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Kündigungen Fahrplan Planungsbüro soll neuen Fahrplan erarbeiten: Krise der Harzer Verkehrsbetriebe geht weiter

Von Rita Kunze 01.10.2019, 10:56
Der Landkreis Harz habe derzeit einen „Fahrplan für Pendler und Schüler“, sagt Verkehrsplaner Michael Wendt.
Der Landkreis Harz habe derzeit einen „Fahrplan für Pendler und Schüler“, sagt Verkehrsplaner Michael Wendt. dpa

Halberstadt - Der Landkreis Harz sucht derzeit nach einem Planungsbüro, das einen veränderten Nahverkehrsplan erarbeitet. Dieses Prozedere werde „weit in das kommende Jahr“ reichen, sagt der Fraktionschef der Bündnisgrünen im Kreistag, Bernhard Zimmermann, auf Nachfrage der MZ.

Der Fraktionschef hatte wie andere Kreistagsmitglieder in der vergangenen Woche an einem Fachdialog teilgenommen, in dessen Vorfeld Landrat Martin Skiebe (CDU) Informationen zum Thema Nahverkehrsplan versprochen hatte.

Zurzeit ist das Vergabeverfahren noch nicht geklärt

Bei der Veranstaltung habe es auch geheißen, dass parallel zur Erarbeitung des Nahverkehrsplans geklärt werden müsse, „ob eine Direktvergabe an die Harzer Verkehrsbetriebe erneut möglich sein wird beziehungsweise gewollt ist, oder die Verkehrsleistungen nach einem sogenannten Genehmigungswettbewerb vergeben werden sollen“, so Zimmermann weiter.

Für Gerhard Oertel von der CDU-Fraktion brachte die Veranstaltung nicht das erhoffte Ergebnis. Er habe keine befriedigenden Antworten bekommen, Fachfragen seines Fraktionskollegen Andreas Schumann, der im Aufsichtsrat der Harzer Verkehrsbetriebe GmbH (HVB) sitzt, seien nicht konkret beantwortet worden.

Dabei sollte der Fachdialog genau dazu dienen: eine „komplexe Materie“, wie es Skiebe nennt, mit den Kreistagsmitgliedern „auf Augenhöhe“ zu diskutieren. Der Veranstaltung vorausgegangen waren teils emotionale Debatten über den Fahrplan und eine Million Euro, die der Landkreis zusätzlich für die HVB bereitstellen soll. Eine Entscheidung darüber ist bis heute nicht getroffen worden.

Vier Führungskräfte haben die Harzer Verkehrsbetriebe verlassen

Stattdessen verliert der Landkreis immer mehr Führungspersonal: HVB-Geschäftsführer Björn Smith, dessen Nachfolgerin Nora Wolters, der Fachbereichsleiter Strategie und Steuerung beim Landkreis, Dirk Michelmann, und Verkehrsplaner Michael Wendt haben das Handtuch geworfen.

„Da, wo wir angekommen sind, sehe ich keine Lösung, die ich noch vertreten könnte. Deswegen habe ich einen Schlussstrich gezogen“, sagt Wendt der MZ und begründet damit seinen Weggang aus der Kreisverwaltung.

Jens Kiebjieß, Mitglied des ÖPNV-Beirates im Landkreis Harz, wertet Wolters’ Ausstieg als „erneute Kapitulation, die seit Jahren andauernde wirtschaftliche Schieflage der Harzer Verkehrsbetriebe durch eine Restrukturierung anzugehen“.

„Es wäre gut, wenn der Landrat endlich gegenüber der Öffentlichkeit, aber besonders der Interessenvertretung der Fahrgäste eine Strategie im ÖPNV erläutern würde“, sagt Kiebjieß.

Kreistagsmitglied Jens Kiebjieß kritisiert die seit Jahren andauernde wirtschaftliche Schieflage der Harzer Verkehrsbetriebe 

Erhellendes vermisst auch CDU-Kreistagsfraktionsmitglied Thomas Krüger. Der Bürgermeister der Gemeinde Huy hat am Fachdialog teilgenommen und ist der Meinung, dass der vom ehemaligen Verkehrsplaner Wendt verteidigte Taktverkehr in einem Flächenlandkreis nur bedingt taugt.

Er nennt zwei Beispiele, warum der vom Kreistag 2018 beschlossene und dann nach heftigen Protesten aus der Bevölkerung zurückgenommene Fahrplan nicht funktioniert hat: Wer mit dem Bus von Anderbeck ins benachbarte, rund vier Kilometer entfernte Dingelstedt wollte, der musste erst 14 Kilometer in eine andere Richtung - nach Papstdorf - fahren, ehe es nach Dingelstedt ging.

Einwohner der Gemeinde Huy, die zum Arzt nach Schwanebeck müssten, hätten dafür nur eine Busverbindung am Tag gehabt. Diese Planungen „hatten mit der Realität nichts zu tun“.

Der jetzige Fahrplan „ist ein Fahrplan für Pendler und Schüler“, sagt wiederum Michael Wendt. Aber gerade deswegen funktioniert er, meint Krüger.

Michael Wendt verteidigt den aktuellen „Fahrplan für Pendler und Schüler“

Die wirtschaftliche Schieflage der HVB ist damit freilich nicht behoben. Wendt sieht die Ursachen dafür nicht in dem „Chaos-Fahrplan“ mit gekappten Verbindungen und unzumutbar langen Fahrzeiten für Schulkinder, sondern in dem Konstrukt, mit dem jetzt offenbar alle zufrieden sind: 

Als 2014 der Nahverkehrsplan aufgestellt worden sei, sei eins klar gewesen, sagt Wendt: „Wenn wir so weitermachen, entsteht eine Schieflage, die jährlich größer wird.“ Einen effizienten Fahrplan, wie ihn das Land fordert, ehe es Zuschüsse gibt, hat der Kreis seiner Ansicht nach nicht: „Schade. Da liegt Geld, das nicht genutzt werden kann.“ (mz)