"Ich will ein lebendiges Museum" Im Haus der Natur in Meisdorf gibt es jede Menge zu entdecken: Erdgeschichte und Arten werden erklärt

Meisdorf - Auf dem schwarzen Untergrund zeichnet sich ein spitzer Schädel mit feinen Zähnen ab. Unter der Schnauze formt die Wirbelsäule einen Bogen, links davon liegt ein Fuß mit langen Zehen. „Ein kleiner Saurier, der hier in Meisdorf rumgelaufen ist“, sagt Elisabeth Kuster-Wendenburg augenzwinkernd und legt den etwa zwei Hände großen Abguss des fossilen Skeletts zurück in seine Kiste.
Nun ja, dieses Exemplar ist andernorts gefunden worden, aber möglich wäre es schon, dass diese Tiere in der Gegend unterwegs waren, sagt die Geologin.
Sie sieht aus dem Fenster: „Da hinten, das ist der Weinberg.“ Sie deutet auf den Höhenzug bei Meisdorf, den sie gedanklich in seine Gesteinsschichten zu zerlegen beginnt.
Vorläufer der Dinosaurier
Im „Haus der Natur“ will sie das den Menschen nahebringen. „Damit sie, wenn sie mit dem Hund spazieren gehen, wissen, dass sie gerade über Zechstein laufen“, sagt sie lächelnd. Denn was sich dort im Zeitalter des Perm, vor etwa 300 Millionen Jahren, abgelagert hat, ist noch da. Es war die Zeit, in der sich die Vorläufer der Dinosaurier entwickelten und Ammoniten in den Meeren herumschwammen.
„Hier kommen die Dinosaurier hin“, sagt Elisabeth Kuster-Wendenburg und deutet auf eine weiße Wand. Noch sind die Räume nach ihrer grundlegenden Renovierung leer, aber sie weiß genau, wo welche Vitrine stehen soll.
Das Erdgeschoss gehört dem Karbon, dem Rotliegend - weil es mit dem Weinberg zum Greifen nah ist -, den Dinosauriern und dem Übergang zu den Säugetieren und schließlich dem Menschen.
Die neue Ausstellung zeigt auch die Entwicklung von den Wirbellosen bis zu den Fischen und von den Dinosauriern bis zu den Vögeln. „Die Texte sind alle fertig, jetzt muss nur noch alles aufgestellt werden.“
Ausgewählte Ausstellungsstücke dürfen auch berührt werden. „Ich bin Museumsfrau, und ich will ein lebendiges Museum“, sagt Elisabeth Kuster-Wendenburg. Die Wissenschaftlerin war Hauptkustodin und stellvertretende Direktorin des Überseemuseums in Bremen.
Während ihrer Arbeit dort und ihrer Tätigkeit im Naturkundemuseum Kassel habe sie Schüler als Praktikanten gehabt: „Ich weiß, wie sie auf Fossilien reagieren - mit großem Interesse.“ Das wolle sie fördern.
Aber nicht nur Kinder, auch Erwachsene sollen hier interessante Entdeckungen machen können, die ihnen die Region aus einem anderen Blickwinkel zeigen. Elisabeth Kuster-Wendenburg holt einen weißglänzenden, in schmalen Streifen mit Moos bewachsenen Stein aus einer Box. „Das ist Gips, der zwischen Badeborn und Ballenstedt gefunden wurde. Marienglas.“
Das „Haus der Natur“ hat Kuster-Wendenburgs Vorfahren gehört. „Ich wollte, dass das Haus sinnvoll genutzt wird“, sagt die 85-Jährige, die auch Vorsitzende des Fördervereins für das Haus ist, das nach der Neugestaltung Ende August, Anfang September eröffnet werden soll.
Für sein Vorhaben hat der Förderverein jetzt 1.000 Euro aus den Ortschaftsratsmitteln bekommen. Andere Vereine haben dafür auf finanzielle Unterstützung verzichtet. „Das zeigt, welche gute Zusammenarbeit wir im Ort haben und dass einer für den anderen einsteht“, sagt Ortsbürgermeister Ralf Bianga gegenüber der MZ. Immerhin: So ein Museum gebe es in der Region kein zweites Mal.
Bibliothek im ersten Stock
Eine Treppe aus Eichenholz windet sich ins Obergeschoss. Dort können Vortragsveranstaltungen, Seminare oder auch Kindergeburtstage stattfinden. Die Bücher für die Bibliothek hat Elisabeth Kuster-Wendenburg in den vergangenen Tagen hinaufgetragen: Lexika, Literatur zu Archäologie, Geowissenschaften und zu Kunst, Biografien, Klassiker.
Am hinteren Ende des Raums klafft an diesem Tag noch ein großes Loch. Der Blick ins Erdgeschoss ist frei. „Da wird der Fahrstuhl eingebaut“, erklärt die Hausherrin. Der Förderverein schafft in seinem denkmalgeschützten Fachwerkbau aus dem 17. Jahrhundert Barrierefreiheit, finanziell unterstützt wird er dabei von der Aktion Mensch.
Suche nach der Jahreszahl
„Das Haus wurde 1685 gebaut“, sagt Kuster-Wendenburg. In Auftrag gegebene Holzanalysen hätten das ergeben, sagt sie und geht nach draußen. An der linken Seite des Hauses sucht sie nach der Jahreszahl, die in einen Holzbalken geritzt wurde. Sie zeigt nach oben: „Da, ganz schwach ist es noch zu erkennen.“
Am Anfang der Sanierung stand im Gebäude bis auf die Holzbalken nichts mehr. „Es war ganz leer, das war furchtbar“, sagt sie über ihr Elternhaus. „Jetzt finde ich es wunderschön. Es ist schön, wenn man ein naturwissenschaftliches Zentrum daraus macht.“
Damit will die Geologin auch an die naturwissenschaftliche Tradition ihrer Familie anknüpfen: „Mein Großvater hat Geologie in Tübingen studiert. Er hatte Steine in so grünen Kästchen, die habe ich später im Museum Kassel auch gesehen.“ (mz)
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Seit 2007 gibt es den Verein der Freunde und Förderer Haus der Natur. In dem Museum sollen geologisch-paläontologische Objekte ausgestellt werden. Außerdem gibt es eine Fachbibliothek und ein Labor, in dem Objekte präpariert, separiert, bestimmt, fotografiert und abgegossen werden können.

