Miniaturwelten in Thale Miniaturwelten in Thale: Gullivers Trucks

Quedlinburg - Man kommt nicht umhin, sich wie Gulliver zu fühlen: Der Modellbahnclub Thale als Veranstalter sorgt mit seinen Kooperationspartnern - dem Schiffsmodellsportclub Thale, dem Modellfliegerklub Ostharz, Modelltruckfreunden und privaten Modellbauern - dafür, dass man als Besucher der sechsten Harzer Modellbahn- und Modellbauschau im Klubhaus Thale als Riese von unzähligen Miniaturen umgeben ist.
Wortwörtlicher Mittelpunkt der Schau, die auch Teilnehmer aus Hamburg und Sassnitz anzieht, ist der funkferngesteuerte Automodellbau.
Der große Saal? Eine einzige Baustelle. Trucks, Bau- und Landwirtschaftsfahrzeuge bewegen sich im Einklang über die Straßenkulisse, während die Modellflieger auf der Bühne anmuten, jeden Moment abzuheben.
Vielen Modellbauern möchte man spontan den Beruf des Landschaftsgestalters unterstellen.
Die Straßenzüge, Klein- und Gartenbahnanlagen strotzen nur so vor sehenswerten Details. „Man schaut minutenlang hin und sieht immer neue Kleinigkeiten“, freut sich Bernd Detleff, als er einen kreisenden Storch über der Hettstedter Bahn entdeckt.
Die Minimaschinen sind aber keineswegs nur faszinierend anzusehen, sondern ihren Vorbildern auch in Sachen Funktionalität auf den Fersen. „Das sieht aus wie bei uns!“, ruft die sechsjährige Emily überzeugt, während zwischen Kipper und Bagger eine Fuhre Kies wechselt.
„Bis Herbst haben wir angebaut und auf einer Baustelle gewohnt“, stellt Vater René lachend klar, ehe er kurz an die Seite springen muss.
Ein Panzer, verladen auf einem LKW, bahnt sich seinen Weg durch die Halle. Kurz darauf kommt ein ferngesteuerter Roboter vorbei, kaum größer als eine Milchpackung.
Ältere und jüngere Besucher sind gleichermaßen zahlreich an den vielen Anlagen zu finden.
„Der bunte Mix zieht die Leute an“, freut sich Frank Schubert, Chef des Veranstaltervereins, der im Mai in die Planung für die nächste Ausstellung 2020 geht. „Dieses Jahr sind es mehr als 3.000 Modelle - Berge und Bäume nicht mit eingerechnet.“ Sie verteilen sich auf 145 Aussteller.
Einer von ihnen ist Oliver Großhennig aus Quedlinburg. Modellfahrzeuge fand er zwar immer interessant, ins Modellbau-Team-Thale zog es ihn dennoch erst vor wenigen Jahren.
Neben realistischen Lkw hat sich der 30-Jährige auch den robusteren Offroad-Miniaturen verschrieben. Seit 2017 ist er zudem bei den Schiffsmodellsportlern.
Gutes Zeitmanagement sei mit diesem Hobby schon gefragt.
„Da gehen schnell jeder Cent und jede freie Minute rein“, bestätigt er schmunzelnd.
Kurz darauf belädt er seinen Truck erneut. Die Fracht ist drei Jahre alt und heißt George. Während seine Eltern stolz Fotos machen, zeigt der Passagier sich beinahe unbeeindruckt.
„Er ist ein Feuerwehrfan, dagegen haben die anderen Autos hier keine Chance“, verrät Mutti Samantha. Dass kurz darauf ein Polizeihubschrauber abstürzt, bemerkt kaum einer der Besucher.
„Ein paar Blessuren hat er abbekommen, aber das wird“, sagt der Besitzer und verschwindet schnell an den Basteltisch - die Reparatur ruft.
Während der Blankenburger Modellbahnclub mit seiner TT-Anlage auf dreieinhalb Metern Länge zeigt, dass analoge Modellbahnen keineswegs altes Eisen sind, wird man am Nachbartisch der Modellflieger schlagartig in die digitale Gegenwart zurückbefördert: Mit stoischer Genauigkeit stapelt ein 3D-Drucker Schicht um Schicht erhitzten Kunststoffdraht.
Dass bei Rumpelstilzchen Stroh zu Gold gesponnen wird, erscheint fast wie ein müder Vergleich, denn das kryptische Teil, das hier nach 45 Minuten aus der Spule entsteht, ist das Flügelteil eines Flugzeuges.
Statt aus Erdöl wird der Draht - Filament genannt - aus umweltverträglicher Maisstärke gewonnen. Geduldig erklärt Alexander Weishof immer wieder die Technologie, schwärmt von den vielen Möglichkeiten.
Ins Schwärmen geraten die Besucher auch am Wasserbecken. Sportboote und Schiffe teilen sich das Gewässer unter dem Licht des Leuchtturms.
So viel Platz wie auf dem Gondelteich ist hier zwar nicht, „aber für die Kinder ist es das Größte, sich selbst auszuprobieren, statt nur trocken ausgestellte Boote anzugucken“, ist Vereinschef Carsten Helmund sicher.
Kaum ausgesprochen, übernimmt der dreijährige Pepe die Fernsteuerung. Was zu beweisen war. (mz)