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Besonderer Geburtstag Mit 102 Jahren ist nicht schluss

Gisela Geyer feiert mit dem engsten Familienkreis im Quedlinburger Pflegeheim „Am Kleers“. Wie sie sich fitgehalten hat und worauf sie sich freut.

Von Almut Hartung Aktualisiert: 06.01.2022, 16:26
Gisela Geyer auf ihrer Feier zu ihrem 100. Geburtstag im Jahr 2020.
Gisela Geyer auf ihrer Feier zu ihrem 100. Geburtstag im Jahr 2020. Foto: Leppin

Quedlinburg/Halle/MZ - Gisela Geyer kann auf ein bewegtes und vor allem langes Leben zurückblicken: Geboren am 4. Januar 1920 in Halle, erlebte sie vier politische Systeme, einen Weltkrieg und den Mauerfall mit. Nun feierte sie im engsten Familienkreis ihren 102. Geburtstag im Pflegeheim „Am Kleers“ in Quedlinburg. Bedingt durch die Corona-Epidemie fällt die Feier in diesem Jahr klein aus. Ihr Sohn Bernd ist gekommen, ebenso zwei Enkel. Die sieben Urenkel und ein Ururenkelkind dürfen das Pflegeheim derzeit nicht betreten.

Warum sie mit 102 noch so fit ist? Darauf antwortet Gisela Geyer, die für ihr Alter noch immer sehr rüstig ist: „Ich habe viel Tennis gespielt.“ Sie sei sogar bei den Deutschen Meisterschaften dabei gewesen, ergänzt ihr Sohn Bernd Redslob, 82, da sei sie bereits mit ihm schwanger gewesen. Ihren ersten Ehemann, einen Lehrer und Tennisspieler, hatte sie 1938 beim Baden kennengelernt. „Meine gute Figur ist ihm sofort ins Auge gefallen“, erzählt die Seniorin stolz. Ihr Aussehen ist ihr heute noch wichtig: Die Haare sind frisiert, und den Geburtstagskuchen bietet sie lieber ihren Gästen an, als ihn selbst zu essen.

Als sie 20 war, heiratete die junge Frau, bekommt zwei Kinder. Und dann nach dem Krieg „kam das Elend“. Sie stand allein da, weil ihr Mann aus Angst nicht in den Osten zurückkehrte. Beim Tanzen im Gesundbrunnen, einem Stadtviertel in Halle, lernte sie schließlich ihren zweiten Ehemann, den Bildhauer Gerhard Geyer kennen. Das war 1946, nachdem Geyer aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war. Das Paar heiratete im sehr kleinen Kreis, erinnert sich Sohn Bernd Redslob.

„Wir hatten viele Gäste. Die Künstler - Bildhauer, Maler - trafen sich im Haus.“

Bernd Redslob, Sohn

Gisela Geyer blieb zu Hause und unterstützte ihren Mann bei seiner Arbeit. So mussten beispielsweise die Tonmodelle, die Geyer schuf, ständig feucht gehalten werden, das heißt regelmäßig mit nassen Handtüchern umwickelt werden. Aber auch als Gastgeberin und Mutter war die Hallenserin stark eingebunden. „Wir hatten viele Gäste. Die Künstler - Bildhauer, Maler - trafen sich im Haus“, sagt Bernd Redslob, der an diesem Tag 400 Kilometer gefahren ist, um seine Mutter zu besuchen. „Sie war viel in der Küche, kümmerte sich um die Gäste. Aber sie kümmerte sich auch 20 Jahre lang um meine schwerkranke Schwester.“

Als Gerhard Geyer in den 50er Jahren zu Studienreisen unter anderem nach Bulgarien, Rumänien, Ghana und Guinea aufbrach, blieb Gisela Geyer zwar zu Hause, unternahm aber auch eigene Reisen, an die sich die 102-Jährige gern erinnert. „Mit meinem Mann war ich am Schwarzen Meer. Das war sehr schön“, und gemeinsam mit ihrem Sohn, der im damaligen Westdeutschland lebte, reiste sie noch zu DDR-Zeiten nach Sylt. Born am Darß sei ihr Lieblingsurlaubsort, erzählt Bernd Redslob.

Mit 102 Jahren ist für Gisela Geyer noch nicht Schluss: Weit entfernte Reisen peilt die Rentnerin zwar nicht mehr an, hat sich dafür aber kleinere Ziele gesteckt: Bei gutem Wetter geht sie mit dem Rollator in den Garten des Seniorenheims oder besucht ihre Enkeltochter, die in Quedlinburg lebt und für die sie nach einem Sturz vor vier Jahren hergezogen ist. Nach einem Tag Pause wird dann weiter gefeiert.

Auch wenn ihre Augen im Alter nicht mehr so wollen und das Hören schwerfällt, ihre „spitze Zunge“, sagt ihr Sohn, hat Gisela Geyer behalten und bringt Familie und Heimangestellte damit auch in ihrem 103. Lebensjahr zum Lachen.