Rasenflächen Beete Wege Rasenflächen Beete Wege: Wildschweine toben sich in Treseburg im Harz aus

Treseburg - „Du kannst dein Haus umbenennen - in ,Wildschwein‘“, sagt Erhard Röppnick zu Daniela Neubarth. Sie betreibt in Treseburg die Pension „Wildstein“, unweit seines Elternhauses. Galgenhumor geht noch. Ansonsten ist den beiden nicht mehr zum Lachen zumute.
Denn seit Monaten wütet das Schwarzwild im Ort. „Ich habe keinen Garten mehr“, sagt Neubarth. Auf Futtersuche hätten die Wildschweine wiederholt alles durchgepflügt, „sie haben den Zaun kaputtgerammelt, die Holzpfosten sind abgebrochen“. Eine ganze Rotte habe sich auf ihrem Grundstück zu schaffen gemacht.
Eine Schneise der Verwüstung haben die Tiere an der Ortsstraße hinterlassen: Rasenflächen, Beete, Wege - sie machten vor nichts Halt. Ein Gästeparkplatz sei als solcher nicht mehr zu nutzen, in der Gosse hätten die Wildschweine Steine gelöst, und den Hang vorm Haus der Röppnacks stark beschädigt, zählt der Sohn auf.
„Entgleisung der Wildschweinpopulation“
Sie kämen jedes Jahr, sagt Röppnack, „aber so extrem war es noch nie. Es ist der Punkt erreicht, an dem wir nicht mehr können und nicht mehr wollen“ - und an dem man auf behördliche Hilfe angewiesen sei. Man müsse das Problem an der Wurzel anpacken, und „das Problem kommt aus dem Wald“. Röppnack spricht von einer „Entgleisung der Wildschweinpopulation“.
Die steigt bundesweit seit Jahren. Die Abschussquote ändert daran nichts. Nach Angaben der Unteren Jagdbehörde wurden im Jagdjahr 2016/2017 allein im Landkreis Harz 4.153 Schwarzkittel geschossen. 193 Tiere seien darüber hinaus anderweitig verendet, etwa durch natürlichen Tod oder bei Wildunfällen - das sogenannte Fallwild.
4.153 Wildschweine in einem Jahr erlegt
„Natürlich ist es nicht schön, wenn private Grundstücke verwüstet werden, und es ist nicht schön, wenn das Ortsbild durch Wildschäden zerstört wird. Aber eins ist doch ganz klar: Wir wohnen mitten im Wald“, sagt Daniela Neubarths Mann, Mike Neubarth, der Ortsbürgermeister. Die Wildschweinplage spielt er dennoch nicht herunter.
„Wir gehen das offensiv an.“ Es habe Aushänge und Ortschaftsratssitzungen gegeben, in denen das Problem thematisiert worden sei. Auch in der Sitzung am Donnerstag, 22. Februar, werde es darum gehen. Drückjagden hätten stattgefunden, eine Falle, ein sogenannter Saufang, sei aufgestellt worden; und mit Ronald Sittel vom Landesforstbetrieb gebe es jemanden, der die Tiere auch innerhalb des Ortes schießen dürfe.
Ein Wildschwein wurde im Garten erlegt
Das ist per Gesetz normalerweise verboten und bedarf einer Genehmigung. Die hat Sittel, Revierleiter im Forstrevier Dambachhaus, seit Ende September. Erst vor wenigen Tagen erlegte er ein Wildschwein in Neubarths Garten. Es war sein drittes in Treseburg. „Mit den Einzelabschüssen reduziere ich den Bestand nicht, aber ich will den Treseburgern helfen“, sagt Sittel.
Da die Falle - sie habe in den vergangenen Monaten bereits an verschiedenen Stellen gestanden - nicht funktioniere, könne man das nur jagdlich lösen. Und deshalb sei er auf Informationen angewiesen. Klingelt Sittels Telefon, packt er seine Sachen und macht sich auf den Weg. Wenn er Glück hat, sind die Wildschweine noch da.
Und wenn er noch mehr Glück hat, dann halten sie sich dort auf, wo er auch tatsächlich einen Schuss abgeben kann. Er dürfe nichts und niemanden gefährden; zwischen Gebäuden und Autos könne er daher oft überhaupt nicht schießen, erklärt er.
Hang soll mit Betonelementen befestigt werden
Inzwischen gebe es auch noch einen zweiten Jäger, sagt Philipp Zedschack, Abteilungsleiter Sicherheit und Ordnung bei der Stadtverwaltung. Er macht aber klar: „Wir können nur reagieren.“ Sobald es die Witterungsbedingungen zuließen, werde auch der von den Wildschweinen zerstörte Hang vor dem Haus der Röppnacks mit Beton-Elementen befestigt, „damit die Straße dahinter nicht abrutscht“.
Die Einwohner schützen sich derweil, so gut es geht, selbst: Viele haben elektrische Weidezäune um ihre Grundstücke gezogen. Auch Röppnack ist dabei, den Garten seiner Eltern zu sichern, um weiteren Schäden vorzubeugen. Was aber bleibe, sei die Angst, die Angst, mal einer führenden Bache gegenüberzustehen, so Röppnick. „Wenn es dunkel wird, kann man hier nicht mehr rausgehen.“ (mz)