"Raschlewer" feiern "Raschlewer" feiern ihr dreitägiges Fest: Doch die Zeit der vielen Kirschen ist vorbei

Radisleben - Das dreitägige Fest hält nur zur Hälfte, was sein Name verspricht. Kirschen gibt es hier nur noch in gemalter Form auf den Tischdecken. Nicht einmal Kirschtorte steht auf dem liebevoll gestalteten Kuchenbüffet, an dem die Mitglieder des Vereins „Tiere helfen Kindern“ bedienen.
„Die Zeiten sind vorbei, in denen der Ort von riesigen Plantagen mit saftigen Kirschen umgeben war“, meint fast entschuldigend Annegret Muser, die als Ortsbürgermeisterin von Radisleben eine Lanze für das beliebteste Fest ihrer „Raschlewer“ bricht. Wer am Wochenende den Kirschtanz erlebt hat, der kann in ihre Lobeshymnen auf die Dorfgemeinschaft einstimmen.
„Raschlewer“ feiern: Jeder hat seine Aufgabe
Ob Anja Amft, Vorstand des Trägervereins der Kita, oder die Freiwillige Feuerwehr des Ballenstedter Ortsteiles, die fünfköpfige Familie Semella, die seit einigen Jahren die Kegelbahn beim Fest betreut, oder Holger Richter, der als Volleyball-Guru mit Michael Böll das Turnier organisiert, sie alle sorgen dafür, dass man weit über die Ortsgrenzen hinaus vom Kirschtanz spricht.
So tritt die Crazy Dance Crew (CDC) auf der Bühne auf. Die Tanzgruppe unter Leitung von Jasmin Bodewei feiert hier ihren Premieren-Auftritt, während auch ihre Nachwuchs-Tanzmäuse für Stimmung sorgen. Die 21-jährige Chefin tanzt bereits seit ihrem fünften Lebensjahr und wird die CDC am 24. August auf die bundesweite Bühne führen, wenn sich in Leipzig die besten Tänzerinnen Deutschlands messen.
„Raschlewer“ feiern: Heimatfest spricht sich herum
Roland Skrzeba sorgt beim Kirschtanz mitten im Dorf dafür, dass sich beim Spielen für die Kinder mal nicht alles um Handy und Konsole dreht. „Wir wollen den Geist anregen und kommen mit selbstgebauten Spielgeräten“, erzählt der Chef der „Spaß-Bande“.
So drängen sich am Samstagnachmittag die Kinder beim Stockgolfen, an der Schokogusswurfmaschine, am Froschkatapult und am „Heißen Draht“. Die agile Dorf-Chefin Annegret Muser, die nun als Berufsschullehrerin im Ruhestand, sollte der Ortschaftsrat sie wieder wählen, noch etwas mehr Zeit für die Projekte im Ort hat, freut es, dass sich so viele Menschen engagieren.
Das spricht sich rum, so dass der Kirschtanz zu den wenigen kleineren Heimatfesten gehört, bei dem noch Schausteller aufbauen und die Gastronomen aus den Nachbarorten mit ihren Getränkewagen anrollen.
Aber trotzdem bleibt die Frage, seit wann es den Kirschtanz gibt. Siegfried Stengel interessiert sich für die Dorfgeschichte und fand in einer alten Chronik das Jahr 1833. In einem gehorsamsten Bericht des Dorfrichters Ahlemann an das Herzoglich Wohllöbliche Justizamt in Ballenstedt vom 16. Juli 1833 steht geschrieben:
„Die Kirschenpächter Georg Friedrich und Andreas Simon der Radisleber Gemeindekirschen haben bei den Dorfgerichten nachgesucht, daß sie zu mehrerem Absatz ihrer in den Gemeindeplantagen geernteten Kirschen einen Tanz im Freien neben dem Kirschhäuschen zu haben wünschten.“
„Raschlewer“ feiern: Idee für das kommende Jahr
Justizamtsleiter Pietscher in Ballenstedt gab am 19. Juli 1833 sein Okay. Doch schon damals war die Fördermittelvergabe ein Thema: „Von der Gemeindekasse wird zur Musik als auch zur Zeche nichts gereicht.“
Die Veranstalter des Kirschtanzes durften auch kein Bier ausschenken. „Kirschenpächter sollen bei diesem Tanz den Gästen bloß Kirschen oder Schnaps in Römern reichen“, sagen die historischen Quellen. „Der Kirschler soll in großen Mengen geflossen sein“, weiß Siegfried Stengel. Er hat gleich eine Idee fürs kommende Kirschfest: „Wir könnten ja mal ein Kirsch-Klump-Wettkochen veranstalten!“ (mz)

