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Harzer Schmalspurbahnen Harzer Schmalspurbahnen: Fährt die Bahn auf das Abstellgleis?

Von Detlef Horenburg 21.04.2017, 07:55
Der Winter kehrte am Mittwoch in das Selketal zurück.
Der Winter kehrte am Mittwoch in das Selketal zurück. Torsten Brehme

Quedlinburg/Wernigerode - Die Meldung vom Mittwoch schlug in der Region ein wie eine Bombe: Die Harzer Schmalspurbahnen (HSB) wollen für rund ein Drittel aller Züge auf der Strecke der Selketalbahn Busse im Schienenersatzverkehr einsetzen. Das soll ab 29. April mit dem Start des Sommerfahrplans passieren.

Welche Abschnitte und Zugverbindungen genau betroffen sind, darüber wollte sich die HSB-Chefetage noch nicht festlegen. Fakt sei aber, so teilte Dirk Bahnsen, Leiter Unternehmenskommunikation der HSB, auf MZ-Nachfrage mit, dass insgesamt sechs Dampflokheizer fehlten, um alle ursprünglich geplanten Fahrten auf dieser Strecke abzusichern.

Einschränkungen bei der HSB wieder einseitig

Trotz aller Bemühungen sei es dem kommunalen Unternehmen nicht gelungen, die teilweise durch altersbedingtes Ausscheiden freigewordenen Heizerstellen wieder zu besetzen. Pikant hierbei ist: Die Dampfzüge auf den Strecken der Harzquer- und Brockenbahn werden unverändert wie im Vorjahr rollen.

Sehr zum Groll auch von Doreen Post, Prokuristin der Quedlinburg Tourismus GmbH: „Wieder erfolgen die Einschränkungen nur einseitig.“ Gerade die Fahrt per Dampfzug ins Selketal und von dort nach Quedlinburg sei nach ihrer Ansicht einer der schönsten Strecken der HSB.

Statt die Strecke mit dem Einsatz von mehr Dampfzügen für Touristen aufzuwerten, werde der Tourismus dort mit Beginn der Hochsaison durch den Einsatz von Bussen geschwächt, sagte sie. „Es wird schwierig werden, den Gästen so entsprechende Pauschalangebote zu vermitteln.“

Dampfzugverkehr im Harz ist wichtige touristische Attraktion

Die Ankündigung der HSB sorgt auch bei den Anrainern der Selketalbahn für Empörung und Entsetzen: „Das ist für uns inakzeptabel. Der Dampfzugverkehr ist für uns eine wichtige touristische Attraktion“, fasste Harzgerodes Bürgermeister Marcus Weise (CDU) die Stimmung aus Kommunalpolitik und Tourismus zusammen.

Als Aufsichtsratsmitglied sei er über die Entscheidung der HSB-Geschäftsführung nicht detailliert informiert gewesen. Er habe deshalb auf eine dringende Aufsichtsratssitzung bestanden, die nun am 2. Mai stattfinden soll.

Lars Zimmermann, Geschäftsführer des Morada Hotels in Alexisbad, findet noch deutlichere Worte: „Die Wintersaison im Unterharz war schon mehr als katastrophal und jetzt kommt auch noch die HSB mal lustig um die Ecke mit Schienenersatzverkehr.“ Die älteste Kleinbahn im Harz schiebe man so auf das Abstellgleis.

Beschwerde beim Ministerpräsidenten Reiner Haseloff

„Ist es Unvermögen eines Unternehmens oder politisches Kalkül zur Erlangen von weiteren Zuschüssen durch das Land“, fragte er.

Zimmermann weiter: „Wer denkt denn an die Kosten für diese fragwürdigen Entscheidungen? Unsere Gäste können mit den Hatix-Ticket kostenlos die Busse benutzen. Wer fährt denn da noch mit dem Schienenersatzverkehr?“ Der Hotelier kündigte an, sich an Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) zu wenden.

Für Quedlinburgs Oberbürgermeister Frank Ruch (CDU) ist der geplante Einsatz von Bussen im Schienenersatzverkehr von Quedlinburg unverständlich.

Er sieht hier einen „Angriff auf die Strecke“, der bereits mit dem zeitweisen Ersatzverkehr zischen Quedlinburg und Gernrode im Spätherbst begann. „Wir wollen den Anfängen wehren und werden unsere Position zum Erhalt der Strecke in den HSB-Gremien klar betonen“, kündigte er an.

Entscheidung bei der Schmalspurbahn nicht aus heiterem Himmel getroffen

Wernigerodes parteiloser Oberbürgermeister Peter Gaffert, der zugleich Aufsichtsratsschef der HSB ist, bedauerte die Entscheidung. Aus heiterem Himmel sei diese allerdings nicht getroffen worden, widersprach er seinen Harzgeröder Amtskollegen.

Die „Bahngesellschafter“ seien im Vorfeld von der Geschäftsführung informiert worden. „Natürlich halten wir an der Selketalbahn fest“, betonte Gaffert.

Er kreidete der Geschäftsführung an, zu spät auf die sich abzeichnende Personalkrise reagiert zu haben. „Ich hoffe, das sich die Lage schnell wieder normalisiert“.

Betriebsrat der HSB von Entscheidung überrascht

Auch der Betriebsrat der Harzer Schmalspurbahnen wurde von der Entscheidung überrascht, sagte Betriebsratsvize Michael Kröber. Noch Anfang des Monats wurde auf der Betriebsversammlung noch kein „Sterbenswörtchen“ darüber verloren.

„Wir wollen auf alle Fälle das Gesamtnetz erhalten“, versicherte er. Und: „Unser Interesse liegt nicht im Schienenersatzverkehr.“

Ein Trost bleibt trotz aller Kritik: Grundsätzlich brauchten Benutzer der Selketalbahn auch im Sommerfahrplan nicht ganz auf den Dampfzugbetrieb zwischen Quedlinburg, Hasselfelde und Eisfelder Talmühle mit Anschluss an den Nordhäuser Dampfzug zum Brocken verzichten. So fährt dann täglich ein Dampfzug ab 8.30 Uhr von Quedlinburg in Richtung Brocken und ist 19.25 Uhr wieder zurück. (mz)