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Landwirtschaft im Harz Landwirtschaft im Harz: Lebensmittel werden vom Handel verramscht

Von Rita Kunze 28.09.2018, 11:56
Milchtankstellen wie hier im Quedlinburger Edeka bieten Frischmilch. Aber nicht alle Verbraucher wollen und können den höheren Preis auch zahlen.
Milchtankstellen wie hier im Quedlinburger Edeka bieten Frischmilch. Aber nicht alle Verbraucher wollen und können den höheren Preis auch zahlen. Wohlfeld

Groß Quenstedt - Ein mit Körnern bestreutes Roggenbrötchen kostet beim Bäcker etwa 65 Cent. Der Landwirt, der den Roggen angebaut hat, bekommt davon drei Cent, sagt Frank Zedler.

Zedler ist Landwirt und zeigt an diesem Beispiel, was bei seinen Berufskollegen am Ende ankommt. Die Rechnung macht er vor Landespolitikern von CDU, SPD, Linken und Grünen auf.

Sie waren einer Einladung des Landesbauernverbandes Nordharz gefolgt und am Mittwoch zu einer Diskussionsrunde in die Harslebener Agrargenossenschaft gekommen.

An deren Standort in Groß Quenstedt wurde dann auch nicht vorrangig über die Dürre dieses Sommers und die daraus resultierenden Ernteausfälle gesprochen.

Landwirtschaft im Harz: Schwer mitzuhalten bei den hohe Auflagen

Es gibt viele Probleme, die die Landwirte schon seit Jahren beschäftigen und bei denen sie nicht nur Lösungen von der Politik fordern, sondern ebenso, dass sie vor politischen Entscheidungen mit angehört werden.

Denn beim globalen Handel könnten Landwirte in Deutschland durch hohe Auflagen nur schwer mithalten, sagt Bauernverbands-Vorsitzender Wilfried Feuerstack.

Er nennt ein Beispiel: Durch die Beschränkung des Einsatzes von Stickstoffdünger würde das Getreide nicht den gewünschten Eiweißgehalt bekommen - damit sei man nicht wettbewerbsfähig.

Immer mehr Pflanzenschutzmittel würden verboten, andererseits stehe die Gentechnik in der Kritik.

Landwirtschaft im Harz: Insektenvernichtungsmittel ist verboten

Bislang galt Landwirten unter anderem Rapssaatgut, das mit Neonicotinoiden gebeizt wurde, als sichere Sache gegen Schädlinge. Doch der Einsatz dieses Insektenvernichtungsmittels ist jetzt zu großen Teilen verboten. Feuerstack: „Wir reagieren, indem wir zusätzlich spritzen.“

Der Einwurf des Harzer Grünen-Kreisvorstandsmitgliedes Christoph Germeier, mit einer ausgewogenen Fruchtfolge ließen sich da durchaus Erfolge erzielen, stößt bei den Landwirten bitter auf.

„Auch mit einer ausgewogenen Fruchtfolge brauchen wir phytomedizinische Mittel“, sagt Lutz Trautmann, Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Hedersleben.

Anders ließen sich etwa Blattläuse oder Mehltau nicht bekämpfen. Mit gentechnisch veränderten Pflanzen bräuchte man nur einen Bruchteil der chemischen Mittel einzusetzen, davon ist der Landwirt überzeugt.

Landwirtschaft im Harz: Forschung so gut wie abrasiert

Unterstützung kommt von Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch (CDU). In Deutschland sei die Forschung „so gut wie abrasiert“, doch es müsse untersucht werden dürfen, wie resistente Lebensmittel produziert werden können.

Durch veränderte Pflanzenstrukturen ließen sich auch weniger Pestizide einsetzen.

Landwirtschaft im Harz: Verbraucher setzen andere Prioritäten

In der Verantwortung sehen die Landwirte aber auch die Verbraucher. Die würden weniger Geld für Lebensmittel ausgeben und stattdessen andere Prioritäten setzen. „Lebensmittel werden vom Handel oft verramscht“, sagt Dorothea Frederking, agrarpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen-Landtagsfraktion.

Landwirtschaft im Harz: Kampagne für bewusstere Entscheidung

Um eine „krisenfeste und dauerhafte Finanzierung der Landwirtschaft durch faire und auskömmliche Erzeugerpreise“ zu fördern, schlägt sie eine Kampagne zur Wertschätzung von Lebensmitteln vor: beispielsweise mit einer Herkunftskennzeichnung, die eine bewusste Entscheidung für regionale Produkte ermöglichen.

„Die Aufwendungen der Erzeuger müssen über den Preis abgebildet werden“, sagt Frederking. Doch die haben am Erfolg dieses Gedankens so ihre Zweifel.

Landwirtschaft im Harz: Problem Milchtankstellen

Die Agrargenossenschaft Vorharz mit Sitz in Silstedt spürt das unmittelbar. Der Betrieb unterhält seit Anfang 2017 in Supermärkten in Wernigerode, Halberstadt und Blankenburg und im Landmarkt Veckenstedt so genannte Milchtankstellen.

Ein Liter Frischmilch mit mindestens 3,8 Prozent Fettgehalt kostet dort 1,30 Euro. „Anfangs war das ein Hype. Wir haben in Wernigerode rund 350 Liter Milch am Tag verkauft“, sagt Vorstandsmitglied Jörg Weidemann. Jetzt sei es weniger als die Hälfte.

Landwirtschaft im Harz: Am Ende Klimpergeld

Ohne auf den Kalender zu sehen, könne er am Erlös seiner Milchtankstellen auch erkennen, ob ein Monat gerade begonnen habe oder zu Ende sei: „Rentner und Beamte bekommen am Monatsanfang Geld, da geht der Umsatz nach oben. Die normalen Arbeitnehmer bekommen ihr Geld zur Monatsmitte, da geht die Kurve auch noch nach oben. Am Ende geht sie nach unten. Am Monatsanfang zählen wir auch noch Scheine, am Ende Klimpergeld bis zu Fünf-Cent-Stücken.“ (mz)