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Raubtierangriffe im Harz Raubtierangriffe im Harz: Schäferin Kathleen Bauschke: "Das Maß ist einfach voll"

Von Sabine Herforth 03.11.2017, 12:55
 Schäferin Kathleen Bauschke hat einen Knochenjob - und trotz  der Luchs-Angriffe auf ihre Herden die Freude an ihrer Arbeit nicht verloren.
 Schäferin Kathleen Bauschke hat einen Knochenjob - und trotz  der Luchs-Angriffe auf ihre Herden die Freude an ihrer Arbeit nicht verloren. Urheber: Chris Wohlfeld

Ballenstedt - Die friedlich kauenden Schafe ahnen nichts von dem Jäger, der nur wenige Meter entfernt auf seine Chance lauert „und den gedeckten Tisch beobachtet“, wie es Kathleen Bauschke von der Bergschafschäferei Ermsleben beschreibt.

Kaum ist der Herdenschutzhund kurz abgelenkt, nutzt der Luchs seine Gelegenheit, überwindet den Zaun, schnappt sich ein Tier.

Raubtierangriffe im Harz: Mehrfache Luchsattacken am Schierberg

Schon länger hat Bauschke Probleme mit den Raubkatzen, die immer wieder Tiere reißen. In einer Herde, die sich am Schierberg bei Ballenstedt aufhielt, „hatten wir diesen Sommer mehrfach Luchsattacken“, berichtet sie.

Erst die Beobachtungen von Anwohnern brachten sie auf die richtige Spur, wer da in ihrer Herde wütete.

Allein zehn Mutterschafe verlor sie hier. Und auch Lämmer wurden angegriffen - zu einfach lässt sich die reizvolle Beute von den Raubkatzen erwischen.

Ungewöhnlich bei den Vorfällen am Schierberg sei die Unruhe der Herde gewesen.

„Es gab auch viele Kehlbisse an halbwüchsigen Lämmern, die nicht tödlich endeten“, erzählt Kathleen Bauschke. Etwas, das einem ausgewachsenen Jäger nicht passieren würde. Ein junger Luchs habe hier vermutlich gerade das Jagen gelernt, vermutet die Schäferin.

Raubtierangriffe im Harz: Einen Bogen um den Schutzhund machen

Auf dem unübersichtlichen Gelände haben es die Räuber leicht, in die Schafherde einzudringen, Beute zu schnappen und zu verschwinden, bevor der Herdenschutzhund überhaupt reagieren kann.

Denn die Raubkatzen wissen ganz genau, um wen sie einen Bogen machen müssen. „Er macht seinen Job“, betont Bauschke, dass der Kangal die Attacken nicht verhindern könne.

Auf freier Ackerfläche könne der Hund die Herde leichter überblicken. Doch dafür seien die Schafe ja schließlich nicht da, erklärt Kathleen Bauschke. „Sie pflegen hier Naturschutzgebiete.“

Ein einfaches Schafleben sei das nicht, denn was die Herde abgrast sei Hungerfutter. „Das ist harte Arbeit für die Schafe, die auf Nährstoffe verzichten müssen.“

Raubtierangriffe im Harz: Luchs wütete auch am Osterteich

Auch in einer Herde am Osterteich bei Rieder wütete ein Luchs, verletzte Schafe. „Diese Tiere konnte man nicht mal mehr dem Schlachter zuführen“, erzählt die Schäferin.

Zwar gebe es eine Entschädigung, diese decke aber mitnichten die eigentlichen Kosten. Auf einem Großteil des Schadens bleibe sie sitzen. „Meine Arbeit wird nicht ersetzt“, so Bauschke.

Dass Luchs und Wolf von vielen willkommen geheißen werden, kann sie nicht verstehen. Von Argumenten, sie müsse ihre Herden besser schützen, hält sie nichts.

„Es wird sich so einfach gemacht - so geht das aber nicht“, beklagt sie. Ein elektrischer Zaun würde keinen der Räuber ab-, sondern vor allem die Schafe auf einem Areal halten. „Wolf und Luchs beeindruckt das nicht“, sagt sie.

„Man müsste ja Hochsicherheitstrakte machen - in einem Naturschutzgebiet.“ Die Barriere, die Bauschke um ihre Herden baut - ein hüfthoher Elektrozaun - sei für die Raubkatzen allerdings „lachhaft“.

Raubtierangriffe im Harz: Schafe wittern den Luchs nicht

„Die Schafe wittern diesen Luchs nicht“, weiß die Schäferin, dass der lautlose Jäger blitzartig zuschlägt.

Beim Wolf verhalte sich das anders: „Das ist wie ein Fuchs im Hühnerstall“, vergleicht Bauschke. Dringe ein Wolf oder gar ein Rudel ein - einen Angriff musste die Schäferin bisher nicht beklagen - geraten die Schafe in Panik, brechen aus ihrer Eingrenzung aus und verstreuen sich.

Als Schäferin habe sie nicht die Möglichkeiten, sich gegen derartige Attacken zu rüsten und ihre Herden verlässlich vor Luchsen oder Wölfen zu schützen, erklärt Kathleen Bauschke.

Raubtierangriffe im Harz: Ohne Flinte nicht regulierbar

„Diese Tiere sind schlau - und ohne Flinte nicht regulierbar“, findet sie deutliche Worte.

„Hier in diesem stark besiedelten Gebiet gibt es den Platz nicht mehr für diese Tiere“, begründet sie ihre Einstellung. „Die Tiere gehören nicht hier her“, appelliert sie vor allem an die Politik. „Das Maß ist ganz einfach voll. Es ist kein Wunder, dass es keine Schäfer mehr gibt.“

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Lange Haarpinsel an den Ohrspitzen sind das charakteristische Erkennungsmerkmal von Luchsen. In freier Wildbahn werden die Raubkatzen zwischen fünf und 15 Jahre alt. Vor allem Paarhufer, aber auch andere Tiere wie Feldhasen, junge Wildschweine, Dachse - oder eben Schafe - stehen auf ihrem Speiseplan. Der besteht im Durchschnitt aus ein bis zweieinhalb Kilo Fleisch am Tag.

Luchse sind vor allem nachts aktiv und Kurzstreckensprinter und waren früher fast in ganz Europa verbreitet. 200 Jahre nachdem er in vielen Gebieten als ausgerottet galt, kehrt er nach und nach zurück. Der Luchs genießt eine ganzjährige Schonzeit, darf also nicht bejagt werden. Auf der Roten Liste Deutschland wird er als vom Aussterben bedrohte Tierart geführt. (mz)

An den Gegensteinen sorgen die Schafe dafür, dass das Naturschutzgebiet nicht zuwuchert. Für Luchse ist das unübersichtliche Areal ideal.
An den Gegensteinen sorgen die Schafe dafür, dass das Naturschutzgebiet nicht zuwuchert. Für Luchse ist das unübersichtliche Areal ideal.
Chris Wohlfeld