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Ebbe im Flussbett Kein Wasser im Flussbett der Selke in Hedersleben: Angler wollen Gewässer abfischen und Fische retten

Von Benjamin Richter 16.08.2019, 05:56
Die Angler aus Hedersleben versuchen zu retten, was zu retten ist. Mit bloßen Händen holen sie die noch lebenden Fische aus der Selke.
Die Angler aus Hedersleben versuchen zu retten, was zu retten ist. Mit bloßen Händen holen sie die noch lebenden Fische aus der Selke. Richter

Wedderstedt - Nur ihre toten Körper zeugen noch von dem aussichtslosen Überlebenskampf, den die Schmerlen, Elritzen und Forellen in ihren letzten Stunden in der mittlerweile vertrockneten Pfütze geführt haben. Dicht an dicht liegen die leblosen Fische im Bett der Selke.

„So habe ich den Fluss in meinem Leben noch nicht gesehen“, sagt Hans Hubert Alsleben. Der 63-Jährige ist Kreisgewässerwart und zweiter Vorsitzender des Angelvereins Hedersleben. Die drei Vereinskollegen, mit denen er den Schaden an der Natur begutachtet, pflichten ihm bei: Dass in der Selke gar kein Wasser mehr fließt, hat es zuvor noch nicht gegeben.

Am vergangenen Wochenende ist der Lauf des Flusses endgültig versiegt, berichten Angler aus Hedersleben

Am vergangenen Wochenende, so die Angler, ist der letzte Rest der Bachlaufs bei Wedderstedt versiegt. Nur etwa 200 Meter flussaufwärts verläuft die Grenze zwischen dem Landkreis Harz und dem Salzlandkreis. Dort, so die Angler, ließe sich das Problem womöglich lösen.

Südlich von Gatersleben staut ein Wehr das Wasser der Selke und verteilt es neben dem Fluss auch in den Mühlgraben und in einen Fischteich, wie Alsleben darlegt. „Man könnte versuchen, das Wasser in den Mühlgraben zu stoppen und es dafür der Selke zuzuführen“, schlägt er vor. Ob das ausreicht, um den Fluss wieder zum Fließen zu kriegen, müsse sich zeigen.

Auch die Neu-Justierung eines Wehres südlich von Gatersleben brachte keinen Erfolg

Dem Ratschlag folgten der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) und der Kreisnaturschutzbeauftragte bereits am Dienstag: Das Wehr wurde neu justiert, „um der Selke mehr Wasser aus dem Mühlgraben zuzuführen“, teilt Manuel Slawig, Sprecher des Landkreises Harz, mit.

Der erwartete Erfolg, urteilte Alsleben am Mittwoch, blieb aus: „Die Maßnahme ist verpufft.“ Bereits zwei Stunden nach der Neujustierung sei das zusätzliche Wasser wieder versiegt gewesen. Nun prüfe der LHW, ob sich die Situation des Flusses verbessern würde, wenn man die Staumauer an dem Gaterslebener Wehr um einen Zentimeter öffnet.

Angler wollen das Gewässer abfischen und Fische abtransportieren

Bis die Behörden darüber entschieden haben, könnte es für die letzten lebenden Flussbewohner allerdings schon zu spät sein. Die vier Hederslebener sind sich daher einig: „Wir werden die Pfützen sehr bald elektrisch abfischen“, kündigt Alsleben an. Spätestens am Donnerstag wollen die Angler damit beginnen.

Bei der Methode wird ein Impulsstrom ins Wasser geleitet, der die Fische dazu bringt, zur Stromquelle zu schwimmen. Dort können sie dann leicht aus dem Wasser geholt werden. „Wir bringen eine Tonne mit sauerstoffhaltigem Wasser mit“, ergänzt der Vorsitzende des Angelvereins, Peter Brewig, „sonst gehen uns die Fische beim Transport kaputt.“

Die Feuerwehr in Hausneindorf besitzt nun keine Löschwasserreserve mehr

Die trockene Selke stellt auch die Hausneindorfer Feuerwehr vor eine Herausforderung, erklärt deren Leiter Uwe Fabian. Die Wehr nutze den Fluss als Löschwasserreserve. „Die Versorgung über das öffentliche Hydrantennetz ist begrenzt“, legt er dar. „Wenn nun ein größerer Schadensfall auftritt, bekommen wir gewaltige Probleme.“

Die kritische Lage ist nicht auf das Teilstück bei Wedderstedt beschränkt, teilt Manuel Slawig mit. „Die Selke führt derzeit auf ihrer gesamten Länge Niedrigwasser.“ Grund sei der fehlende Regen. „Die Lage kann zurzeit mit der des Dürrejahres 2018 verglichen werden.“ Außer vereinzelten Gebirgsbächen und Quellen seien derzeit alle Gewässer im Kreis vom Austrocknen bedroht.

Flussbett zieht Quadfahrer an - „das geht natürlich gar nicht“, sagt der Gewässerwart

Das nahezu trockene Selkebett hat derweil bereits ungebetene Gäste angezogen: Am Sonnabend hat Hans Hubert Alsleben mehrere Quadfahrer auf den Kieseln beobachtet. Mittlerweile ähnelt die Selke in ihrer Beschaffenheit einem geschotterten Waldweg - das scheint sich in der Szene herumgesprochen zu haben.

„Das geht natürlich gar nicht“, stellt der Gewässerwart klar. „Hier leben Fische und andere Tiere - die können nicht so schnell ausweichen, wie ein Quad heranrast.“ (mz)