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Landratswahl 2020 Landratswahl 2020: Den Mittelstand stärker fördern

Von Rita Kunze 25.06.2020, 11:56
Die heimische Terrasse in Halberstadt ist ein Lieblingsort von Annette Ivkin.
Die heimische Terrasse in Halberstadt ist ein Lieblingsort von Annette Ivkin. Dominique Leppin

Halberstadt - Zu Hause wird Russisch gesprochen, sagt Annette Ivkin. Während des Studiums in Moskau - dort hat sie fünf Jahre Hörgeschädigtenpädagogik studiert - traf sie Boris, einen Ingenieurstudenten. Ihr späterer Ehemann. „Er konnte nur Englisch, als wir uns kennenlernten“, erzählt sie.

Sie konnte sehr gut Russisch sprechen. Dabei ist es auch nach 33 Ehejahren geblieben, selbst wenn ihr Mann längst mehrere Sprachen spricht, weil er als Ingenieur der Arbeit wegen durch die Welt gereist ist.

Annette Ivkin ist in vierter Generation Halberstädterin, wollte nach dem Pädagogikstudium in Russland dorthin zurück. „Wir hatten ja die Schule“, sagt sie und meint die Hörgeschädigtenschule, heute ein überregionales Förderzentrum in Trägerschaft des Landes, an der sie seit 1990 als Lehrerin in verschiedenen Bereichen arbeitet. „Ich hab’ mir bewusst eine Nische gesucht.“

In Stadtrat und Kreistag aktiv

Ihrer Heimatstadt fühlt sie sich verbunden, ist dort auch kommunalpolitisch aktiv, sitzt seit 2019 im Stadtrat und im Kreistag, dort ist sie Vorsitzende des Bildungs-, Kultur- und Sozialausschusses. Ihre politische Heimat ist die AfD. 2018 trat sie in die Partei ein, für die sie nun bei der Landratswahl am 5. Juli ins Rennen geht.

Es ist ihr erster Parteieintritt überhaupt. „Früher war ich SPD-Anhänger, dann kam Rot-Grün“, sagt sie. Sie sei „eine Weile enttäuscht“ gewesen von der Sozialdemokratie und fand „eine Weile gut, was Merkel gemacht hat“. „Ich hätte auch in die CDU gehen können, aber da tut sich nichts.“

„Demokratie muss alle Meinungen aushalten, solange sie sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen“

Dass sie als AfD-Mitglied auch eine Partei vertritt, die in Teilen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht, das sieht sie anders. „Ich sehe hier keinen Rechtsextremen. Wir sind in der Kommunalpolitik“, sagt Annette Ivkin, und ihr Ton wird bestimmter. „Demokratie muss alle Meinungen aushalten, solange sie sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen.“

Die AfD ist eine demokratisch gewählte Partei und mit neun Mitgliedern als Fraktion im Harzer Kreistag vertreten. Deswegen hat Annette Ivkin ein Problem damit, dass ihr Wahlkampf für die Landratskandidatur zumeist auf einen Infostand am Halberstädter Fischmarkt beschränkt bleibt. „Die Gastronomen wollen keine beschmierten Wände“, beschreibt sie den Umstand, dass Protest gegen die AfD sich auch in Sprühaktionen ausdrückt und deswegen für „Bürgerabende“ kein Raum zu mieten sei.

„Schöner wären Familienunternehmen“

Dass die AfD auf Bundes- und Landesebene im Zusammenhang mit Rechtsextremismus immer wieder in die Schlagzeilen gerät, hat für die 54-Jährige keine Auswirkungen auf die Politik vor Ort: „In der Kommunalpolitik spielt das keine Rolle. Wir werden von den Kollegen nicht ausgegrenzt. Wir wollen ja alle dasselbe: Dass es den Bürgern gut geht.“

Dafür will sie den Mittelstand stärker fördern: „Es gibt das große Gewerbe auf der grünen Wiese, aber die Unternehmen zahlen ihre Steuern am Hauptsitz“ - und damit anderswo. Deswegen solle der Mittelstand ausgebaut und entwickelt werden, beispielsweise, indem man ansiedlungswilligen Unternehmern Grundstücke kostengünstig zur Verfügung stellt. „Schöner wären Familienunternehmen“, sagt sie.

Ein Drittel produzierendes Gewerbe im Landkreis

Ihre Kinder - ein Sohn und eine Tochter - leben und arbeiten in Rheinland-Pfalz und in Niedersachsen. Ihr Sohn habe beim jüngsten Rückkehrertag des Landkreises Harz nach Möglichkeiten gesucht, in der Region Arbeit zu finden, aber ohne Erfolg. Dass es anderen ähnlich gehe, könnte auch daran liegen, dass die Arbeit hier weniger gut entlohnt werde, überlegt Ivkin.

Nur ein Drittel der Wirtschaft im Landkreis umfasse produzierendes Gewerbe, den Großteil nehme der Dienstleistungssektor ein. Tourismusförderung ist da für die Halberstädterin das Stichwort. Der Harz solle sich stärker auf Touristikmessen in Osteuropa präsentierten und Urlauber aus diesen Ländern anlocken. Darin sieht sie Potenzial.

„Regionale Produktion ist besser“

Die Landwirtschaft sei ein weiteres ökonomisches Standbein im Landkreis, und das müsse gestärkt werden: „Regionale Produktion ist besser, als wenn man Lebensmittel durch die halbe Republik fährt“, sagt Ivkin.

„Wir müssen in die Infrastruktur investieren“, setzt sie hinzu. Landrat Martin Skiebe (CDU) seien da keine Vorwürfe zu machen: „Er ist an Bund und Land gebunden. Wir sind hier das kleinste Glied.“ (mz)