Öl, Stroh, Pellets Öl, Stroh, Pellets: Bauern und Forscher wollen mehr aus Hanf machen

Hedersleben - Der Geschmack der Pellets, die in einem Gläschen auf dem Tisch zwischen Töpfen mit kleinen Hanfpflanzen stehen, ist gewöhnungsbedürftig. Aber die Sache hat Potenzial und bekommt Rückenwind:
Gefördert von der Europäischen Union und dem Land Sachsen-Anhalt, kann die Agrargenossenschaft Hedersleben gemeinsam mit der Hanfbörse Halberstadt und der Universität Leeuwarden in den Niederlanden in den kommenden Jahren am Aufbau und der „Etablierung einer regionalen Wertschöpfungskette“ zum Anbau und zur umfangreichen Nutzung von Hanfkulturen arbeiten.
„Es geht darum, mehr rauszuholen“, erklärt Hanfbörsen-Geschäftsführer Andreas Richter bei der Vorstellung des Projektes, das wie zwei andere aus der Region in den Genuss dieser Förderung kommt. Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert (Bündnis 90/Die Grünen) ließ sich jetzt die Projekte in den Räumen der Hederslebener Agrargenossenschaft näher erläutern.
Schneller Transfer in die Praxis
Allen zugrunde liegt die Europäische Innovationspartnerschaft „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“, die Forschung und Entwicklung in der Land- und Forstwirtschaft unterstützen will. „Das Förderprogramm schafft die Möglichkeit, mit Kooperationspartnern Innovationen im Rahmen von Projekten in Sachsen-Anhalt umzusetzen bzw. zu initiieren“, heißt es aus Dalberts Ministerium.
„Durch diese Projekte entstehen wertvolle Verknüpfungen, die den Transfer von theoretischem Wissen in die Praxis unterstützen.“ Eigentlich, so Dalbert, sei dies ein „schwieriges Programm“, denn man müsse Kooperationspartner finden, die gemeinsam an einem Projekt arbeiten.
„Es hat Anlaufschwierigkeiten gehabt, aber inzwischen ist es ein Erfolgsprogramm.“ Seit 2014 seien dafür mehr als vier Millionen Euro Fördergelder ausgereicht worden. Weitere knapp zwei Millionen Euro stehen bereit.
Voraussetzung zur Teilnahme an dem Programm ist unter anderem die Bildung einer „Operationellen Gruppe“, der neben wissenschaftlichen Partnern mindestens ein Vertreter aus dem landwirtschaftlichen Bereich angehören muss.
Die Hederslebener Landwirte arbeiten nun mit Vermarktern und Wissenschaftlern zusammen. Meist werde nur ein Viertel der Hanfpflanze genutzt, sagt Richter, der weiß, dass da noch mehr geht. Die Hederslebener haben die Erfahrung: Sie produzieren beispielsweise Hanföl. Aber „Hanfstroh könnte Rindenmulch hervorragend ersetzen“, verdeutlicht Richter. Er verweist auf die Pellets im Glas und auf Presskuchen - die reinsten Proteinbomben. Die Universität Leeuwarden sei „im Businessmarketing unterwegs“ und soll die Vermarktungschancen der Produkte wissenschaftlich untersuchen.
Wissenschaftliche Forschungen liegen auch dem Projekt der Dr. Junghanns GmbH aus Groß Schierstedt bei Aschersleben zugrunde, mit denen handfeste wirtschaftliche Interessen beim Anbau und Vertrieb von Majoran vertreten werden sollen:
„Nicht in jeder Tüte ist drin, was draufsteht“, sagt Geschäftsführer Dr. Wolfram Junghanns. „Importierte Ware wird als deutsche verkauft“, erklärt er und verweist auf Beimischungen aus Anbaugebieten vor allem aus Ägypten.
„Nach langem Suchen haben wir eine gerichtsfeste Identifizierung gefunden“, sagt er weiter: An den feinen Haaren der Majoranblätter, die sich als gräulicher Schimmer zeigen, halte sich Staub aus der Anbauregion. Diese Mineralien seien wie ein Fingerabdruck. So könnten Beimengungen in einem Anteil bis zu zehn Prozent erkannt werden.
„Damit sichern wir den deutschen Markt und langfristig die Produktion in Deutschland“, betont der Geschäftsführer und verweist auf einen weiteren Effekt: Der Betrug am Kunden lasse sich aufdecken, wenn die Beimischungen identifiziert werden können.
In einem weiteren Projekt beschäftigt sich das Unternehmen mit der Züchtung von neuen, dem Klimawandel angepassten Majoransorten. In den vergangenen 30 Jahren habe es verschiedene Projekte gegeben, „die alle nicht zum Ziel geführt haben“, sagt Junghanns. Jetzt arbeite man an der Züchtung von Pflanzen „mit eingebautem Sortenschutz“. Angestrebt würden außerdem Sorten, die höhere Erträge liefern.
Neuland für Salzpflanze
Wie sich Abfälle aus der Salzindustrie für die menschliche Ernährung nutzen lassen, untersucht derweil die Operationelle Gruppe „Grow up Salicornia“: Die Salzpflanze, die auch Queller genannt wird, soll in Gewächshäusern auf Substrat angebaut werden, das unter anderem mit solchen Abfällen erzeugt und mit Salz- statt Frischwasser erzeugt wird. Das soll helfen, Ressourcen zu schonen.
Die Salzpflanze ist vor allem an den Meeresküsten, aber auch an Salzseen und auf Salzwiesen - beispielsweise im Landkreis Börde - zu finden. Die Gruppe will ein Anbausystem in Gewächshäusern entwickeln und in die Vermarktung gehen.
Queller, so heißt es in der Projektbeschreibung, sei „außerordentlich schmackhaft“ und eine optimale Beilage zu Fisch und Meeresfrüchten, aber auch für Salate geeignet. Queller enthalte viele Mineralien, Ballaststoffe, Vitamine und ungesättigte Fettsäuren. Bislang werde die Pflanze fast ausschließlich importiert, das Projekt wolle „den Anbau nach Deutschland holen“. (mz)