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Körperverletzung Schläger mit Bierflasche muss 300 Euro an Opfer zahlen und bekommt Bewährung: Prozess am Amtsgericht Halberstadt

Von Benjamin Richter 06.09.2019, 05:56

Halberstadt/Wegeleben - Das hätte auch anders ausgehen können: Einen heute 21-jährigen Halberstädter, der im vergangenen September einem 15-Jährigen eine Bierflasche auf den Kopf geschlagen und eine Platzwunde zugefügt hatte, verurteilte das Amtsgericht Halberstadt am Donnerstag zu einer Wiedergutmachung von 300 Euro.

Die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe wurde zur Bewährung auf 18 Monate ausgesetzt. Richter Marten Balko entschied auf gefährliche Körperverletzung, wendete aber das Jugendstrafrecht an, da der Angeklagte zur Tatzeit noch 20 Jahre alt war. „Im allgemeinen Strafrecht wäre es bei sechs Monaten Freiheitsstrafe erst losgegangen“, legte er dar.

„Ich habe zu ihm gesagt: Willst du uns bestehlen?“, sagte der Angeklagte vor Gericht aus

Zu Beginn der Verhandlung hatte der Halberstädter von seinem Recht Gebrauch gemacht, das Geschehene aus seiner Sicht darzulegen. Demnach sei er am 5. September 2018 in Halberstadt mit Bekannten in den Harz-Elbe-Express nach Aschersleben eingestiegen.

Er habe zu der Zeit mit dem Handy telefoniert und sich in eine hintere Reihe gesetzt, schilderte der Angeklagte. Dann habe sich der 15-Jährige, der aus Syrien stammt, in seine Nähe gesetzt. „Ich habe zu ihm gesagt: Willst du uns bestehlen?“, berichtete der junge Mann.

Auf Nachfrage von Richter Marten Balko erklärte er das damit, dass er zwei Tage zuvor die Droge Crystal Meth konsumiert habe und sich in der Folge noch paranoid verhalten habe. Zudem habe er vor der Zugfahrt Bier getrunken.

Der erste Schlag sei von dem Syrer ausgegangen, behauptet der Angeklagte vor Gericht

Nachdem der junge Syrer ihn fragte, ob er Drogen genommen hätte, habe sich die Situation hochgeschaukelt. Der Syrer habe Freunde angerufen, die den damals 20-Jährigen am Ausstiegspunkt erwarten sollten. Auch der erste Schlag, so der Angeklagte, sei von dem 15-Jährigen ausgegangen.

Er selbst habe sich weggedreht, um dem Schlag auszuweichen, und den jungen Syrer dabei aus Versehen mit der Bierflasche in seiner Hand am Kopf getroffen.

Dass diese Version sich nicht mit der Schilderung deckt, die der Angeklagte der Bundespolizei gab, die ihn kurz nach der Tat aus dem Zug holte, schob Richter Balko ein. Von einem Schlag des Syrers, betonte er, sei damals keine Rede gewesen.

Richter: Gegenüber der Bundespolizei kurz nach der Tat war keine Rede von einem Schlag des Syrers

„Es verwundert, dass Sie damals ausgerechnet den Umstand vergessen haben sollen, der Sie am meisten entlastet“, fügte er hinzu und empfahl den Prozessbeteiligten ein Rechtsgespräch, um sich auf eine Lösung zu verständigen. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit tauschten sich dann die Verteidigerin, die Anwältin des Opfers, Richter Balko, Staatsanwalt Klaus Bleuel und die Schöffen aus.

Bei seiner Entscheidung berücksichtigte Balko „erhebliche Reifeverzögerungen“ des Angeklagten als mildernden Umstand, was letztlich den Ausschlag zur Anwendung des Jugendstrafrechts gegeben habe.

Da die Mutter des Opfers keine Anzeige wegen Beleidigung erstattet hatte, habe die Staatsanwaltschaft die fremdenfeindlichen Äußerungen des Täters während des Streits nicht in der Anklage berücksichtigen können, erläuterte Klaus Bleuel auf MZ-Anfrage.

Rassistische Pöbeleien des Angeklagten spielten keine Rolle vor Gericht, weil die Mutter des Opfers keine Anzeige erstattet hatte

Die Mobile Opferberatung hatte zuvor kritisiert, die Staatsanwaltschaft reduziere die rassistischen Pöbeleien auf eine „verbale Auseinandersetzung“. „Ob dabei eine ausländerfeindliche Grundeinstellung eine Rolle gespielt hat, kann man nicht sagen“, erklärte Richter Balko. Der Angeklagte habe sich bei dem Opfer aber inzwischen glaubhaft entschuldigt. (mz)