus Dessau.

Der Experte für antiken Schmuck und Möbel hat maßgeblich dazu beigetragen, dass nunmehr acht Räume stilecht präsentiert werden können.

Das Mobiliar stammt aus der Zeit von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1945.

Schloss Ballenstedt: Möbel kamenaus Heidelberg

Fuchs kennt sich aus mit Schlössern: Der 1945 in Aken geborene Kunsthistoriker - und Nachfahre des „Alten Dessauers“, Fürst Leopold I. - hat seine Doktorarbeit über das Schwetzinger Schloss geschrieben und war unter anderem stellvertretender Direktor am Kurpfälzischen Museum der Stadt Heidelberg.

Viele der Möbel, die bald im Ballenstedter Schloss zu sehen sein werden, sind durch seine Mithilfe in den Harz gelangt - als Leihgaben, zum Teil mit Vorkaufsrecht, als Schenkungen, aber auch als Ankäufe der Stadt.

Schloss Ballenstedt: Für ein Zimmer zuviele Möbel

„Die Grundidee ist im ganzen Verfahren gewachsen“, erklärt Knoppik. Ursprünglich sei es nur die Kompletteinrichtung eines Zimmers gewesen, die im vergangenen Jahr aus Karlsruhe nach Ballenstedt kam.

„Wir haben gemerkt, dass es für ein Zimmer viel zu viel ist“, so Knoppik.

Fuchs habe weiter seine Kontakte genutzt, so dass mit unterschiedlichem Mobiliar schließlich viele Räume eingerichtet werden können.

Christian Mühldorfer-Vogt, Amtsleiter für Bürgerservice und Kultur, sieht darin einen „echten Glücksfall“: „Das ist sein Spezialgebiet, das ist wissenschaftlich fundiert“, sagt er über Fuchs’ Beteiligung an der Neugestaltung der Räume.

„Es ist hochspannend, wie er das gemacht hat.“

Fotos oder Dokumente, auf die man hätte zurückgreifen können, sind rar. Laut Knoppik gibt es Fotografien von drei Räumen aus dem Jahr 1940.

Kolorierte Handskizzen vermitteln einen Eindruck von der einstigen Farbigkeit mancher Zimmer. „Carl Ludwig Fuchs hat davon Ableitungen vermittelt“, sagt Knoppik.

Schloss Ballenstedt: Rot, gelb, blau

Die Stühle, Spiegel, Kronleuchter und anderes Interieur werden dem Südflügel speziellen Charakter geben.

Schon jetzt haben die Räume gewonnen: Durch die neue, kräftige Farbgebung kommen das kunstvoll gearbeitete Parkett und die prachtvollen Stuckdecken erst wieder zur Geltung.

Heizkörper wurden zum Teil entfernt und neu installiert, so dass sie kaum zu sehen sind.

„Jedes Zimmer hat eine eigene Bestimmung“, so Knoppik. Wo sich früher der Eingangs- und Kassenbereich zur Galerie befunden hat, entsteht das Empfangszimmer.

Dort werden nur Stühle stehen: Wer beim Herrscher vorsprechen durfte, musste zunächst einmal warten. Mehr Möbel waren deswegen nicht nötig.

Schloss Ballenstedt: Rokoko im Römerzimmer

Rechts vom Empfangszimmer wird - ganz in Rosa - das Musikzimmer eingerichtet.

Auf der linken Seite geht es weiter ins sogenannte Römerzimmer mit seinen typischen Malereien an den Wänden. Wer die Gemälde schuf, ist unbekannt.

Weiße Stühle und eine Rokoko-Kommode sollen den Raum künftig komplettieren. In den folgenden Zimmern sind die Wände weinrot, gelb und dunkelblau gestrichen.

„Durch die Farbgebung bekommen sie einen völlig anderen Charakter“, sagt Knoppik. Aus Kostengründen hat die Stadt auf das Anbringen von Tapeten verzichtet.

Die Möblierung wird ihren Teil dazu beitragen, dass der Gesamteindruck stimmt.

Das gilt für das Boule- und das Arbeitszimmer wie für das Schlafzimmer, das mit einem Himmelbett und einer Frisiertoilette ausgestattet ist.

Schloss Ballenstedt: Festtafel im weißen Saal

Auch der „weiße Saal“ wird in den Rundgang einbezogen - und behält als einziger seine Farbe.

In ihm wird eine Festtafel aufgebaut und nach altem Vorbild eingedeckt werden, so dass auch ein Eindruck von der höfischen Tischkultur vermittelt werden kann.

Für die Kinder der Herzogsfamilie wird freilich ein kleines Räumchen hinter dem Speisezimmer viel interessanter gewesen sein: das Schokoladenzimmer, in dem das Kindermädchen den Kakao zubereitet hat.

Zugang gibt es nur über eine Treppe, die mit einem Seilzug herabgelassen wird.

Ist die Treppe hochgezogen und die Tür verschlossen, verschwindet das „Schokoladenzimmer“ aus dem Blickfeld.

„Das ist genial, dass man so die Chance hat, hinter die Kulissen feudalen Lebens zu gucken“, sagt der Bürgermeister.

(mz)