Nach "Friederike" Natur im Harz: Zur Hälfte ohne Wald?

Harzgerode - Das sogenannte Badeholz im Forstrevier Neudorf war Anfang 2018 dicht bewaldet mit Lärchen und Fichten. „Die Bäume waren noch gar nicht so alt, vielleicht 40 Jahre“, sagt Hans Christian Schattenberg.
Den Rest holte sich der Borkenkäfer
Am 18. Januar 2018 kam „Friederike“. Der Sturm habe die 30 bis 40 Hektar große Fläche „innerhalb von drei Stunden komplett abgeräumt“, so der Leiter des Forstbetriebes Ostharz weiter. „Die einzelnen Bäume, die noch übrig waren, holt sich der Borkenkäfer. Das ist eine echte Katastrophe.“ Und eine, deren Ausmaß noch nicht komplett abschätzbar ist.
Rückblick: Allein durch „Friederike“ sind im Bereich des Forstbetriebes Ostharz insgesamt 360.000 Festmeter - also 360.000 Kubikmeter - Holz umgeworfen worden.
Dann kamen extreme Hitze und extreme Trockenheit - „beste Voraussetzungen für alle Arten von Käfern“, sagt Hans Christian Schattenberg und nennt die Borkenkäfer Kupferstecher, Buchdrucker, Lärchen- und Kiefernborkenkäfer, die zwischen Rinde und Holz leben und Leitungsbahnen in den Bäumen zerstören.
Schäden auch wieder im Frühjahr 2019
Im Frühjahr dieses Jahres folgten weitere Stürme. „Da sind noch einmal 20.000 bis 30.000 Festmeter gefallen“ - neues Brutmaterial für die Käfer. „Das alles hat dazu geführt, dass sich die schädlichen Käfer extrem vermehrt haben.“
Das Ausmaß der Schäden werde sich erst in den nächsten Wochen zeigen.
„Aber wir gehen davon aus, dass wir 2019 in unserem Bereich 100.000 bis 150.000 Festmeter allein an Käferholz haben werden“, sagt der Forstbetriebsleiter und fügt hinzu: „In unserem Bereich besteht der Wald zu 50 Prozent aus Nadelholz. Wenn das so weitergeht, dass der Käfer alles auffrisst, dann haben wir einen zu 50 Prozent entwaldeten Ostharz.“
Es wird alles verändern
Das, so Hans Christian Schattenberg, werde „hier alles verändern“. Das Landschaftsbild, den Tourismus. Aber auch die Holzlieferungen: Durch die Stürme habe die dreifache Menge des Holzes aufgearbeitet werden müssen, die sonst üblich sei. „Das wird in Zukunft fehlen. So schnell wächst Holz nicht nach.“
Gleich nach Friederike hat der Forstbetrieb begonnen, 150 Hektar der betroffenen Flächen - insgesamt mehr als 600 Hektar - zu beräumen und zur Wiederaufforstung vorzubereiten.
Lebensgrundlage wurde entzogen
Ein Teil der Flächen sei gemulcht worden, was den Käfern auch das Brutmaterial und Mäusen die Lebensgrundlage entziehe, aber ebenso bessere Möglichkeiten für das Pflanzen biete, erklärt Hans Christian Schattenberg.
Andere Flächen seien mit Baggern oder - in Steillagen bzw. dort, wo Munition aus dem Zweiten Weltkrieg zu vermuten ist - per Hand beräumt, wieder andere liegengelassen worden.
„Wir versuchen, für jede Fläche die beste Methode zu finden. Dort, wo wir die Möglichkeit haben, setzen wir auf Naturverjüngung.“ Bei großen Kahlflächen „müssen wir aber aktiv werden“, so der Forstbetriebsleiter.
Allein die Kosten für das Vorbereiten der Flächen seien enorm gewesen, sagt Schattenberg und beziffert sie - je nach Art - auf zwischen 1.000 und 2.000 Euro je Hektar.
Alles von Hand gepflanzt
Auf den 150 Hektar wurden und werden - alles von Hand - 294.000 Waldbäume gepflanzt, darunter zum Beispiel Lärchen, Rotbuchen, heimische Höhenkiefern, auch Fichten, wo sie vom Standort her hinpassen, Bergahorn, Winterlinden, aber auch Douglasien.
„Unser Ziel ist, Mischwälder zu erzeugen mit mindestens fünf Baumarten auf der Fläche. Wir wollen den Wald mit einem breiten Spektrum an Baumarten fit machen für den Klimawandel“, sagt der Forstbetriebsleiter.
Besondere Waldrandgestaltung
Neu hinzu kommen weitere 8.400 Pflanzen für eine „aktive Waldrandgestaltung“ - 30 Meter breite Streifen an Außenrändern des Waldes, aber auch Wegen, die Wind abweisen und Lebensraum für Insekten bieten.
Gepflanzt werden mittelhohe Bäume wie Elsbeeren oder Feldahorn, Wildapfel oder -birne. An besonders exponierten Stellen wird auch mal ein Mammutbaum oder eine Scheinzypresse als „Hingucker“ stehen, so Schattenberg.
Pflanzaktionen werden fortgeführt
Das Aufforsten wird allein in diesem Frühjahr eine halbe Million Euro kosten. „Wir gehen davon aus, dass wir mit diesen Pflanzaktionen im Herbst und in den nächsten fünf Jahren weitermachen müssen - immer in dieser Größenordnung“, so der Forstbetriebsleiter. Der mit Blick auf die erste Wiederaufforstung, die nach Ostern abgeschlossen sein soll, hinzufügt: „Ich wünsche mir einen kalten Sommer mit viel Niederschlag. Den brauchen wir dringend, damit wir diese Investition für die Zukunft nicht in den Sand gesetzt haben.“ (mz)
