Lesung im Hüttenmuseum Thale Lesung im Hüttenmuseum Thale : Heiko Golla ist Mister Regionalgeschichte

Thale - Mit seiner dritten Veröffentlichung wagt sich Heiko Golla nach den Themen Eisenbahn („150 Jahre Eisenbahn in Thale“, 2012) und Nationalsozialismus („Thale zur Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945“, 2005) erstmals an den Ersten Weltkrieg – in der öffentlichen Wahrnehmung bisher immer noch ein Stiefkind im Vergleich zu seinem Nachfolger. Ein Herzensthema? „Ist es geworden, ja“, sagt der Geschichtslehrer vom Thalenser Europagymnasium. Mit der 90-seitigen Broschüre „Heimatfront und Kriegseinsatz – Thale 1914 bis 1918“ wurde nun das Ergebnis seiner umfangreichen Recherchen veröffentlicht, das er am Sonntag, 2. Oktober, um 11 Uhr mit einer Lesung im Hüttenmuseum Thale vorstellt.
Aufgeteilt hat Golla das Thema in vier Bereiche: Thale während des Krieges, Thalenser im Krieg, Kriegsende und Erinnerung an die Opfer. Besonders wertvoll dürfte die Gefallenenübersicht sein, die mit umfangreichen Angaben zur Person aufwartet. Garnisonsvereine oder Nachkommen sind auf solche Statistiken angewiesen, wollen sie das Schicksal von Truppenangehörigen und Familienmitgliedern nachvollziehen. Ein Gedanke, der Golla gefällt: „Vielleicht ist das ein Ausgangspunkt, die Weltkriegsgeschichte Thales weiter zu erforschen.“ Dass der Fokus auf seiner Heimatstadt liegt, ist kein Zufall – ist er doch „so ein bisschen Mister Regionalgeschichte“, sagt er schmunzelnd. Schon von berufs wegen.
Geschichte ein Gesicht geben
Bereits 2012 hat ihn Ute Tichatschke, Chefin des Hüttenmuseums, auf die geplante Wanderausstellung des Landes-Museumsverbands „Heimat im Krieg 1914/18 – Spurensuche in Sachsen-Anhalt“ angesprochen: „Da müsste man doch was zusammen machen.“ Für den Lehrer war die erneute Zusammenarbeit sofort beschlossene Sache. Primäres Ziel war es, „den Thalensern hinter der Kriegsgeschichte ein Gesicht zu geben“.
Den Anfang der Spurensuche markierten unzählige Besuche im Fundus von Stadtarchivarin Antje Löser – Zeitungen und Sterbebücher brachten erste wichtige Erkenntnisse. Orientiert habe er sich dabei an den 497 Gefallenennamen auf dem Mißfeldt-Denkmal, das - umgangssprachlich nach seinem Architekten benannt - noch heute einen der markantesten Punkte im Friedenspark stellt. Von da aus ergaben sich manchmal neue Wege.
Auch Privatpersonen steuerten Quellenmaterial bei. „Dazu kamen viele Abende am Computer, die meine Frau geduldig toleriert hat“, erzählt Golla. Unterstützt wurde er sogar von seinen Schülern. „In der neunten Klasse habe ich einen Regionalgeschichte-Kurs und gerade der letzte Jahrgang“, sagt er stolz, „hat sich bemerkenswert in das Thema reingekniet.“ Während der Nachforschungen sind bedeutende Details ans Tageslicht befördert worden.
Die andere Seite
Die Broschüre macht deutlich, wie sehr die Schlachten, die weit weg in Belgien, Frankreich, Polen, Russland, Rumänien und Italien geschlagen worden, das Leben der Einwohner veränderten. Bevor Thale 1922 sein Stadtrecht bekam, scheiterte ein vorheriger Versuch nicht zuletzt durch die Kriegswirren. Der Ort, der Theodor Fontane nur wenige Jahrzehnte vorher zu seinen berühmtesten Romanen inspirierte, zeigte sich nun von einer anderen Seite.
Dank der guten Infrastruktur mit Bahnanbindung und etlichen Hotels wurden sieben Lazarette geschaffen. Das Eisenhüttenwerk fand sich in seiner veränderten Rolle als Rüstungsproduzent wieder und „verdiente prächtig am Krieg“, wie die Broschüre verrät. Zwei Millionen Stahlhelme von hier lösten die Leder-Pickelhaube ab, die ohnehin mehr Deko denn Schutz war. Zeitgleich machte sich Solidarität breit: „Die Thalenser wussten vom ersten Tag an, dass Krieg kein Spaß ist“, weiß Heiko Golla. „Bereits in der ersten Woche wurde ein Kriegsausschuss gebildet, der zum Beispiel betroffene Familien unterstützte.“
Immense Auswirkungen
Gleichzeitig waren die Auswirkungen auf die Bevölkerungsstruktur immens. Es gab weniger Ehen, dafür mehr Tote zu beklagen, Arbeitskräfte fehlten. Arbeit, die stattdessen viele Kriegsgefangene verrichteten. Seine Recherche führte den Lehrer nicht zuletzt auch zu bewegenden Einzelschicksalen. Wie dem der „Gebrüder Walter und Richard Winnig, die mit 18 und 19 Jahren am gleichen Tag, Walters Geburtstag, in der gleichen Schlacht umkamen“. Die Gräber zweier anderer Soldaten, Paul Appel und Friedrich Dippe, entdeckte Golla zufällig während einer Schulprojektfahrt auf einem Friedhof bei Verdun.
In Anlehnung an die aktuelle Wanderausstellung, die noch bis zum 16. Oktober 2016 zu sehen ist, plant das Hüttenmuseum für 2017 eine Sonderschau. Hier soll der Fokus auf Thale liegen. Der Gelegenheits-Autor hofft nun, „dass weitere Fotos und Dokumente zum Thema auftauchen, die dort mit einfließen können.“ Erhältlich ist die Broschüre im Hüttenmuseum, der Thale-Information, der Buchhandlung Am Bodetal und bei Heiko Golla. Sämtliche Erlöse spendet der Lehrer erneut an Vereine, die sich der Bewahrung historischen Erbes verschrieben haben.
Wer Material zur Geschichte Thales im Ersten Weltkrieg beisteuern kann, kann sich unter Telefon 03947/6 50 04 oder per Mail an [email protected] bei Heiko Golla melden. (mz)