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Rostig und richtig riskant Rostig und richtig riskant: Eine Browning liegt unterm Holunderbusch

Von Benjamin Richter 31.05.2019, 13:43
In ihrem Garten findet eine Thalenserin am Freitag beim Anlegen eines Gemüsebeets eine Pistole, die seit dem Zweiten Weltkrieg dort lag.
In ihrem Garten findet eine Thalenserin am Freitag beim Anlegen eines Gemüsebeets eine Pistole, die seit dem Zweiten Weltkrieg dort lag. Richter

Thale - „Ich habe vorher noch im Scherz gesagt, vielleicht graben wir einen Schatz aus“, sagt eine Anwohnerin in der Neustädterstraße in Thale. Jahrzehntelang lag der Garten brach, in dem sie nun ein Gemüsebeet anlegt.

Damit, dass rund einen halben Meter unter der Oberfläche, im Wurzelwerk eines Holunderbusches, tatsächlich eine Überraschung auf sie wartete, hatte sie jedoch nicht ernsthaft gerechnet. Umso größer ist der Schreck, als sie am Freitagmorgen mit dem Spaten auf eine Pistole stößt.

Die Waffe ist komplett verrostet, von außen lässt sich nicht erkennen, ob ihr Griff Patronen enthält. Falls ja, dürften auch diese bereits stark verwittert und damit hochexplosiv sein.

Sofort ruft die Thalenserin ihren Nachbarn Jens Rennecke zu Hilfe, der umgehend einen Notruf an das Polizeirevier Harz absetzt. Damit ihre Kinder nicht mit der Waffe in Berührung kommen, legt die Frau die Pistole auf einem Taschentuch an ihre Hauswand und deckt sie mit einem Obstkorb ab.

FN Browning Modell 1922: Zehntausende Exemplare in alle Teile Europas geliefert

Eine kurze Suche im Internet bringt ihr den Namen der rostigen Schusswaffe, die wahrscheinlich schon seit dem Zweiten Weltkrieg hier liegt.

FN Browning Modell 1922, von einem belgischen Hersteller“, hat sie herausgefunden. Das markante Firmenlogo über dem Griff half ihr bei der Suche.

Zehntausende Exemplare der Einzelfeuerpistole lieferte der Fabrikant in den 1930er und 1940er Jahren in alle Teile Europas. Mit dem Vorgängermodell, der FN Browning Modell 1910, wurde das Attentat von Sarajevo begangen, das den Ersten Weltkrieg auslöste.

Mitarbeiterin des Ordnungsamtes Thale musste unverrichteter Dinge gehen

Später trifft eine Mitarbeiterin des Ordnungsamts Thale ein. „Sie hatte keine Ahnung von Waffen“, schildert Rennecke. Zudem hätte sie die verrostete Pistole in ihrem ungepanzerten Auto nicht transportieren können. Unverrichteter Dinge sei sie wieder gegangen.

Jens Rennecke verständigt den Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes in Magdeburg. Um 14 Uhr, dreieinhalb Stunden nach seinem ersten Notruf, treffen Experten des Dienstes aus Dessau ein.

„Sie haben festgestellt, dass die Waffe echt und gefährlich ist“, erklärt Rennecke. Es sei tatsächlich ein Magazin in der Pistole gewesen. Im Schritttempo habe der gepanzerte Wagen mit der Pistole das Wohngebiet verlassen.

„Für die Bevölkerung geht von der Waffe keinerlei Gefahr mehr aus,“ sagte ein Polizeisprecherin

Eine Sprecherin der Polizeiinspektion Zentrale Dienste in Magdeburg bestätigt, dass die Waffe aus dem Zweiten Weltkrieg stammt. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst gehört zu der Polizeiinspektion. „Für die Bevölkerung geht von der Waffe keinerlei Gefahr mehr aus“, teilt die Sprecherin mit. Dazu, ob sich Patronen in der Pistole befänden, könne sie noch keine Aussage treffen.

Von den Behörden fühlen sich Rennecke und die Anwohnerin dennoch ein Stück weit im Stich gelassen. „Wir waren mit drei Stellen in Kontakt, und keine hat uns Tipps gegeben, wie wir uns zu verhalten haben“, moniert der Thalenser. „Man hat uns mit einer potenziell hochexplosiven Kriegswaffe alleingelassen.“

Stundenlanges Warten macht Ausflugstag zunichte

Dass letztendlich beim Abtransport alles glatt gegangen sei, ändere nichts daran, dass es an der Gefahrenprävention gemangelt habe. Die stundenlange Wartezeit auf den Räumtrupp machte zudem die Ausflugspläne der Familie an dem Brückentag zunichte.

„Warum an die Bewohner keine Hinweise gerichtet wurden, weiß ich nicht“, erklärt die Sprecherin der Polizeiinspektion Zentrale Dienste.

„Für den Kampfmittelbeseitigungsdienst kann ich sagen, dass die Räumtrupps jeden Tag zu vielen Fundstellen ausrücken. Dementsprechend kommt es zu Verzögerungen.“ (mz)