Kokain beim Sex Prozess wegen Tod nach Sex: Nebenklage bezweifelt Drogen-Analyse der Haare des Todesopfers

Magdeburg - Wie schnell wachsen Haare? Diese Frage warf am Freitag die Verteidigung der Nebenkläger im Prozess gegen einen Halberstädter Arzt auf. Ihm wird vorgeworfen, über zweieinhalb Jahre fünf Frauen ohne deren Wissen und gegen deren Willen Drogen verabreicht und sie zum Teil anschließend vergewaltigt zu haben. Eine 38-Jährige aus dem Salzlandkreis war im Februar dieses Jahres an einer Überdosis Kokain gestorben.
Rechtsmediziner untersuchten Haarproben zweier Opfer des Mannes
Um herauszufinden, über welchen Zeitraum die Frauen Drogen konsumiert hatten und ob sie das bereits taten, bevor sie den Arzt getroffen hatten, hatte das Institut für Rechtsmedizin an der Charité Berlin Haarproben der Verstorbenen und eines weiteren 34-jährigen Opfers untersucht.
Die Ergebnisse waren am 20. November vor der Strafkammer des Landgerichts vorgestellt worden. Die Quintessenz: In den Haaren der 34-Jährigen wurden für Juni bis Mitte Oktober 2017 Abbauprodukte von Kokain festgestellt, davor und danach nicht. Dies widerspricht laut Sachverständigem nicht der Annahme eines zweimaligen Konsums höherer Dosen binnen kurzer Zeit.
Analyse: Opfer konsumierte zwischen Januar 2017 und Februar 2018 Kokain
Eine detaillierte Analyse der Haare der verstorbenen 38-Jährigen legte hingegen nahe, dass sie zwischen Januar 2017 und Februar 2018 „häufig und intensiv“ Kokain konsumiert habe. Laut Rechtsmediziner der Charité ist darunter die Einnahme „mehrfach in der Woche in hohen Dosierungen“ zu verstehen.
An dieser These hegt nun jedoch der Rechtsvertreter eines Nebenklägers Zweifel. Er beantragte, die Hausärztin der Verstorbenen in die Hauptverhandlung zu laden, damit diese darüber Auskunft geben könne, ob sie bei der 38-Jährigen Anzeichen für Drogenkonsum festgestellt habe.
Freunde des Opfers hatten ausgesagt, dass die Frau keine Drogen nahm
Der Befund der Rechtsmedizin widerspreche den Aussagen der unter Ausschluss der Öffentlichkeit angehörten Zeugen, Freunden des Todesopfers, die übereinstimmend berichtet hätten, dass die 38-Jährige keine Drogen genommen, nicht geraucht und allenfalls gelegentlich ein wenig Alkohol zu sich genommen hätte.
„Dem Befund des Sachverständigen liegt ein Haarwachstum von einem Zentimeter pro Monat zugrunde“, erklärte der Anwalt des Nebenklägers. Wie schnell Haare wachsen, sei jedoch von Verschiedenem abhängig und könne nicht für alle pauschal festgelegt werden.
Verteidigung lehnt eine Aussage der Hausärztin des Opfers ab
„Es ist möglich, dass in diesem Fall von 1,5 oder sogar von 2 Zentimetern im Monat ausgegangen werden muss.“ Träfe das zu, würde dies den Zeitraum, für den Drogenkonsum festgestellt wurde, um den Faktor 1,5 bis 2 auf rund 9 bis 7 Monate verringern. Der Beginn des Konsums könnte dann in den Zeitraum der Bekanntschaft mit dem Angeklagten fallen.
Die Rechtsverteidigung des Angeklagten betonte, sie sehe nicht, wie eine Ladung der Hausärztin zum Ergebnis des Verfahrens beitragen könne. „Es ist maßgeblich, ob die Einnahme freiwillig oder unfreiwillig erfolgt ist“, nahm ein Strafverteidiger Stellung.
Es gebe Anzeichen dafür, dass die Frau im Jahr 2017 schon erheblich vor dem Zeitraum der Bekanntschaft mit dem Angeklagten Drogen konsumiert habe. Zudem könne man nicht ausschließen, dass sie eine eigene Bezugsquelle gehabt habe, sich die Drogen also selbst beschafft und selbst genommen habe.
Gericht entscheidet: Hausärztin und psychiatrischer Gutachter sagen aus
Nach Beratung mit den Richtern und Schöffen erklärte der Vorsitzende Richter Dirk Sternberg, dass die Hausärztin der Verstorbenen zum nächsten Verhandlungstermin am 17. Dezember geladen wird.
Zudem soll an diesem Termin der psychiatrische Gutachter, der am Freitag unter Ausschluss der Öffentlichkeit sein Gutachten vorbrachte, Stellung zu den Daten nehmen, die dem Gericht auf einer Festplatte des Angeklagten zur Verfügung gestellt wurden und unter anderem seinen Internet-Suchverlauf beinhalten.
Der Angeklagte ist ehemaliger Chefarzt des Ameos-Klinikums in Halberstadt. Die Vorfälle, bei denen er seinen mutmaßlichen Opfern, darunter Patientinnen, laut Vorwurf der Staatsanwaltschaft heimlich Drogen in die Cola oder den Sekt streute oder ihnen über sein Geschlechtsteil Kokain zuführte, sollen sich in seiner Wohnung und den Wohnungen der Opfer abgespielt haben. Der Prozess wird fortgesetzt. (mz)